Frankfurt/Main. 64-Jähriger zieht die Konsequenzen aus den Verbandsquerelen. Die Nachfolge ist offen, Koch und Peters springen vorerst ein.

Fritz Keller ist am Montag wie angekündigt als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zurückgetreten. Der 64-Jährige zog damit die Konsequenz aus dem von ihm verursachten Nazi-Eklat.

„Ich übernehme damit persönlich Verantwortung für meine Entgleisung in der Präsidiumssitzung vom 23. April 2021, die trauriger Tiefpunkt der desolaten Führungssituation des DFB bleiben soll“, sagte Keller einer Mitteilung des Verbands zufolge. Der DFB müsse „sich verändern“.

DFB wird nun von Koch und Peters geführt

Bis zu einem vorgezogenen Bundestag zu Beginn des kommenden Jahres sollen die beiden Vizepräsidenten Rainer Koch (62, Amateure) und Peter Peters (58, Profis) den krisengeplagten Verband interimsmäßig führen. Wer neuer Präsident werden soll, ist offen.

Mehr zum Thema:

Keller stand als 13. Chef des größten Einzelsportverbands der Welt nur 598 Tage an der Spitze. Seine Amtszeit war geprägt von einem anhaltenden Machtkampf in der zerstrittenen Führung. Dazu kamen Ermittlungen der Justiz gegen Verbandsfunktionäre und die Probleme als Folge der Corona-Pandemie.

DFB: Keller stolperte über Nazi-Vergleich

Am Ende war Keller nicht mehr tragbar, weil er seinen Stellvertreter Koch in einer Sitzung mit dem berüchtigten Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hatte. Aus diesem Grund musste sich Keller als erster DFB-Präsident vor dem verbandsinternen Sportgericht verantworten. Ein Urteil wird für die kommenden Tage erwartet.

Keller ist nach Wolfgang Niersbach (70) im November 2015 und Reinhard Grindel (59) im April 2019 der dritte DFB-Präsident, der sein Amt innerhalb kurzer Zeit wegen eigener Verfehlungen räumen muss.

Eine Chronik der Amtszeit von Fritz Keller

27. September 2019

Fritz Keller wird ohne Gegenkandidat zum 13. DFB-Präsidenten gewählt. Der scheidende Klubchef des Bundesligisten SC Freiburg tritt die Nachfolge von Reinhard Grindel an, die Amtszeit soll drei Jahre dauern. Gleich zum Amtseintritt kündigt das Patenkind von Fritz Walter eine „externe Generalinventur“ beim krisengeschüttelten Verband an. „Alles“ solle auf den Prüfstand.

24. Januar 2020

Keller hält kurz vor dem 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz eine emotionale Rede zum Holocaust-Gedenken. Der Fußball habe mit seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung die besondere Pflicht, „dafür zu sorgen, dass diese Verbrechen niemals in Vergessenheit geraten“.

Februar/März 2020

Nach hoffnungsvoller Anfangszeit bläst Keller von Fanseite ein erster Sturm des Widerstands entgegen. „Der Präsident als Symbolfigur - Ein Verband im Keller“, steht beispielsweise auf einem Banner. Auslöser des Unmuts ist der Umgang des Verbandes mit der fortschreitenden Kommerzialisierung und den Fanprotesten gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp.

Anfang März 2020

Mit der Corona-Pandemie entwickelt sich eine weitere Herausforderung für Keller. Länderspiele werden abgesagt, die Saison im Amateurfußball wird abgebrochen. Der DFB-Präsident ist auch hier als Krisenmanager gefragt.

22. September 2020

Keller verzichtet darauf, den DFB künftig im Council des Weltverbandes FIFA zu vertreten. Er sei „mit der Idee angetreten, die Verantwortung auf verschiedene Schultern zu verteilen und im Team zu arbeiten. Einen Verband kann man nicht mehr nach Gutsherrenart führen“, sagte er. Stattdessen geht Peter Peters für den größten Einzel-Sportverband der Welt ins Rennen. 

7. Oktober 2020

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main durchsucht bei einer Razzia die Geschäftsräume des DFB sowie die Privatwohnungen von gegenwärtigen und ehemaligen Verbands-Funktionären. Es besteht der Verdacht der fremdnützigen Hinterziehung von Körperschafts- und Gewerbesteuern in besonders schweren Fällen. Es geht dabei zwar um mögliche Delikte vor der Amtszeit Kellers, der DFB-Präsident ist dennoch um Schadensbegrenzung und Aufklärung bemüht.

16. Oktober 2020

Keller stellt sich selbst ein schwaches Zwischenzeugnis aus. Zwar sei der DFB bei der Aufklärung in der Sommermärchen-Affäre weiter vorangekommen, „wir müssen aber bei den Reformen insgesamt in der Geschwindigkeit zunehmen“, sagt er dem Nachrichtenmagazin Focus: „Ich bin unzufrieden mit dem, was ich von meinen Zielen beim DFB bisher erreicht habe.“

23. Oktober 2020

Der DFB gibt erstmals öffentlich Risse in der Verbandsspitze zu. Zuvor hat die Süddeutsche Zeitung (SZ) von tiefen Gräben und massiven Dissonanzen zwischen Präsident Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius berichtet. Es bilden sich zwei Lager in der Führungsetage.

30. Oktober 2020

Das vom DFB engagierte Beratungsunternehmen Esecon stellt kein Fehlverhalten von Franz Beckenbauer im Zuge der Sommermärchen-Affäre um die WM 2006 fest. Ungeklärt bleibt noch immer der eigentliche Zweck des dubiosen Geldflusses von 6,7 Millionen Euro zwischen 2002 und 2005.

Anfang Dezember 2020

Laut Medienberichten soll Keller mehrfach eine vorzeitige Vertragsauflösung mit Bundestrainer Joachim Löw nach der EM 2021 ausloten. Löw habe demnach empört auf den Vorstoß reagiert und den Präsidenten massiv angegriffen. Auch das DFB-Präsidium weist den Vorschlag zurück und entblößt Keller als ziemlich machtlos. 

17. Dezember 2020

Der DFB kommt nicht zur Ruhe. Der dem Keller-Lager zuzuordnende Vizepräsident Peter Peters prangert „fehlendes Miteinander“, „Misstrauen“ und „unfassbar viele Indiskretionen“ in der Verbandsspitze an. 

11. Januar 2021

Keller will laut SZ beim DFB einen internen Untersuchungsausschuss einsetzen. Damit sollen die Indiskretionen der vergangenen Monate aufgearbeitet werden. 

15. Januar 2021

Der Machtkampf im DFB endet vorläufig unentschieden: Präsident Fritz Keller und sein Generalsekretär Friedrich Curtius entschließen sich auf einer sechsstündigen Krisensitzung zu einem vorläufigen Burgfrieden. Man werde „letztmalig einen gemeinsamen Versuch unternehmen“, teilen beide mit.

21. Februar 2021

Keller schließt trotz aller Querelen einen Rücktritt aus. „Nein, niemals“ habe er daran gedacht, sagt er in der Welt am Sonntag: „Ich bin kein Mensch, der aufgibt. Ich kann nur für mich sprechen: Ich trete nicht zurück.“ Vielmehr werde er sich 2022 wahrscheinlich zur Wiederwahl stellen.

Ende März 2021

Im Machtkampf der DFB-Spitze kommen immer neue pikante Details ans Licht. Es geht um Kündigungen, hochdotierte Beraterverträge sowie weitere Indiskretionen und Intrigen. Die Zeichen verdichten sich, dass ein konstruktives Miteinander der beiden Lager kaum noch möglich ist. Der ehemalige Bayern-Patron Uli Hoeneß schlägt sich auf die Seite von Keller und fordert die Rücktritte von Curtius, Vize-Präsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge.

18. April 2021

Zahlreiche Landes- und Regionalverbände haben genug vom Streit an der DFB-Spitze und erarbeiten einen Protestbrief. Darin kritisieren sie den „desolaten“ Zustand des Dachverbandes.

23. April 2021

Keller leistet sich auf der Präsidiumssitzung einen schwerwiegenden verbalen Aussetzer. Laut übereinstimmenden Medienberichten soll er Koch mit Nazi-Richter Roland Freisler verglichen haben. Damit gilt Keller als kaum noch tragbar, der Druck auf den 64-Jährigen ist größer denn je.

1/17

Rainer Koch als DFB-Schlüsselfigur

Koch steigt deshalb zum dritten Mal zu einem von zwei Interimschefs auf. Der Präsident des Bayerischen und Süddeutschen Fußball-Verbands gilt mit als Schlüsselfigur in dem Machtkampf, der seit Monaten innerhalb der DFB-Führung tobt.

Koch hat angekündigt, beim nächsten Bundestag, voraussichtlich Anfang 2022 stattfinden soll, nicht zur Wiederwahl antreten zu wollen. Ob er ein anderes Amt anstrebt, ist offen.

DFB: Geht nach Keller auch Curtuis?

Neben Keller haben auch dessen weitere Widersacher, Generalsekretär Friedrich Curtius (44) und Schatzmeister Stephan Osnabrügge (50), Rückzüge angekündigt.

Mit Curtius verhandelt der DFB über einen Auflösungsvertrag, Osnabrügge will wie Koch nicht zur Wiederwahl antreten und somit nur noch bis zum Bundestag im Amt bleiben.

DFB-Präsident: Lahm oder Steinhaus?

Wer auf Keller folgt, ist völlig offen. Genannt wurden bereits unter anderem die Namen von Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (65) und Rio-Weltmeister Philipp Lahm (37). Zuletzt wurde auch die frühere Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus (42) ins Spiel gebracht, unter anderem von Bundesliga-Schiedsrichter Manuel Gräfe im ZDF-"Sportstudio".

Keller war 2019 von einer Findungskommission des DFB und der Deutschen Fußball Liga vorgeschlagen worden. Der 64-Jährige war bei seiner Wahl im September vor zwei Jahren als großer Erneuerer gefeiert worden.