Hamburg. Die Rothenbaum-Turnierchefs Sandra und Peter-Michael Reichel ziehen Bilanz. Kommt Alexander Zverev im kommenden Jahr?

Das nächste Großevent steht bereits vor der Tür. Vom 6. bis 12. November organisieren Sandra und Peter-Michael Reichel in Linz das zweitälteste Hallenturnier der Welt im Damentennis. Seit 1991 schlägt in der Landeshauptstadt ihrer Heimat Oberösterreich die Elite auf, und Vater und Tochter legen großen Wert darauf, dass sich die Spielerinnen fast so sehr zu Hause fühlen wie sie selbst. Ebenso hohe Wichtigkeit haben aber die Hamburg European Open, die die Reichels seit 2019 am Rothenbaum verantworten. Welche Bilanz sie aus diesem Jahr gezogen haben und welche Weiterentwicklungen sie planen, darüber sprachen sie bei Pasta und Weißwein mit dem Abendblatt.

Frau Reichel, während der beiden Turnierwochen in Hamburg im Juli wirkten Sie extrem angespannt. Dennoch sagten Sie damals, es sei richtig gewesen, die Turniere trotz aller Einschränkungen durchzuziehen. Mit zwei Monaten Abstand: War es das wirklich?

Sandra Reichel: Auf jeden Fall! Wir sind 2019 mit dem klaren Versprechen angetreten, den Rothenbaum langfristig für die Zukunft zu sichern, und dazu stehen wir auch in harten Zeiten. Die oberste Prämisse war die Sicherheit aller Beteiligten. Unser Konzept hat sich bewährt, und im Rückblick bin ich sehr froh, dass alles so gut funktioniert hat. Natürlich habe ich mich als Turnierdirektorin täglich gesorgt, und das hat man mir bestimmt auch angesehen.

Peter-Michael Reichel: In diesem Jahr war alles im Fluss: Wir wussten drei Wochen vor dem Start des Damenturniers nicht, ob wir überhaupt spielen können, weil aus England die neue Deltavariante herüberschwappte und fast alle Spieler und Spielerinnen direkt aus Wimbledon anreisten. Zunächst stand sogar eine Quarantäne von 14 Tagen im Raum, aber die gab es dann nicht und wir hatten zwei sehr intensive und sportlich hochklassige Turnierwochen.

Turnierbotschafterin Andrea Petkovic in einem starken Finale

An den Zuschauerzahlen war das leider nicht abzulesen, vor allem das neue Damenturnier war nicht gut besucht.

Sandra Reichel: Das stimmt, hat uns allerdings nicht überrascht. Viele andere Sportveranstaltungen machen bis heute die Erfahrung, dass die Menschen noch vorsichtig sind mit dem Besuch von Großevents. Wir hatten zudem kaum Zeit, das Damen-Comeback angemessen zu bewerben. Erst eineinhalb Wochen vor Turnierstart wurde die erlaubte Zuschauerkapazität festgelegt, der Ticketvorverkauf musste also denkbar spät starten. Der Termin lag zudem in der zweiten Wimbledon-Woche, da waren einige Topspielerinnen noch auf Rasen statt in Hamburg unterwegs. Wir hatten ein besonderes Feld, mit frischen Namen und heimischen Talenten – und unserer Turnierbotschafterin Andrea Petkovic in einem starken Finale. Auch unsere Partner waren allesamt sehr zufrieden.

Letztlich bleibt aber unter dem Strich, dass Sie am Rothenbaum kein Geld verdienen, sondern eher draufzahlen und von der Stadt zudem großzügig unterstützt werden. Ein Dauerzustand kann das kaum bleiben, oder?

Sandra Reichel: Unser Engagement ist langfristig orientiert. Im ersten Jahr haben wir viel investiert, die zwei Folgejahre waren von Corona geprägt. Als Veranstalter ist dann eine rote Null eine starke Leistung. Die Basis für kommerziellen Erfolg ist zweifellos da, denn die Zusammenarbeit mit der Stadt, mit Alexander Otto sowie mit dem Club an der Alster und dem Deutschen Tennis-Bund ist großartig und von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Deshalb sind wir überzeugt, dass beides möglich ist: Topstars vor einem begeisterten Publikum bei den Hamburg European Open, die auch zu den kommerziell erfolgreichsten Turnieren in Europa zählen.

Die Gespräche mit fünf Sponsoren laufen bereit

Dazu wäre es wichtig zu wissen, worauf Sie in Zukunft setzen können. Fangen wir mit der Lizenz an, die Sie vom DTB zunächst bis einschließlich 2023 erhalten haben. Wann sprechen Sie über eine Verlängerung?

Peter-Michael Reichel: Diese Gespräche laufen bereits, das ist ein konstruktiver, vertrauensvoller Dialog. Unser Interesse ist klar, wir möchten dieses tolle Turnier langfristig weiterentwickeln und als Topevent des zweitgrößten deutschen Sportverbandes hier in Hamburg etablieren. Diese langfristige Perspektive bei einem echten Leuchtturmevent dabei zu sein, suchen auch unsere Sponsoren.

Haben Sie Rückmeldungen von potenziellen Sponsoren bekommen? Werden Sie 2022 einen Titelsponsor präsentieren können?

Peter-Michael Reichel: Es laufen Gespräche mit mindestens fünf Kandidaten. Der Name Hamburg European Open gefällt uns sehr gut, insofern geht es eher um einen Hauptsponsor. Wir haben viele Ideen und hoffen nun, dass von denen, die ihre Absicht erklärt haben, zumindest einige wirklich Sponsoren werden.

Die große Zukunftsfrage bleibt die nach dem Status der Turniere. Ihr Wunsch ist ein kombiniertes Damen- und Herrenevent innerhalb von zehn Tagen, was in Deutschland einzigartig wäre. Wie ist der Stand?

Sandra Reichel: Wir loten derzeit mehrere Optionen aus. Im Idealfall werden die Hamburg European Open ein kombiniertes Turnier. Wir halten das für das beste Produkt, und davon gibt es in Europa aktuell nur vier: Wimbledon, die French Open, Rom und Madrid. Soweit sind wir in den Gesprächen mit unseren Partnern jetzt allerdings noch nicht.

Tennisstar Dominic Thiem ist das Zugpferd für 2022

Im Kalender der Herrentennisorganisation ATP steht Hamburg vom 16. bis 24. Juli 2022 im Kalender. Wäre das der Termin auch für ein kombiniertes Turnier?

Peter-Michael Reichel: Richtig, für 2022 wäre das der Termin. Was darüber hinaus möglich ist, kann man derzeit nicht absehen. Wenn die ATP die Mastersturniere von 2023 an auf zwei Wochen ausweitet, was derzeit diskutiert wird, kommt eine ganz neue Dynamik hinein.

Was tun Sie, wenn ein kombiniertes Turnier nicht genehmigt wird?

Sandra Reichel: Dann setzen wir auf das Format aus diesem Jahr: Die Damen in der Woche vor den Herren. Egal, welche Lösung es wird, wir sind sicher, all das liefern zu können, damit sich Spielerinnen, Spieler und die Fans wohlfühlen.

Antrittsgagen zahlen Sie nicht. Wie können Sie dann die Teilnehmerfelder verbessern?

Peter-Michael Reichel: Für 2020 haben wir keine Antrittsprämien gezahlt, für 2021 schon! Aber natürlich können wir aktuell keine riesigen Summen bieten. Da ist Fingerspitzengefühl und Psychologie gefragt: Es geht darum, auch die Topprofis davon zu überzeugen, dass sie das bestmögliche Umfeld vorfinden. Wir haben mit Dominic Thiem einen Vertrag für 2022, damit ist uns ein Zugpferd für das Herrenturnier sicher.

Sofern er sich nicht verletzt abmelden muss wie in diesem Jahr. Alexander Zverev hat in Halle einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Wann tut er das in Hamburg?

Peter-Michael Reichel: Wir sprechen mit seinem Bruder und Manager Mischa, was in der Zukunft möglich sein wird. Sascha war 2019 im Halbfinale am Rothenbaum – und natürlich wollen alle den Hamburger Jung und Olympiasieger wieder hier auf dem Center Court sehen. Das ist unser großer Wunsch. Ansonsten wollen wir auch weiterhin die junge Generation präsentieren, die in ein paar Jahren ganz oben mitspielt.

Sandra Reichel: Bei den Damen setzen wir darauf, dass mit mehr Vorlauf und einem Termin außerhalb von Wimbledon automatisch mehr Topprofis zu uns kommen. Den Spielerinnen hat die Premiere sehr gut gefallen, das spricht sich auf der Tour natürlich auch herum.

Inklusion und Nachhaltigkeit sind wichtige Themen

Könnte es angesichts des Termins helfen, doch den Belagwechsel von Sand auf Hartplatz zu forcieren?

Peter-Michael Reichel: Das mag sein, und wir kennen diese Diskussion schon lange. Dabei ginge es nur um einen temporären Wechsel, denn der Club an der Alster wird seine Sandplätze sicher nicht aufgeben. Ob das finanziell darstellbar und wirtschaftlich vernünftig wäre, müssten wir erst einmal kalkulieren.

Sandra Reichel: Dazu kommt die Frage nach der Nachhaltigkeit – passt diese Option überhaupt in die Zeit? Wir sind bei der Stadt eines der Vorzeigeprojekte im Rahmen der Pilotprojekt-Aktion „Green Events“. Das wollen wir bleiben.

Welche Weiterentwicklungen schweben Ihnen denn sonst noch vor?

Sandra Reichel: Das wichtigste Thema bleibt das kombinierte Event, denn damit hätte Hamburg ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Alles, was als Rahmenprogramm drumherum passiert, zählt ebenfalls, ist aber nicht die Hauptsache. Wir treiben das Thema Inklusion voran, binden die Jugend und auch die Trainerinnen und Trainer mit unseren Events ein. Schon in diesem Jahr hat der große DTB-Trainerkongress im Rahmen der Hamburg European Open stattgefunden.

Ein wichtiger Faktor könnte Andrea Petkovic sein, die als Botschafterin des Turniers mit ihrer Finalteilnahme und ihrer erfrischenden Art eine starke Premiere hatte. Was planen Sie mit ihr?

Sandra Reichel: Für Andrea steht alles offen. Sie bringt viele Ideen ein, hat ein tolles Standing sowohl bei den Damen als auch bei den Herren, und sie möchte als gestandener Vollprofi auch den Wohlfühlfaktor des Turniers erhöhen. Wir haben sie langfristig als Botschafterin verpflichtet, perspektivisch ist sogar mehr denkbar. Ich selbst sehe mich nicht auf ewig als Turnierdirektorin. Ich bin absolute Teamplayerin, muss nicht im Mittelpunkt stehen. Andrea dürfte gern irgendwann meinen Job übernehmen.