Frankfurt/Main. Der DOSB will nicht Schuld am Scheitern der geplanten deutschen Olympia-Bewerbung für 2032 sein. Zugleich bezichtigt der Verbandschef das IOC, Unwahrheiten verbreitet zu haben.

Die Spitze des Deutschen Olympischen Sportbunds hat sich mit einem beispiellosen Rundumschlag gegen die Rolle des Sündenbocks für die gescheiterten Träume von Olympia an Rhein und Ruhr 2032 gewehrt.

"Dass der DOSB elegant in die Ecke des Buhmanns gestellt wird, sehen wir als nicht akzeptabel an", sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann in einer Videoschalte.

In einer 90-minütigen Präsentation von Daten, Dokumenten und internen Protokollen versuchte der DOSB, diskreditierende Darstellungen und Schuldzuweisungen vom Internationalen Olympischen Komitee und der Initiative Rhein-Ruhr zu entkräften. Vorausgegangen war das sehr frühe IOC-Votum für das australische Brisbane als bevorzugter Bewerber für 2032. Die IOC-Erklärung, der DOSB hätte bestätigt, das deutsche Sommerspiele-Projekt nicht zu unterstützen und keinen weiteren Dialog zu wollen, bestritt Hörmann: "Das sind Falschaussagen." Es habe "keine formale Entscheidung des DOSB für oder gegen einen Eintritt" in Verhandlungen mit dem IOC gegeben.

Das IOC wies diese Kritik zurück und bekräftigte, dass der DOSB trotz mehrerer Informationsgespräche nicht in einen Dialog mit dem IOC über künftige Spiele eintreten wollte. "Wie das Verfahren in den DOSB-Gremien zu dieser (Nicht)-Entscheidung gewesen ist, entzieht sich unserer Kenntnis", teilte ein IOC-Sprecher mit.

Der DOSB sei am 1. November 2019 über das veränderte Bewerbungsverfahren informiert worden. Im Februar des Vorjahres habe es ein weiteres Gespräch mit dem DOSB gegeben. Auch danach habe er die Chance zum Dialog mit der neuen IOC-Kommission für künftige Spiele einzutreten, nicht genutzt. Schließlich habe der DOSB im Januar dann dem IOC mitgeteilt, erst nach dem positiven Ausgang einer Bürgerbefragung und der Zustimmung der Mitgliederversammlung im Dezember Verhandlungen über Olympische Spiele aufnehmen zu wollen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte am Freitag unter dem Eindruck der Brisbane-Kür behauptet, der DOSB hätte kein Gespür, "was sich im IOC" tue. In einem Telefonat am Montagmorgen mit dem Landeschef sei Hörmann klar geworden, dass Laschet "nennenswerte Informationen von Rhein-Ruhr nicht vorliegen hatte".

Dabei seien alle Schritte der Vorbereitung der NRW-Bewerbung bis hin zur Bürgerbefragung mit Initiator Michael Mronz abgestimmt gewesen - und in Protokollen festgehalten worden. Tatsache sei zudem, dass Mronz wie auch Hörmann von dem schnellen IOC-Beschluss zugunsten Brisbanes überrascht wurden. "Wir haben erst Stunden vorher in einem Bericht davon erfahren", sagte Hörmann. Deshalb hätte auch ein früherer Eintritt in Gespräche mit dem IOC über eine Bewerbung "nach unseren Erkenntnissen definitiv zu keiner anderen Vorgehensweise oder Entscheidung aufseiten des IOC geführt", hieß es.

Auch der Rhein-Ruhr-Macher musste dem nach der peniblen Darstellung des DOSB beipflichten. Es habe "keinerlei belastbare Faktenlage oder gar Datums-Perspektiven" für einen IOC-Entscheid im Februar gegeben, die eine Änderung "unseres Arbeitsprogramms oder eine Mitteilung an unsere Partner" notwendig gemacht hätten, bestätigte Mronz.

Das Scheitern der Bewerbung um die Spiele 2032 wird am 3. März Thema im Düsseldorfer Landtag. Nach getrennten Anträgen von SPD und AfD wird es eine Aktuelle Stunde im Parlament geben. Am selben Tag berät der Sportausschuss des Bundestags über eine künftige "Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen" - und damit auch über einen möglichen weiteren Olympia-Anlauf.

Zumindest das Rennen um die Spiele in elf Jahren ist Hörmann zufolge gelaufen - und wie es gelaufen sei, habe auch die Mitbewerber in Budapest, Katar oder Indien schockiert. "Unser Verständnis ist, dass die Spiele nach Australien vergeben sind", sagte Hörmann. Beschweren will sich der DOSB beim IOC aber wegen des Vergabeverfahrens, bei der die "Berechenbarkeit und Transparenz für Außenstehende" verloren gehe, nicht. "Weitere Schritte sind nicht notwendig. Wir wollten nur klarstellen, wo des Fehler gab", sagte Hörmann.

Trotz des Zerwürfnis mit der Initiative Rhein-Ruhr will Hörmann eine weitere Zusammenarbeit nicht ausschließen. "Das Gespräch mit Armin Laschet hat Mut gemacht", sagte der DOSB-Chef. Man sei sich schnell einig geworden, "dass wir in aller Ruhe ohne jeglichen Zeitdruck die Karten neu legen". Auch mit der privaten Initiative um Mronz könne es trotz des Ärgers "gut und erfolgreich weitergehen".

Allerdings sind die Spiele 2032 nicht mehr das Ziel. Der DOSB will nun mit seinen Mitgliedsorganisationen und der Politik mit Abstand reflektieren, "ob, wann, wo und mit welchem Konzept zu gegebener Zeit ein neuer Anlauf genommen" werde. Eine Bewerbung um Winter- statt Sommerspiele ist nicht mehr ausgeschlossen, auch wenn die jüngsten Anläufe von München zweimal (2018 und 2022) gescheitert sind.

Wenig Gefallen findet Hörmann hingegen an einer deutschen Bewerbung um die Sommerspiele 2036, 100 Jahre nach Nazi-Olympia in Berlin. "Mir fehlt die Vorstellungskraft und Fantasie, wie man Spiele 2036 umsetzen kann", sagte er. "Es gibt aber auch viele Menschen im DOSB, die das anders bewerten."

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