Paris. Lange sieht es nicht so aus, als würde Novak Djokovic dem grandiosen Halbfinalsieg über Paris-Seriensieger Rafael Nadal auch den zweiten French-Open-Titel folgen lassen. Doch dann schafft er die Wende.

Erst schien Tennis-Musketier Novak Djokovic selbst zum Jubeln zu müde zu sein, dann ließ er die Freude über den zweiten French-Open-Triumph doch noch heraus.

Mit einem Schrei und geballten Fäusten feierte der Weltranglisten-Erste seinen 19. Grand-Slam-Titel, nach dem er nun die Rekordsieger Roger Federer und Rafael Nadal in Reichweite hat. Gegen Final-Debütant Stefanos Tsitsipas aus Griechenland drehte der Weltranglisten-Erste einen 0:2-Satzrückstand und siegte noch 6:7 (6:8), 2:6, 6:3, 6:2, 6:4. Nach 4:11 Stunden verwandelte er seinen zweiten Matchball.

Zum zweiten Mal nach 2016 durfte der 34-jährige Serbe danach die Coupe des Mousquetaires entgegennehmen. Tennis-Legende Björn Borg - vor kurzem 65 Jahre alt geworden - überreichte ihm den Pokal. Ergriffen sang Djokovic bei der serbischen Nationalhymne mit. "Das ist ein Traum", sagte der Sieger und fügte mit Blick auf seine Box hinzu: "Die größte Motivation sind meine Frau und meine Kinder." Für Tsitsipas hatte er tröstende Worte übrig, die den 22-Jährige nach seinem ersten Grand-Slam-Finale nicht fröhlicher stimmen konnten.

"Novak hat uns in den letzten Jahren gezeigt, was ein großer Champion ist. Hoffentlich kann ich einmal die Hälfte von dem erreichen", sagte Tsitsipas, der bei der Siegerehrung untröstlich und leer zwischen den Ex-Siegern Borg und Jim Courier stand. "Diese Jungs spielen zu sehen, ist unglaublich", sagte Borg nach dem großen Finale.

Djokovic in illustrer Gesellschaft

Djokovic ist nach den legendären Australiern Roy Emerson und Rod Laver erst der dritte Spieler, der bei allen vier Grand-Slam-Turnieren mindestens zweimal triumphiert hat. Schon beim Rasen-Klassiker in Wimbledon könnte Djokovic in vier Wochen zu seinen langjährigen Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal aufschließen. Beide sind mit insgesamt 20 Erfolgen Rekordsieger bei den vier wichtigsten Turnieren der Welt. Dem Sandplatz-König Nadal hatte Djokovic am Freitagabend in einem grandiosen Halbfinale den 14. Erfolg im Stade Roland Garros verwehrt. Tsitsipas verpasste nach dem Sieg über Alexander Zverev seinen bisher größten Triumph.

Zwei Stunden vor dem Beginn des Herren-Finals hatte die Tschechin Barbora Krejcikova ihre grandiosen beiden Wochen in Paris gekrönt. Dem ersten Grand-Slam-Einzeltitel vom Samstag durch das 6:1, 2:6, 6:4 gegen die Russin Anastasia Pawljutschenkowa ließ die 25-Jährige das Double folgen. Mit ihrer Landsfrau Katerina Siniakova wurde sie zum zweiten Mal Doppel-Champion im Stade Roland Garros. Zuletzt gewann die Französin Mary Pierce vor 21 Jahren dort im Einzel und im Doppel.

Zverev äußerte sich zwei Tage nach seiner Halbfinal-Niederlage gegen Tsitsipas vor dem Rasenturnier in Halle erneut selbstkritisch. Die Niederlage "ist Teil meines Weges", sagte der 24-jährige Hamburger am Sonntag und meinte mit Blick auf seinen Bezwinger und das Endspiel: "Es ist immer die Frage, wie man zu seinem ersten Grand-Slam-Finale rauskommt, das ist ein anderes Match."

Viel Tempo und hochklassige Ballwechsel

Tsitsipas beantwortete die Frage beeindruckend: Er zeigte im achten Vergleich gegen Djokovic keine Nervosität, während der Favorit nach seinem grandiosen Halbfinal-Erfolg über Rekordsieger Nadal trotz des epischen Vier-Stunden-Matches am Freitagabend zunächst nicht müde wirkte. Unter strahlend blauem Himmel gab es auf dem Court Philippe Chatrier kein Abtasten. Die 5000 zugelassenen Zuschauer bekamen sofort viel Tempo und hochklassige Ballwechsel geboten.

Wie im letztjährigen Halbfinale und zuletzt in Rom entpuppte sich der angriffslustige Tsitsipas als unangenehmer Gegner und furchtloser Kontrahent. Der gut elf Jahre jüngere Weltranglisten-Fünfte sah nach zwei Sätzen schon wie der Sieger aus, während Djokovic nicht immer mit Erfolg die schnelle Entscheidung suchte. Doch der Favorit nutzte eine kurze Schwächephase und kämpfte sich unter Aufbietung aller noch vorhandenen Kräfte zurück ins Match. Am Ende wirkte er in Kopf und Körper dann sogar frischer.

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