Kiel. Der Direktaufstieg ist passé, nun kommt auf Kiel nach einem Stressprogramm noch zwei Duelle mit dem 1. FC Köln zu. Sie machen sich Mut.

Die „Boyband“ lag kurz am Boden, dann trommelte Kapitän Hauke Wahl seine Mitspieler von Holstein Kiel zusammen und schwor sie im Kreis auf die finale Aufstiegschance ein. „Als wir in Quarantäne waren, hätten wir sofort unterschrieben, dass wir in die Relegation kommen. Jetzt wollen wir die beiden Spiele nutzen, um trotzdem hochzugehen“, sagte Wahl nach der bitteren 2:3-Niederlage gegen Darmstadt 98.

Statt erstmals direkt in die Fußball-Bundesliga zu gelangen, müssen die Störche nun zwei Ausscheidungsspiele gegen den 1. FC Köln bestreiten, um auf Umwegen in die Beletage zu kommen.

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    Holstein-Coach schnell wieder im Kampfmodus

    „Wir sind alle enttäuscht, denn wir haben in dieser Saison Großes geleistet“, betonte der merklich frustrierte Erfolgscoach Ole Werner im klaren Bewusstsein, am Ende auch mit leeren Händen dastehen zu können. Doch auch dagegen wollen sich die in dieser Saison wie kein anderes Team von der Corona-Pandemie gebeutelten Norddeutschen mit aller Macht wehren.

    Nach dem vergebenen Matchball gegen Darmstadt (2:3) ließen sich Kiels Profis vor dem Stadion dennoch von den Holstein-Fans feiern.
    Nach dem vergebenen Matchball gegen Darmstadt (2:3) ließen sich Kiels Profis vor dem Stadion dennoch von den Holstein-Fans feiern. © Witters

    Auch Werner, mit 33 Jahren der jüngste Chefcoach im deutschen Profifußball, schaltete rasch wieder in den Kampfmodus um, als im Hintergrund die Holstein-Hymne „Keine andere Stadt, keine andere Liebe, kein anderer Verein“ aus den Lautsprechern dröhnte. „Wichtig ist, dass wir den Blick jetzt schnell nach vorne richten. Wir waren immer dann am stärksten, wenn keiner mehr einen Pfifferling auf uns gesetzt hat“, betonte der Trainer.

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      Holstein Kiel: Kopf und Beine waren müde

      Als sein Team im März und April nach mehreren Corona-Fällen für insgesamt 28 Tage in häusliche Quarantäne musste, schien sich das Thema Aufstieg für die Störche erledigt zu haben. Kaum einer rechnete noch ernsthaft mit den Kielern, für die fortan Arbeit im Homeoffice auf Gymnastikmatten und Spinning-Rädern angesagt war statt Mannschaftstraining auf dem Rasen.

      Und dennoch: In den 30 Tagen seit dem 24. April absolvierten sie neben dem Pokalspiel in Dortmund (0:5) ein Stressprogramm von acht Zweitliga-Spielen. Und schlugen sich lange wacker. „Wir sind wie eine Boyband, die von Gig zu Gig zieht“, hatte Stürmer Fabian Reese die positive Stimmung am Beginn der Terminhatz beschrieben.

      Dann aber folgten auf die anfangs fünf Siege und ein Unentschieden die beiden 2:3-Rückschläge gegen Karlsruhe und Darmstadt, die den Direktaufstieg verhinderten. Beine und Kopf schienen zu müde gewesen zu sein.

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        Holstein Kiel ohne zwei Leistungsträger

        Nun bleibt als letzte Hoffnung die Relegation, in der das Gesetz der Serie allerdings deutlich gegen den Außenseiter spricht: Seit ihrer Wiedereinführung der Ausscheidungsspiele im Jahr 2009 setzte sich in zwölf Duellen nur dreimal der Zweitligist durch. Auch die Kieler scheiterten 2018 am Erstligisten VfL Wolfsburg (0:1/1:3).

        Zu allem Überfluss fehlen im ersten Duell bei den favorisierten Kölnern am Mittwoch (18.30 Uhr/Dazn) in Alexander Mühling und Jonas Meffert zwei Leistungsträger wegen Gelbsperren.

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          1. FC Köln rechnet mit Kieler Auferstehung

          Friedhelm Funkel erwartet keinen körperlich und mental ausgelaugten Gegner. „Wir dürfen nicht damit rechnen, dass sie niedergeschlagen sind. Wir bereiten uns auf eine Jetzt-erst-recht-Stimmung bei Kiel vor“, sagte der Kölner Trainer am Montag. „Es kann im Sport immer passieren, dass du ein oder zwei Möglichkeiten nicht nutzt“, meinte der 67-Jährige.

          „Ole Werner hat ja auch gesagt, dass sie enttäuscht waren. Das kann ich zu hundert Prozent nachvollziehen. Aber bis Mittwoch werden sie wieder positive Gedanken aufbauen.“

          So oder so bleibt den wackeren Kielern nichts anderes übrig, als noch weitere zweimal alle Kräfte zu bündeln, um „das unmöglich Scheinende möglich zu machen“, wie es Werner ausdrückte. Ganz im Geist der Aufschrift des Banners, das die Kieler in ihrem Quarantäne-Hotel „Birke“ aufgehängt haben: „Scheißegal, wir packen das!“

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