Hamburg. Agostina Alonso und Thomas Habif spielen seit ein paar Wochen für Hamburger Clubs. Was ihnen an Hamburg besonders gefällt.

Wer als Mann ein ruhiges Leben an der Seite einer Frau führen möchte, der tut gut daran, seine Partnerin ausreden zu lassen; ihr zuzustimmen, wenn sie Schlaues sagt – und zu schweigen, wenn seine und ihre Meinung differieren. Wer es damit allerdings übertreibt, dem kann es so ergehen wie Thomas Habif in seinem ersten Abendblatt-Interview.

Lange hat der argentinische Hockey-Nationalspieler den Part des Zuhörers gegeben, seiner Freundin Agostina Alonso zugestimmt oder geschwiegen. Doch als die Frage aufkommt, was ihre Heimat Buenos Aires von ihrer neuen Wahlheimat Hamburg unterscheidet, fordert die argentinische Hockey-Nationalspielerin vehement einen Rollentausch. „Sag du auch mal was, ich rede hier die ganze Zeit“, sagt sie.

Zwei argentinische Hockey-Nationalspieler in Hamburg

Agostina Alonso und Thomas Habif sind seit acht Jahren ein Paar. Als sie im Frühsommer entschieden, in der deutschen Bundesliga den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen, da waren sie davon ausgegangen, vor allem sportlich viel lernen zu können. Aber schon nach ein paar Wochen in Hamburg ist den beiden 25-Jährigen klar, dass ihre erste Auslandsstation auch Auswirkungen auf ihr Privatleben haben wird.

Immerhin wohnen sie zum ersten Mal in einer gemeinsamen Wohnung in Ottensen, was nur deshalb möglich ist, weil diese von ihren Vereinen finanziert wird. „Für junge Leute ist es in Argentinien fast unmöglich zusammenzuziehen, weil die Miete so hoch ist“, sagt Agostina Alonso, „deshalb haben wir noch getrennt bei unseren Familien gelebt.“

Leben in Ottensen ist eine Herausforderung

Die erste gemeinsame Wohnung in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht sprechen und dessen Gesellschaftskultur anders ist als die, die sie von den großen Grillfesten (Asados) aus Argentinien gewohnt sind – das ist eine Herausforderung, die die beiden Mittelfeldspieler mit viel Neugier angenommen haben. Freiräume haben sie sich dadurch geschaffen, dass sie für unterschiedliche Hamburger Clubs auflaufen.

Agostina Alonso hatte ein Angebot vom Großflottbeker THGC angenommen, der auch Thomas Habif gern verpflichtet hätte. Aber da die Herren in die Zweite Liga abgestiegen waren, argentinische Nationalspieler aber erstklassig spielen müssen, um ihren Status nicht zu riskieren, griff der Harvestehuder THC zu.

Agostina Alonso und Thomas Habif: "Hamburg ist ruhiger"

Logisch wäre wohl gewesen, wenn der frühere Fußballer, der glühender Fan der Boca Juniors ist, zum Mannheimer HC gewechselt wäre. Schließlich spielen seine älteren Schwestern Agustina (29) und Florencia (28) seit Jahren für die Damen des Clubs und hatten schon mehrfach darum geworben, den Bruder zur Familienzusammenführung in den Süden zu locken – zumal auch Florencias Partner Gonzalo Peillat für den MHC aufläuft. „Aber so sehen wir uns immerhin, wenn ich zu Spielen nach Mannheim fahre oder meine Schwestern in Hamburg sind“, sagt er.

Agostina Alonso und Thomas Habif gefällt besonders, dass es in Hamburg ruhiger ist als im 16-Millionen-Einwohner-Moloch Buenos Aires. „Die Stadt ist so grün und sauber. Nur der Verkehr ist ähnlich wie bei uns“, sagt Agostina, die sehr gut Englisch spricht und für Thomas, der zwar gut versteht, aber noch nicht reden mag, aus dem Spanischen dolmetscht.

In der freien Zeit wird Hamburg erkundet

In Argentinien hatten sie, da Hockey auch in Südamerika nicht das große Geld bringt, beide berufliche Verpflichtungen. Sie ließ sich zur Physiotherapeutin ausbilden, er arbeitete in der Autoversicherungsfirma seines Vaters. Weil sie sich in Hamburg auf ihren Sport konzentrieren können, nutzen sie die freie Zeit für ausgiebige touristische Erkundungen der Stadt. „Für uns ist alles neu und aufregend, aber wir fühlen uns wirklich sehr wohl“, sagt sie.

Eine Aussage ist das, die auch für den Sport gilt. Drei Spiele sind mittlerweile absolviert in der Feldsaison 2021/22, und den beiden Olympiateilnehmern von Tokio – Agostina gewann Silber, Thomas scheiterte im Viertelfinale an Deutschland – ist längst klar, dass sich ihre Erwartungen erfüllen werden. „Wir wollten in der Bundesliga ein neues Level kennenlernen, jedes Wochenende auf hohem Niveau spielen“, sagt Agostina.

In Argentinien ist Damenhocke Nationalsport Nummer eins

In Argentinien, wo Damenhockey Nationalsport Nummer eins ist, Herrenhockey aber hinter Fußball, Basketball und Rugby in der Nische dümpelt, findet der Ligabetrieb nur regional statt. Und auch wenn in Buenos Aires rund 40 Clubs konkurrieren und die Qualität mit der in Deutschland vergleichbar ist, sei vor allem der Stil in der Bundesliga, in der mehr Wert auf Passspiel und Kollektivgeist gelegt wird als auf individuelle Klasse, ein ganz anderer.

Einer, der ihnen allerdings liegt. „Wir sind beide Spielertypen, die von Schnelligkeit, Dynamik und Athletik leben. Genau das wollen wir einbringen“, sagt Agostina, die mit Großflottbeks Damen nach einem Sieg aus den ersten drei Spielen im unteren Drittel der Liga zu finden ist, an diesem Sonnabend (15.45 Uhr, Otto-Ernst-Straße) gegen Aufsteiger Club Raffelberg aber nachlegen will. Thomas, der mit dem HTHC als einziges von vier Hamburger Herrenteams eine weiße Weste aufweisen kann, reist am Sonnabend (15 Uhr) zum Familientreffen nach Mannheim.

Hamburg-Abenteuer ist auf ein Jahr begrenzt

Ihr Hamburg-Abenteuer haben die seit 2017 zum Nationalkader zählenden Hockey-Asse zunächst auf ein Jahr begrenzt. Im Sommer 2022 (Damen) und Winter 2022 (Herren) finden die nächsten Weltmeisterschaften statt, die Vorbereitung darauf müssen sie in der Heimat verbringen. „Aber wir können uns vorstellen, länger in Deutschland zu spielen“, sagen sie. Schließlich wollen sie lernen, sich verbessern, in allen Bereichen. Ein ruhiges Leben können doch die anderen führen.