Istanbul/Köln. Persönliche Ehrungen mag Thomas Tuchel eigentlich nicht – die Auszeichnung als Europas Trainer des Jahres adelt den Asketen dennoch.

Kurz nach Weihnachten war Thomas Tuchel arbeitslos und galt ein Stück weit als gescheitert – neun Monate später ist er ganz offiziell der beste Trainer Europas: Ein märchenhaftes Jahr 2021 hat nach dem Champions-League-Sieg für den Teammanager des FC Chelsea einen weiteren Höhepunkt erreicht. Als dritten Deutschen ehrte die Uefa den 47-Jährigen am Donnerstag in Istanbul als Coach des Jahres.

„Sorry, dass ich wegen der Reiseeinschränkungen nicht da sein kann. Wir sind sehr erfreut über diese Auszeichnung. Ich nehme den Preis im Namen meines Teams an“, sagte Tuchel in einer Videobotschaft: „Ich bin absolut begeistert und allen dankbar, die uns unterstützt haben.“

Tuchel schlägt Guardiola und Mancini

Der frühere Mainzer und Dortmunder Bundesliga-Coach, der in den vergangenen Monaten zu einem Trainer von Weltformat gewachsen ist, setzte sich vor Italiens Europameister-Trainer Robert Mancini und Pep Guardiola vom englischen Meister Manchester City durch. Tuchel hatte mit Chelsea Guardiola und seine Elf im Königsklassen-Finale von Porto 1:0 bezwungen - spätestens da war seine rüde Entlassung bei Paris St. Germain nur ein halbes Jahr zuvor vergessen.

Vor Tuchel hatten nur Ottmar Hitzfeld 2001 und Hansi Flick im Vorjahr die Auszeichnung als deutsche Trainer erhalten. Tuchels BVB-Vorgänger Jürgen Klopp hatte Pech: Als er 2019 mit dem FC Liverpool die Champions League gewann, wurde der Titel noch nicht wieder vergeben - seit 2006 hatte die Uefa eine Pause eingelegt.

Tuchel sind persönliche Ehrungen „unangenehm“

Wenn sich Tuchel und Klopp am Sonnabend (18.30 Uhr/Sky) im Schlagerspiel der Premier League mit ihren Clubs treffen, könnte dies durchaus ein Gesprächsthema werden. Ein kleines wohl aber nur – persönliche Eitelkeiten ordnet der asketische Perfektionist Tuchel dem Erfolg der Mannschaft unter.

„Ich nehme die Auszeichnung sehr dankbar an als große Auszeichnung fürs gesamte Team, weil ich mich als Teamplayer verstehe“, hatte Tuchel gesagt, als ihn der kicker vor einem Monat als deutschen Trainer des Jahres ausgezeichnet hatten, persönliche Ehrungen seien ihm „ein bisschen unangenehm“.

Tuchel wurde mit PSG-Scheichs nie warm

Wer Tuchel in den vergangenen neun Monaten beobachtete, merkte, wie er in London aufblühte. In Paris hatte er sich trotz aller – nationalen – Erfolge nie wirklich erwünscht fühlen dürfen. Die katarischen Club-Herrscher wurden mit dem kühlen Deutschen nicht warm.

Lesen Sie auch:

Das Erreichen des Champions-League-Finales 2020? Sahen sie als selbstverständlich an. Die 0:1-Niederlage dort gegen den FC Bayern? Kostete Tuchel, der das Spiel mit Gips am Fuß durchlitt, mit Verspätung den Job.

Thomas Tuchel will sich nicht ausruhen

Er selbst nahm die Niederlage an, um weiter zu wachsen. „Je mehr Erfahrung ich als Trainer habe, desto besser kann ich werden“, sagte Tuchel vor dem 2021er-Endspiel. Und besser werden will er, der immer noch ein Getriebener seines Ehrgeizes ist, bei Chelsea weiterhin.

„Niemand will sich ausruhen, ich will mich nicht ausruhen. Ich will den nächsten Erfolg, den nächsten Titel und den nächsten Entwicklungsprozess auf diesem Qualitätslevel“, sagte er: „Ich will einfach Teil davon sein und fordere das ein.“