Hamburg. In Hamburg entwickelte sich der kroatische Spielmacher des THW Kiel einst zu einem der weltbesten Handballer.

An den 22. Mai 2010 erinnert sich Domagoj Duvnjak nur äußerst ungern. Neun Monate zuvor, im August 2009, hatte der HSV Handball das 21 Jahre alte Toptalent kurz vor Saisonbeginn für eine Rekordablösesumme von rund einer Million Euro von RK Zagreb verpflichtet. Duvnjak war zum damaligen Zeitpunkt der teuerste Spieler der Welt, musste sein Preisschild in jedem Spiel rechtfertigen. „In meinem ersten Jahr beim HSV haben wir kurz vor dem Ende der Saison zu Hause gegen Kiel verloren und deshalb auch die Meisterschaft verloren. Das ist eine schlechte Erinnerung“, denkt der kroatische Mittelmann an jenen Sonnabendnachmittag im Mai 2010 zurück.

Auch wenn Duvnjak an diesem Sonntag (13.40 Uhr/Sky und NDR), elfeinhalb Jahre später, in die Barclays Arena zurückkehrt, geht es für den mittlerweile 33-Jährigen darum, die Meisterschaft nicht erneut zu verspielen. Mit Rekordmeister THW Kiel liegt Duvnjak bereits sechs Punkte hinter Tabellenführer SC Magdeburg, der bisher alle zwölf Saisonspiele gewinnen konnte.

Rückkehr in seine alte Heimatstadt Hamburg steht im Vordergrund

Im Vordergrund steht für den kroatischen Weltklassespieler aber zunächst einmal die Rückkehr in seine alte Heimatstadt Hamburg, die er nach fünf Bundesligajahren, einem deutschen Meistertitel und dem Triumph in der Champions League im Sommer 2014 in Richtung Kiel verlassen hat. „Ich freue mich riesig, dass wir am Sonntag in dieser geilen Halle spielen. Ich habe immer gesagt, dass die Bundesliga einen starken HSVH braucht. Das wird ein richtig geiles Spiel“, sagt der Rekordtorschütze der kroatischen Nationalmannschaft.

Beim HSV Handball entwickelte sich das einstige Toptalent zu einer der größten Attraktionen der Handball-Bundesliga, wurde 2013 zum Welthandballer gewählt. Nach der verspielten Meisterschaft drei Jahre zuvor war es in jener Saison wieder ein denkwürdiges Nordderby, das Duvnjak bis heute in Erinnerung geblieben ist. „Das Champions-League-Halbfinale gegen Kiel 2013 war das Highlight für mich“, sagt der 1,98 Meter große und 100 Kilogramm schwere Athlet. Mit elf Toren warf Duvnjak die Mannschaft von Trainer Martin Schwalb fast im Alleingang ins Finale, wo auch der FC Barcelona das Nachsehen hatte.

„Ich habe fünf wunderschöne Jahre in Hamburg gehabt“

Das alles: lange her. „Ich habe fünf wunderschöne Jahre in Hamburg gehabt“, sagt Duvnjak, der nach dem Champions-League-Triumph gemeinsam mit Mitspielern wie Pascal Hens, Hans Lindberg, Johannes Bitter, Torsten Jansen und Blazenko Lac­kovic auf Mallorca feierte. Im selben Sommer entschied er sich, den HSV Handball im nächsten Jahr in Richtung Kiel zu verlassen.

Während sich Hamburg zwei Jahre später nach der Insolvenz unter dem neuen Namen Handball Sport Verein Hamburg (HSVH) beim Neustart in Liga vier wiederfand, spielte Duvnjak weiter auf Topniveau. „Das ist jetzt aber schon meine achte Saison in Kiel, die Zeit in Hamburg ist lange her. Trotzdem habe ich noch immer guten Kontakt mit vielen Leuten von damals. Ich freue mich sehr, dass ich Toto, Lac, Jogi und Schwalbe wiedersehen kann“, sagt Duvnjak. Jansen führte den HSVH gemeinsam mit Co-Trainer Lackovic zurück in die Bundesliga, Schwalb ist Vizepräsident, Bitter wieder Torwart. Mit Landsmann Lackovic treffe er sich noch häufig in Hamburg oder in Kiel, auch mit den anderen HSVH-Akteuren von damals sei er noch in Kontakt, erzählt Duvnjak.

Im Januar wartet eine Weltmeisterschaft auf den Dauerbrenner

„Ich fühlte mich in den vergangenen Jahren immer noch richtig fit, hatte bisher keine Probleme. Trotzdem ist es meine 13. Saison in der Bundesliga, das ist eine brutale Belastung“, sagt der viermalige deutsche Meister, dessen Vertrag in Kiel noch bis Sommer 2024 läuft. „Ich hoffe, dass ich weiter gesund bleibe. Dass ich mit 33 Jahren mehr Zeit zur Regeneration brauche, ist normal. Unser Trainer passt aber gut auf uns auf, verteilt die Spielzeit.“

Während der HSVH nach dem Aus in der zweiten DHB-Pokalrunde in dieser Saison nur noch in der Bundesliga ranmuss, spielt Duvnjak mit dem THW in der Liga, im Pokal und in der Champions League. Und falls das immer noch zu wenig Spiele sein sollten, wartet im Januar auch noch eine Weltmeisterschaft auf den Dauerbrenner. „Jeder Spieler sagt, dass es zu viele Spiele sind. In der vergangenen Saison hatte ich 80“, berichtet er. „Wir können als Spieler aber fast nichts dagegen tun. Ich habe auch bei Initiativen wie ,Don’t play the Players‘ mitgemacht, glaube aber nicht, dass das wirklich etwas bringt.“

Im Vergleich zu anderen internationalen Topteams wie dem FC Barcelona oder Paris St.-Germain, die ihre Stars bei vielen Ligaspielen schonen können, muss der THW auch in der Bundesliga in jeder Partie ans Leistungslimit gehen. „Wir sind wie Papageien, sagen vor jedem Spiel, dass es schwer wird. Dass es auch wirklich so ist, hat man bei unserem Spiel in Lübbecke gesehen. Man muss immer 100 Prozent geben, um zu gewinnen“, weiß Duvnjak. Ende Oktober rutschte der Meister bei Aufsteiger TuS N-Lübbecke aus, verlor 25:29 und zwei wichtige Punkte im Kampf um den Titel. Auch wenn der THW als klarer Favorit anreist, ist der HSVH am Sonntag nicht chancenlos. Duvnjak weiß das.

"Es ist keine Überraschung für mich, wie gut die sind“

„Sie machen das bisher überragend, spielen einen sehr guten Handball. Jeder ist überrascht, dass sie auf dem sechsten Platz stehen. Das ist für einen Aufsteiger nicht normal, freut mich aber sehr für Toto und die ganze Stadt“, sagt der 33-Jährige, der den HSVH bereits in der vergangenen Zweitligasaison verfolgt hat. „Ich kenne schon seit dem letzten Jahr jeden Spieler. Es ist keine Überraschung für mich, wie gut die sind“, sagt er. Auch HSVH-Spielmacher Leif Tissier, mit dem es Duvnjak als offensiver Verteidiger zu tun bekommen wird, ist ein Begriff.

„Unsere Stärke ist, dass wir mit 6-0 und 3-2-1 zwei verschiedene Varianten in der Abwehr haben“, sagt Duvnjak. „Wir werden sehen, was funktionieren wird.“ Eine Variante muss funktionieren – ansonsten droht dem Kroaten ein Déjà-vu-Erlebnis vom Mai 2010.

Wie der HSVH mit den am Donnerstag beschlossenen Zuschauerbeschränkungen umgeht, lesen Sie auf der ersten Sportseite.