Altmeister Jens Voigt startet am Samstag in seine 15. Tour de France und steigt damit zum alleinigen deutschen Rekordteilnehmer auf.

KÖLN/LÜTTICH. Es gibt nicht viel, was Jens Voigt aus dem Tritt bringt. Mehr als 15 Jahre Profi-Radsport und sechs Kinder haben abgehärtet. Doch da ist dieses eine Rennen im Sommer, das selbst den 40 Jahre alten Routinier noch unruhig werden lässt und in ihm eine unwirkliche Stimmung aus Nervosität und Vorfreude auslöst. Die Magie der Tour de France, des größten Radrennens der Welt, hat Voigt auch vor seiner 15. Teilnahme nicht losgelassen.

Der gebürtige Grevesmühler gerät vor dem Auftakt am Samstag ins Schwärmen. „Es kribbelt immer noch wie beim ersten Mal. Die Tour ist mehr als nur ein Rennen, sie ist vor allem ein Abenteuer. Sie ist ein Rennen, bei dem man nicht nur seinen Job macht, sondern mit Passion dabei ist“, sagte Voigt im Gespräch mit den Sport-Informations-Dienst (SID).

Zum vermutlich letzten Mal wird er die „Grand Boucle“ absolvieren, die mit einem Prolog in Lüttich startet. Voigt steigt damit zum deutschen Rekordteilnehmer auf. Für den bodenständigen und bescheidenen Altmeister allerdings kein Grund zum Feiern: „Das ist mir sowas von egal. Ich würde gerne deutscher Rekordhalter in Gesamt- oder Etappensiegen sein. Aber Teilnahmen? Da gibt es ja nicht einen Cent oder einen Handschlag mehr dafür.“

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Zwei Tour-Etappensiege (2001, 2006) holte Voigt in seiner Laufbahn, zwei Tage trug er das Gelbe Trikot des Gesamtführenden (2001, 2005). Dass es nicht mehr wurden, liegt außer am Pech auch an seinem Fahrstil. Der Wahl-Berliner ist eine Kämpfernatur, ausgestattet mit einer kaum vergleichbaren Leidensfähigkeit, Willenskraft und Zähigkeit. Es sind Attribute, die ihn zum Edelhelfer all seiner Kapitäne gemacht und ihm große Anerkennung im Feld eingebracht haben.

Am „verteilenden Ende des Schmerzes“ stehen nennt Voigt die Rennphasen, in denen er sich in die steilsten Hänge hineinstürzt, um die Konkurrenten seines Kapitäns zu schwächen. „Ich hoffe, dass ich auch dieses Mal ein oder zwei Tage Zeit bekomme, wo ich den anderen einfach auch mal weh tun kann. Das macht dann doch irgendwo Spaß“, sagte Voigt, der sich darauf einstellt, „das ein oder andere Stückchen Haut auf der Straße liegen zu lassen.“

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Lob für seine Einstellung und Leistungen erhält der populäre Voigt aus allen Richtungen. Auch Jan Ullrich, der nie mit Voigt in einem Profi-Team fuhr, hält große Stücke auf ihn. „Ich kann mich den Lobreden nur anschließen und sagen “Chapeau„! Voigt ist ein Kämpfer vor dem Herrn, setzt sich ja jedes Mal auch durch, wenn es um die Tour-Nominierung geht, egal, wie groß die Konkurrenz in der Mannschaft ist. Er ist eine Bank, auf ihn kann man sich immer verlassen. Ich kann nur sagen: “Halleluja!„, das ist wirklich eine große Leistung“, sagte der Tour-Sieger von 1997 bei eurosport.yahoo.de.

Für wen sich der „alte Hund“, wie sich Voigt einmal bezeichnete, bei der Tour 2012 quälen darf, ist noch offen. Eigentlich hatte Andy Schleck beim Team RadioShack-Nissan die Kapitänsrolle übernehmen sollen, der Luxemburger fällt jedoch verletzungsbedingt aus. „Wir haben Frank (Schleck, d. Red.), der die Tour de Suisse gut gefahren und Gesamtzweiter geworden ist. Das ist schon mal sehr vielversprechend“, sagte Voigt. Auch Andreas Klöden sei „jetzt gerade zur Tour richtig in Schuss“.

Ein Erfolg bei der Tour würde die Diskussionen um die wenig erfolgreiche Saison des im Vorfeld hoch gehandelten Teams verstummen lassen. Voigt, der einst Sprecher des Verbandes der Radprofis war und dessen Wort Gewicht im Team und im Peloton hat, gab sich selbstkritisch. „Vielleicht haben wir schon im Vorfeld den Fehler gemacht und gesagt, 'wir sind die Besten, die Größten und die Schönsten'. Vielleicht haben sich alle zu sehr auf die Siege der anderen verlassen.“ Und wenn der ganz große Coup ausbleiben sollte, wird das Voigt sicher nicht aus dem Tritt bringen.