Melbourne. Hamburger Tennis-Star hört in Melbourne auf Boris Becker sowie Bruder Mischa und bleibt gegen Aufschlagriese Maxime Cressy geduldig.
Mit großer Cleverness und viel Geduld zum Erfolg im Duell der Aufschlagriesen: Der deutsche Tennis-Topstar Alexander Zverev hat zum fünften Mal in Serie die dritte Runde der Australian Open erreicht. Der Halbfinalist des Vorjahres zeigte gegen den starken Qualifikanten Maxime Cressy aus den USA beim 7:5, 6:4, 6:3 am Mittwoch eine reife Leistung und darf weiter in Melbourne von seinem ersten Grand-Slam-Titel träumen.
„Meine Motivation ist in diesem Jahr natürlich groß. Ich war beim US-Open-Finale nur zwei Punkte von einem Grand-Slam-Sieg entfernt“, sagte Zverev nach dem Match gegen den in seinen Augen „gefährlichen“ Cressy: „Ich bin hier definitiv nicht der Favorit, aber ich werde mein Bestes geben.“
Im ersten Duell überhaupt mit der Nummer 172 der Weltrangliste nutzte Zverev nach 2:04 Stunden seinen zweiten Matchball. Nächster Gegner des 23 Jahre alten Hamburgers ist der an Position 32 gesetzte Franzose Adrian Mannarino. Im direkten Vergleich mit dem Linkshänder führt Zverev 5:0. Die bislang letzte Partie entschied Zverev im vergangenen Jahr beim Masters in Paris für sich.
Koepfer hadert nach Aus mit sich selbst
Zverev ist im Herrenfeld der letzte deutsche Profi, nachdem Dominik Koepfer zuvor sein Zweitrundenduell gegen US-Open-Champion Dominic Thiem klar mit 4:6, 0:6, 2:6 verloren hatte. Mona Barthel kämpft in der Nacht zum Donnerstag gegen Karolina Muchova (Tschechien/Nr. 25) als letzte deutsche Frau um ein Ticket für die dritte Runde.
Koepfer ärgerte sich enorm über seinen Auftritt. „Ich verschwende meine Energie damit, mich zu kritisieren und zu zerstören auf dem Platz“, sagte der Schwarzwälder, der nur zu Beginn mithalten konnte: „Das hilft nicht, und dann wird es schwer, gegen so einen Spieler zurückzukommen.“
Boris Becker nimmt Alexander Zverev in die Pflicht
Koepfer war als Außenseiter in das Match gegangen, Zverev dagegen nahm die Rolle des klaren Favoriten ein. „Er ist der erfahrenere Spieler und muss mit breiter Brust auf den Platz gehen“, sagte Boris Becker bei Eurosport. Das tat die deutsche Nummer eins und spielte konzentriert, aber auch College-Boy Cressy bot zunächst nichts an. Der Underdog, der in der Quali mit Yannick Maden und Dustin Brown zwei Deutsche ausgeschaltet hatte, spielte couragiert Serve-and-Volley.
Die wie Zverev 1,98 Meter große Amerikaner ging auch bei den zweiten Aufschlägen volles Risiko mit teilweise mehr als 200 km/h – Zverev wartete geduldig auf seine erste Breakchance, die ihm direkt den entscheidenden Vorsprung zum Satzgewinn einbrachte.
Zverev und Cressy spielen anfangs humorlos
Für Zverev entwickelte sich das zweite Match der Night Session in der Rod-Laver-Arena zur erwartet verzwickten Angelegenheit. Beide Kontrahenten schlugen zunächst derart humor- und kompromisslos auf, dass die anwesenden Zuschauer nur mäßig unterhalten wurden.
Beim Stand von 5:5 im ersten Satz bot sich Zverev die erste Breakchance des Matches. Nach 44 Minuten unterlief Cressy ironischerweise ein Doppelfehler zum 6:5. Drei Minuten später entschied Zverev Durchgang eins für sich.
Zverev lässt seinen Schläger diesmal heil
Spektakulärere Ballwechsel präsentierten die Protagonisten dann im zweiten Satz beim Stand von 4:4. Von den ersten vier Breakbällen für Zverev wehrte Cressy drei mit einem Ass ab, einen davon beim zweiten Aufschlag. Zverev holte aus, bewegte sein Spielgerät entschlossen Richtung Bodenbelag, besann sich dann aber doch und verzichtete im letzten Moment auf eine Transformation seines Tennisschlägers.
Bei seinem Erstrunden-Sieg gegen Marcos Giron hatte Zverev noch beim Verlust eines Aufschlagsspiels seinen Schläger zertrümmert.
Zverev erhört auch seinen Bruder Mischa
Diesmal aber landete beim fünften Breakball ein Volley von Cressy im Aus, Zverev ging 5:4 in Führung und entschied wenig später auch Satz zwei für sich. „Die Sätze waren sehr eng, aber das passiert bei den Serve-and-Volley-Spielern“, analysierte der am Eurosport-Mikrofon aus Melbourne zugeschaltete Mischa Zverev, der mittlerweile auch Manager seines jüngeren Bruders ist.
„Es ist extrem wichtig, dass er ruhig bleibt und auf seine Chancen wartet. Jetzt hoffe ich nur, dass er nicht nachlassen wird“, sagte Mischa Zverev – und sein zehn Jahre jüngerer Bruder schien ihn zu erhören.
Zverev trägt eine Kakerlake vom Platz
Der Weltranglistensiebte nimmt in Melbourne den nächsten Anlauf auf seinen ersten Grand-Slam-Titel. Im vergangenen Jahr verlor er das Finale der US Open nur denkbar knapp gegen Thiem und lechzt nach seiner nächsten Chance – ohne aber zu überziehen. Er spielte aggressiv, aber stets auch mit Köpfchen.
Selbst als ein größeres Insekt, offenbar eine Kakerlake, vor seine Füße lief, brachte ihn das nicht aus dem Konzept. Zverev brachte das Tier an den Rand des Spielfeldes.
Mit Cressy hatte er mehr Mühe, denn der dachte nicht daran, nachzulassen. Doch Zverev agierte in der Rod Laver Arena mit der Konsequenz eines Weltklassespielers und sparte am Ende auch noch Kraft für die anstehenden Aufgaben.
Alexander Zverev – Impressionen einer Tenniskarriere:
Alexander Zverev – Impressionen einer Tenniskarriere
Djokovic müht sich eine Runde weiter
Dem Weltranglistenersten Novak Djokovic war dies nicht vergönnt. Der 33 Jahre alte Titelverteidiger aus Serbien musste bei seinem Viersatz-Sieg gegen den US-Amerikaner Frances Tiafoe alles abrufen, bevor er jubeln konnte. Der dreimalige Grand-Slam-Sieger Stan Wawrinka musste nach einem Fünfsatz-Krimi gegen den Ungarn Marton Fucsovics sogar seine Sachen packen.
Bei den Damen marschierten die Mitfavoritinnen Naomi Osaka (Japan), Serena Williams (USA) und Simona Halep (Rumänien) in die nächste Runde.
sid/dpa