Hamburg. Die WM-Teilnahme ist das großes Ziel von Sharanya Sadarangani und Christina Gough, das nächste ist schon in Blickweite.

Einmal so wie Thailand sein! Mit diesem Motto im Gepäck bestiegen Sharanya Sadarangani und Christina Gough am Dienstagmittag den Flieger nach Spanien. In La Manga geht es für die beiden Hamburgerinnen mit der deutschen Cricket-Nationalmannschaft von diesem Donnerstag an um das Ticket für die WM, die im Februar 2022 in Südafrika ausgetragen werden soll. Die deutsche Frauenauswahl bestreitet erst seit drei Jahren offizielle Länderspiele, konnte sich entsprechend noch nie für eine WM qualifizieren. Aber weil Thailand dies 2018 für die Titelkämpfe auf den West Indies in der Karibik als krasser Außenseiter schaffte, haben sich die „Golden Eagles“ das asiatische Land zum Vorbild genommen.

Dass in Deutschland kaum jemand davon Notiz nehmen würde, wenn sie sich ihren sportlichen Lebenstraum erfüllen könnten, wissen Sadarangani und Gough. Cricket mag weltweit angesichts seiner Verbreitung in den Commonwealth-Staaten eine der beliebtesten Sportarten sein. „Hier müssen wir, wenn Menschen unsere Ausrüstung sehen, immer wieder erklären, dass wir nicht Polo spielen“, sagt Christina Gough. „Und dass unsere Matches nicht, wie manche Testspiele bei den Männern, mehrere Tage, sondern maximal drei Stunden dauern“, sagt Sharanya Sadarangani.

Hamburgerinnen wollen sich für WM qualifizieren

Vereinfacht erklärt geht es beim Cricket darum, mit einer in verschiedenen Varianten festgelegten Anzahl geworfener Bälle – die WM-Qualifikation wird im Modus T20 mit 20 Overs à sechs Bällen gespielt – die gegnerischen Schlagmänner oder -frauen auszuschalten und bei eigenem Schlag durch Läufe möglichst viele Punkte zu erzielen. Den Reiz ihres Sports in wenige Worte zu kleiden, sei allerdings unmöglich, sagt Christina Gough. „Man muss Cricket selbst erleben, um es zu verstehen!“ Die in Hamburg geborene Tochter einer Deutschen und eines Briten hat das zum ersten Mal als Elfjährige getan, als sie in Birmingham, wo sie aufwuchs, mit ihrem Bruder im Garten Bälle warf.

Seitdem hat sie der Sport, in dem sie als Werferin (Pitcher) und am Schlag (Batsman) eingesetzt wird, nicht mehr losgelassen, obgleich sie auch für Altona 93 als Stürmerin in der Landesliga Fußball spielt. Nachdem sie im Anschluss an ihr Germanistikstudium in Oxford in ihre Geburtsstadt zurückkehrte, wo sie als Datenanalystin für den Statistikdienstleister Statista arbeitet, trat die 27-Jährige vor sechs Jahren dem THCC Rot-Gelb bei, dem einzigen Bundesligisten aus dem Hamburger Stadtgebiet. Sharanya Sadarangani, die ebenfalls in England studierte, 2017 für ein Auslandsjahr nach Deutschland kam, hier ihren Ehemann Finn, ebenfalls deutscher Nationalspieler, kennenlernte und mittlerweile in Sasel lebt, ist für den Kummerfelder SV in der Bundesliga aktiv.

Für die 26-Jährige, die Torhüterin (Wicket Keeper) ist, war der Weg in den Cricketsport beschwerlicher. Im Grundschulalter musste sie in ihrem Geburtsland Indien als einziges Mädchen in Jungenteams spielen und dafür den nationalen Verband per Brief um Erlaubnis bitten. „Mittlerweile ist Cricket für Frauen in Indien aber genauso populär wie für Männer. Es hat mindestens den Stellenwert wie Fußball in Deutschland. Wer in Indien nicht Cricket spielt, wird fast schon komisch angeschaut“, sagt sie.

In der Metropolregion Hamburg bieten 15 Clubs Cricket an

In Deutschland gibt es für die Frauen einen Bundesligabetrieb mit 14 Vereinen und rund 300 organisierten Spielerinnen, aber keinen regionalen Unterbau wie bei den Männern, die auf rund 6700 Aktive in 200 Vereinen kommen. In der Metropolregion Hamburg bieten 15 Clubs Cricket an. Sharanya Sadarangani, die drei Jahre als Englischlehrerin arbeitete und mittlerweile Öffentlichkeitsarbeit für den nationalen Verband macht, hat ein Schulprojekt entwickelt, mit dem sie im kommenden Jahr auch in Hamburg ihren Sport Jugendlichen näherbringen möchte. „Wir arbeiten daran, Schritt für Schritt professioneller zu werden“, sagt sie.

Ein Meilenstein auf diesem Weg wäre ein erfolgreiches Abschneiden in Spanien. Während in den Vereinen die meisten Aktiven keine deutschen Wurzeln haben, besteht der 14 Spielerinnen umfassende Kader des englischen Bundestrainers Michael Thewlis (51) – elf Frauen stehen auf dem Feld, ausgewechselt werden darf nur bei Verletzung – zu 50 Prozent aus Deutschen ohne Migrationshintergrund. Vor zwölf Jahren gab es erstmals ein Frauenländerspiel mit deutscher Beteiligung, allerdings nur auf freundschaftlicher Ebene.

„Was wir in den drei Jahren erreicht haben, seit wir offizielle Spiele bestreiten, ist beeindruckend“, sagt Christina Gough. Seit 14 Partien sind die „Golden Eagles“ unbesiegt, drei Siege fehlen noch zum Weltrekord. Einschränkend muss gesagt werden, dass in Ermangelung von Gegnern in der Corona-Zeit Länderspielserien mit je fünf Partien gegen schwächere Konkurrenz aus Frankreich und Oman zu dieser Siegesserie beigetragen haben.

Die WM-Teilnahme ist ihr großes Ziel

Zum Auftakt der WM-Qualifikation wartet an diesem Donnerstag (10.30 Uhr/Livestream bei icc.tv) mit Irland eine echte Standortbestimmung. „Sie gehören zu den Top-Ten-Nationen und sind in La Manga klarer Favorit“, sagt der Bundestrainer, „aber warum sollten wir an einem guten Tag nicht gewinnen?“ Wenn das gelingen sollte, sagen die beiden Hamburgerinnen, dürfte die Euphorie sie zu weiteren Siegen gegen Frankreich (Fr., 10.30 Uhr), die Niederlande (Fr., 15.30 Uhr), die Türkei (So., 15.30 Uhr) und Schottland (Mo., 10.30 Uhr) tragen.

Nur der Sieger des Turniers erhält die Chance, bei einem Globalturnier gegen die Sieger der anderen Kontinentalausscheide um einen von drei freien WM-Plätzen zu kämpfen. England, Australien, Neuseeland, Indien und Pakistan sind für das WM-Achterfeld in Südafrika gesetzt.

Die WM-Teilnahme ist ihr großes Ziel, das nächste indes wäre in Blickweite. Die Hoffnung lebt, dass Cricket 2028 in Los Angeles ins olympische Programm rückt. „Das zu erleben wäre selbstverständlich das Größte“, sagt Sharanya Sadarangani, „aber wir schauen erst einmal nicht weiter als bis zum Montag.“ Erst einmal Thailand sein …