Auckland. Neuseeland ist beim Segelklassiker und olympisch eine Macht. NRV-Ass Erik Heil beobachtet das Geschehen aus guten Gründen.

Neuseelands beste Segler sind bekannt für ihre emotionsarmen Reaktionen nach Siegen. Das ist so etwas wie ihr Markenzeichen. Zumindest, solange eine Regatta noch läuft.

Doch am Montag war es in Auckland ganz anders. „Wunderschön!“, entfuhr es Steuermann Peter Burling (30) beim Zieldurchgang, nach einer emotionalen Achterbahnfahrt im achten Rennen des 36. America’s Cup. Da schien der Sieg schon futsch, bevor sich das Blatt auf kuriose Weise wendete. Angesichts der inzwischen auf 6:3 ausgebauten Führung könnte schon am Mittwoch (4.15 Uhr MEZ/Servus TV) der Sieg perfekt sein.

Dem Kiwi-Glück vorausgegangen war ein „bizarres Rennen“, wie es der TV-Kommentator und frühere Cup-Steuermann Ken Read formulierte. Zunächst war die neuseeländische Yacht in flauen Winden von ihren Foils (Tragflächen) gesackt und mit dem Rumpf ins Wasser geklatscht. Minutenlang trieb „Te Rehutai“ hilflos im Wasser.

Neuseeland gelingt spekakuläre Aufholjagd

Als der Take-off zurück auf die Foils und in den „Flugmodus“ gelang, waren die Herausforderer aus Italien zwei Kilometer enteilt – eine Welt im America’s Cup, der von Hightech-Geschossen geprägt wird, die eher Flugobjekten mit Krakenarmen als herkömmlichen Yachten gleichen.

Das Comeback gelang dem Burling-Team, weil Italien wenig später der gleiche Fehler unterlief. Nur trieb „Luna Rossa“ noch länger wie eine lahme Ente im Wasser, bevor sie wieder Fahrt aufnahm. Das „Team der fünf Millionen“, wie die neuseeländischen Segler zu Hause liebevoll und in Anspielung auf die Einwohnerzahl des Inselstaates genannt werden, hatte in diesem Rennen schon 4:27 Minuten zurückgelegen – und gewann es noch mit 3:55 Minuten Vorsprung.

Herausragende Segelkunst, Nervenstärke und Beharrlichkeit von Burling und „Flugregler“ Blair Tuke trugen erheblich dazu bei. „Peter Burling ist der beste Segler der Welt“, attestierte jüngst sogar Cup-Rivale Jimmy Spithill.

Erik Heil schaut beim America’s Cup genau hin

„Peter und Blair sind einfach gute Typen, vertreten ihr Land emotional und patriotisch toll“, sagt 49er-Steuermann Erik Heil vom Norddeutschen Regatta Verein. Der 31 Jahre alte Vizeweltmeister, der mit Thomas Plößel 2016 eine olympische Bronzemedaille gewann und dabei auch den Gold-Seglern Burling und Tuke unterlag, kennt beide gut. Die Deutschen und die Kiwis werden im Sommer im Olympiarevier vor Enoshima wieder miteinander um die Medaillen ringen.

Auch deshalb verfolgt Medizinstudent Heil die Cup-Rennen täglich im Fernsehen. „Ich habe viel gelernt und einiges umgesetzt. Man sieht beispielsweise: Klare Kommunikation an Bord gewinnt. Wir haben entsprechend an unserem ‚Call Book‘ gearbeitet“, erzählt Heil, der gerade mit Plößel im Trainingslager auf Lanzarote viele Wasserstunden im 49er absolviert. Dort ist die olympische Skiffelite versammelt. Nur die Dominatoren Burling und Tuke fehlen, weil sie daheim eine größere Aufgabe haben.

Ob die lange 49er-Abstinenz der Neuseeländer ihre gefährlichen Jäger Heil und Plößel auf der olympischen Zielgeraden näher an sie heranrücken lässt? Heil wägt ab: „Seglerisch fehlt ihnen im 49er einige Zeit, aber das kriegen sie wieder hin. Technisch hatten sie nicht so viel Zeit wie wir, andererseits aber einen Vorsprung.“

Vor Corona hatten sich Heil und Plößel mit WM-Silber 2019 und WM-Bronze 2020 nah an Neuseelands Überflieger herangearbeitet. 2019 hätten sie die Kiwis fast vom WM-Thron gekippt. Die NRV-Crew macht Druck. Heil sagt augenzwinkernd: „Wir wollen eine schönere Medaille als letztes Mal, könnten uns auch mit der besten anfreunden.“ Der Weg dahin führt nur über „Pistol Pete“ und „B.T.“. Ihre Spitznamen stehen bei der Cup-Verteidigung auf ihren Helmen. Ihren rasanten kleinen 49er lieben die seit 2008 in einem Boot agierenden Burling und Tuke aber auch. Burling sagt: „Es ist erfüllend. Olympisches Segeln macht dich zu einem besseren America’s-Cup-Segler.“