Hamburg. Der Hamburger will Weltmeister im Leichtgewicht werden. Siegt er am Sonnabend, rückt die Chance näher. Nun muss er erstmal hungern.

Die Bilder sind in seinem Kopf, schon lange. „Du bist, was du tust, und du tust, was du denkst“, so beschreibt Artem Harutyunyan das Motto, nach dem er sein sportliches Leben ordnet. Also malt er sich in Gedanken aus, Profiboxweltmeister zu sein. „Ich trainiere so, als wäre ich es bereits. Nur dann werde ich es irgendwann wirklich sein“, sagt der 31 Jahre alte Hamburger, der dieses Irgendwann zwar nicht erzwingen will, aber gern bald erleben würde. „Ich habe das Gefühl, dass ich bereit bin für das ganz große Ding“, sagt er.

An diesem Sonnabend (22.15 Uhr/bild.de) hat der gebürtige Armenier im Gym seines Hamburger Stalls Universum an der Großen Elbstraße (300 Zuschauer unter 2G-Regel erlaubt) die Chance, das zu beweisen. Im elften Profikampf seiner Karriere hat er im Hauptevent der zehn Kämpfe umfassenden Gala den härtesten Prüfstein vor sich, seit er im November 2017 den Weg ins Berufsboxen wählte.

Harutyunyan: "Wichtigster Kampf meiner Profikarriere"

Den neun Jahre jüngeren, aber in bereits 16 Profikämpfen unbesiegten Spanier Samuel Molina ordnet Artem Harutyunyan in die Riege der Konkurrenten ein, die er in seinen besten Amateurzeiten aus dem Weg räumen musste. Und wenn man weiß, dass der 172 Zentimeter große Modellathlet Weltmeister der semiprofessionellen Weltserie APB war und 2016 in Rio de Janeiro Olympiabronze holte, darf diese Einordnung als Lob und Warnung gleichermaßen gelten.

Auf dem Weg, es bei den Profis zum WM-Titel zu schaffen, sind Gegner wie Molina allerdings Hürden, die Artem Harutyunyan überspringen muss. Auf dem Spiel steht die internationale Meisterschaft des Weltverbands WBC im Leichtgewicht (Klasse bis 61,2 kg), ein Sieg würde den Hamburger in der Weltrangliste in die Nähe einer Pflichtherausforderung für Weltmeister Devin Haney (22/USA) bringen. „Wenn ich gewinne, würden sich mir viele Türen öffnen. Deshalb ist das mit Sicherheit der wichtigste Kampf meiner Profikarriere“, sagt er.

Harutyunyan wechselte die Gewichtsklasse

Den härtesten Kampf führt Artem Harutyunyan allerdings seit Wochen außerhalb des Rings. Weil er sich vor seinem bislang letzten Auftritt im April dieses Jahres entschieden hatte, seine seit dem 16. Lebensjahr angestammte Gewichtsklasse Halbwelter (bis 63,5 kg) zu verlassen, ist das Gewichtmachen wieder zur Qual geworden. „Das alte Limit hatte ich ohne Probleme geschafft. Jetzt ist es wieder eine Herausforderung“, sagt er. Vor allem mental ist das Herunterhungern in den Tagen vor dem offiziellen Wiegen Folter. „Du denkst jede Minute an Essen und weißt, du darfst nicht. Das ist hart. Aber wenn ich am Freitag auf der Waage mein Ziel erreicht habe, ist das schon der erste Sieg“, sagt er.

Dynamischer, beweglicher, auch schlagstärker fühle er sich im niedrigeren Limit, „ich bin weniger müde und weniger verletzt“. Hauptgrund für den Wechsel war aber, dass er sich in einer Gewichtsklasse voller Superstars wie Dreifachchampion Teofimo Lopez (24/USA) oder dem Ukrainer Vasil Loma­tschenko (33) Kämpfe mit hoher Strahlkraft verspricht. „Im Halbwelter kenne selbst ich außer Josh Taylor, der alle vier WM-Titel hält, niemanden. Im Leichtgewicht sind in den USA die richtig großen Kämpfe möglich, und genau da will ich hin“, sagt er.

Harutyunyan: „Es gibt immer etwas zu verbessern"

Da gehöre er auch hin, glaubt Cheftrainer Artur Grigorian, selbst ehemaliger Leichtgewichtschampion. „Aber dafür muss er seine Beinarbeit verbessern und noch etwas schneller und genauer treffen. Wir arbeiten daran und sind auf einem guten Weg, aber wir brauchen auch Geduld.“ Geduld – und Kämpfe wie den am Sonnabend, in dem sich zeigen soll, wie weit Artem Harutyunyan auf seinem Weg ist. „Sollte ich verlieren, muss ich noch härter arbeiten. Aber gewinne ich, und davon gehe ich aus, werde ich trotzdem nicht zufrieden sein, denn es gibt immer etwas zu verbessern“, sagt er. Zumindest so lange, bis sie endlich Realität sind, diese Bilder, die er schon lange in seinem Kopf hat.