Hamburg. Der Hamburger Dominic Ressel ist Medaillenkandidat bei Olympia. In Budapest kämpft er heute um eine gute Setzung für Tokio.

Wer im Nischensport um Aufmerksamkeit kämpft, der freut sich für gewöhnlich auf jede Weltmeisterschaft. Eine Medaille dort erhöht die Chancen, wahrgenommen zu werden, erheblich. Für die Judoka allerdings sind die Welttitelkämpfe, die am vergangenen Sonntag in Ungarns Hauptstadt Budapest begannen und noch bis zum Wochenende dauern, in diesem Jahr nicht mehr als eine Durchgangsstation. Schließlich wartet sechs Wochen später, vom 23. Juli bis zum 8. August, etwas, das sie alle nur einmal im Leben erfahren können: Olympische Spiele in Japan, dem Mutterland ihres Sports.

„Es ist schlicht unmöglich, über sechs Wochen seine Topform zu konservieren. Deshalb ist die WM in diesem Jahr nur ein Turnier wie die Grand-Slams, weil alles auf den Höhepunkt Olympia ausgerichtet ist“, sagt Dominic Ressel. Der 27 Jahre alte Kieler, der in der Bundesliga für das Hamburger Judoteam auf die Matte geht, ist in der Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm bereits für die Sommerspiele qualifiziert. In Budapest geht es für ihn deshalb vorrangig darum, mit einem guten Ergebnis seine Platzierung in der Olympiarangliste zu verbessern. Zehnter ist er aktuell, die ersten acht werden für die Wettkämpfe in Tokio gesetzt und gehen damit in den Auftaktrunden den Konkurrenten aus der Weltspitze aus dem Weg.

„Das wäre sehr wichtig, damit ich meinen Traum, um eine Olympiamedaille zu kämpfen, realisieren kann“, sagt Ressel, der aktuell noch seine Ausbildung bei der Bundespolizei absolviert, die er nach den Sommerspielen abschließt. Aber selbst wenn er an diesem Mittwoch, wenn seine Gewichtsklasse auf dem WM-Plan steht, nicht an seine Optimalform herankommt, wird sich Dominic Ressel davon nicht entmutigen lassen; war doch der Weg, den er gegangen ist, um seine Premiere unter den fünf Ringen zu erleben, ein steiniger.

Judo – Vorteil wegen Corona?

Nicht nur, dass er in seinem Gewichtslimit den für Budapest ebenfalls nominierten Ex-Weltmeister Alexander Wieczerzak (30/Frankfurt am Main) hinter sich lassen musste, weil bei Olympia nur ein Starter pro Nation in jeder Klasse zugelassen ist. Vor einem Jahr setzte ihn zudem eine hartnäckige Schulterblessur außer Gefecht, die eine Operation nötig machte. „Die Bizepssehne in der linken Schulter musste versetzt werden, weil sie dauerhaft geschädigt war. Nun ist alles so weit gut, ich brauche zwar regelmäßig Physiotherapie, aber die Schmerzen sind weg“, sagt er.

Dass Corona in 2020 Wettkämpfe weitgehend unmöglich machte, kam dem willensstarken Techniker in puncto Genesung deshalb sogar zugute. Sorge davor, dass die Belastungen einer WM die Schulter im Hinblick auf Olympia zu sehr beanspruchen könnten, hat Dominic Ressel keine. „Ich denke niemals über Verletzungen nach. Wer damit anfängt, macht einen Fehler. Ich tue, was ich kann, um mich zu schützen, doch es gehört auch immer Glück dazu“, sagt er.

Mit dem Corona-Infektionsrisiko hält er es genauso. Als Ende März vor dem Grand-Slam-Turnier in Tiflis (Georgien) im deutschen Team nach einem internationalen Trainingslager ein Großausbruch fast den gesamten Kader lahmlegte, war Ressel der Einzige aus seiner Trainingsgruppe, den es nicht erwischte. „Warum das so war, konnte keiner erklären. Wir haben einen Antikörpertest gemacht, um zu schauen, ob ich eine stille Infektion durchgemacht hatte, aber der war auch negativ“, sagt er. Vielleicht, so seine Mutmaßung, liege es einfach an seiner Prophylaxe: „Jeden Morgen kalt duschen und einen frischen Ingwershot trinken!“

Für eine Medaille bei der WM und Olympia dürfte dieses Geheimrezept nicht ganz ausreichen. Aber alles, was hilft auf dem Weg zur größtmöglichen Aufmerksamkeit, ist willkommen.

  • Theresa Stoll (25/Großhadern) gewann am Dienstag in der Klasse bis 57 kg Bronze.