Hamburg. Dietloff von Arnim ist seit Sonntag Präsident des Deutschen Tennis-Bundes. Im Abendblatt-Gespräch erläutert er seine Pläne.

Dietloff von Arnim beginnt das Interview mit einer Frage. Was der Deutsche Tennis-Bund (DTB) besser machen könne, will der 61-Jährige, der am vergangenen Sonntag zum neuen Präsidenten des größten Tennisverbands der Welt (rund 1,4 Millionen Mitglieder) gewählt wurde, wissen. Die Kommunikation zu optimieren, das war eins der vier Kernthemen, mit denen der frühere Turnierdirektor des Düsseldorfer World Team Cups zur Wahl angetreten war. Dass von Arnim, der hauptberuflich eine Werbe- und Eventagentur führt, ein kommunikativer Mensch ist, wird im 40-minütigen Videotelefonat schnell deutlich.

Hamburger Abendblatt: Herr von Arnim, der DTB ist finanziell ordentlich aufgestellt, sportlich läuft es ebenfalls recht gut, in den vergangenen Jahren herrschte Ruhe im Verband, alles schien friedlich. Warum brauchte es einen Wechsel an der Spitze?

Dietloff von Arnim: Ich habe das ähnlich wie Sie wahrgenommen. Das Präsidium unter meinem Vorgänger Ulrich Klaus hat vieles sehr gut gemacht, und es folgt jetzt auch kein Aber. Man kann allerdings immer Dinge besser machen. Während der vergangenen Monate gab es innerhalb des Verbands und seiner Gremien viele Gespräche über Projekte, die ins Stocken geraten waren. Daraus entwickelte sich dann die Frage, ob wir in einem neuen Team unter meiner Führung zur Wahl antreten sollten. Das ist dann geschehen.

Ihr Vorgänger hat seine Kandidatur zurückgezogen, weil er sich an der für die Kandidatur von zweien Ihrer Teammitglieder nötigen Satzungsänderung stieß, dass Landesverbands-Präsidenten nun auch Vizepräsidenten im DTB sein dürfen. Sehen Sie es nicht als problematisch an, dass nun LV-Chefs im DTB-Präsidium über Dinge entscheiden, die ihre eigenen Belange betreffen?

Ich verstehe die Kritik an dieser Änderung und stelle mich der Herausforderung, dass wir beweisen müssen, dass es nicht zu Interessenkonflikten kommt, die schädlich sind. Wir werden über alle Sachfragen demokratisch und transparent entscheiden. Wenn wir das nicht schaffen, wird diese Satzungsänderung sicher wieder zur Abstimmung gestellt. Ich für meinen Teil werde für das Amt des Präsidenten des Verbandes Niederrhein im April nicht mehr kandidieren, denn mein Credo ist, dass man zwei Jobs selten besser macht als einen allein.

Sie sprachen von Dingen, die man besser machen kann. Welche sind das?

Vor allem liegen mir die Bereiche Marketing und Vermarktung am Herzen, und damit einhergehend eine Strukturreform. Beim DTB müssen wir uns bei der Sponsorensuche besser aufstellen. Das ist eine Chance, die wir nutzen wollen. In der heutigen Zeit kann das aber nicht zum Großteil durch das Ehrenamt geleistet werden. Deshalb müssen wir uns zukunftsorientiert aufstellen und das Hauptamt im DTB stärken, wenn wir unser Potenzial ausschöpfen wollen.

Sie selbst waren lange Turnierdirektor des World Team Cups im Rochusclub und besaßen zwei Jahre die Lizenz für das ATP-Turnier in Düsseldorf, zudem führen Sie den Verband Niederrhein, kennen also auch die Verbandsarbeit aus eigener Erfahrung. Sind Sie eher Gestalter oder Verwalter?

Beides, würde ich sagen, vor allem aber habe ich gelernt, im Team zu arbeiten. Und darauf kommt es mir an. Wir müssen im Tennis viel mehr mit- statt übereinander sprechen. Deshalb will ich versuchen, so viele Gespräche wie möglich zu führen, um zu erfahren, wo wir Veränderungen anstoßen müssen, um besser zu werden.

Im Leistungssport ist der DTB aktuell gut aufgestellt, aber bei den Damen droht hinter der Generation Kerber eine große Lücke, und bei den Herren ist im Nachwuchs hinter Alexander Zverev ebenfalls wenig zu sehen. Bereitet Ihnen das Sorge?

Nein, weil wir mit Alexander Zverev ein tolles Zugpferd haben. Er wird in Deutschland oft zu negativ gesehen, ist aber ein sehr sympathischer Typ, der nun ja auch versuchen will, in der Heimat noch präsenter zu sein und nahbarer zu werden. Dabei werden wir ihn unterstützen. An ihm werden wir noch viel Freude haben. Die Basis in Deutschland ist sehr breit, wir sehen an der Entwicklung der Mitgliederzahlen, dass Tennis beliebt ist. Und wir haben im Leistungssport das richtige Personal, um den Nachwuchs zu fördern.

Aber auch im DTB sinken die Mitgliederzahlen. Tennis verschwindet zu oft im Bezahlfernsehen oder Livestreams, es fehlen echte Vorbilder.

Ich sehe das nicht so. Wir haben drei der vier Grand-Slam-Turniere im frei empfangbaren Fernsehen bei Eurosport, dort wird unser Sport super aufbereitet. Das ist besser als in vielen anderen Ländern. Wir werden nur in Ausnahmefällen wieder bei ARD und ZDF landen, dazu sind Tennismatches von der Übertragungsdauer her zu wenig planbar. Wir sehen bereits, dass in einzelnen Landesverbänden die Mitgliederzahlen steigen. Ich bin voller Hoffnung und optimistisch, dass dieser Trend auch auf andere Landesverbände und den DTB überspringen kann.

Es wird viel an Regeländerungen gearbeitet, um Tennis TV-kompatibler zu machen. Sind Sie ein Freund davon?

Es ist richtig, dass man sich überlegt, was man verändern kann, um noch besser wahrgenommen zu werden. Andere Sportarten gehen diesen Weg sehr konsequent. Im Tennis ist die Not aber noch nicht so groß, die Regeländerungen der vergangenen 20 Jahre waren doch sehr moderat. Ich bin der festen Meinung, dass man den Kern des Sports erhalten muss. Ob es allerdings Fünfsatzmatches braucht, nicht auch drei Sätze ausreichen oder man alternative Spielformate einführt, darüber muss diskutiert werden.

Muss der größte Tennisverband der Welt nicht auch Gastgeber eines Mastersturniers sein, wie es Hamburg mit dem Rothenbaum bis 2008 war?

Würde ich mir das wünschen können, würde ich sofort zugreifen. Wenn sich eine Tür öffnet, müssen wir bereit sein hindurchzugehen. Aber man muss leider sagen, dass die Bereitschaft, Tennisturniere mit öffentlichem Geld zu fördern, in Deutschland nicht so hoch ist wie in vielen anderen Ländern. Das gilt im Übrigen für viele andere Sportarten auch. Mit der Entwicklung der Turnierlandschaft in Deutschland bin ich aber zufrieden. Wir haben zwei neue Damenturniere, wir haben in Hamburg ein neues, fantastisches Stadion, das weltweit zu den schönsten Tennisanlagen zählt. Da müssen wir uns beileibe nicht verstecken.

Zumal in der Corona-Krise Deutschland als Standort extrem beliebt war. Man denke an die Show-Turniere in Berlin und die ATP-Turniere in Köln im Sommer und Herbst. Glauben Sie, dass das dem Standort nutzt, wenn die Pandemie überwunden sein wird?

Es wurde nie angezweifelt, dass in Deutschland Turniere mit einem sehr hohen Standard durchgeführt werden können. Das Problem ist eben nur, dass weltweit sehr intensiv um Sportveranstaltungen gepitcht wird, und da gewinnt meist der Standort, an dem das meiste Geld ist. Da wurde und wird in Deutschland noch zu viel verschlafen.

Sie selbst hatten, als die Lizenz für den Rothenbaum vom DTB 2018 neu vergeben wurde, Interesse angemeldet. Müssen die aktuellen Lizenzinhaber Sandra und Peter-Michael Reichel nun zittern?

Überhaupt nicht. Sie haben einen gültigen Vertrag, den ich noch nicht en detail kenne. Ich habe die beiden persönlich noch nicht getroffen, will das bei nächster Gelegenheit gern nachholen und dann auch mit ihnen über die Zukunft sprechen. Fakt ist, dass der Standort Hamburg mich immer schon interessiert hat und ich ihn als sehr attraktiv wahrnehme. Das Turnier ist und bleibt unser Aushängeschild.

2024 wird in Hamburg leider kein olympisches Tennisturnier ausgetragen. Die Region Rhein-Ruhr möchte 2032 oder 2036 ins Rennen um die Ausrichtung der Sommerspiele gehen. Würde Tennis dann in Düsseldorf ausgetragen?

Wenn Olympische Spiele in Deutschland zu realisieren wären, wäre das für uns alle im Leistungssport Tätigen ein Traum, auch für uns im Tennis. Der Rochusclub wäre allein zu klein für Olympia, man müsste etwas Zusätzliches bauen.

Dazu braucht es den Rückhalt der Politik. Vermissen Sie diesen auch in der Corona-Zeit? In manchen Bundesländern ist Tennisspielen in der Halle erlaubt, andere wiederum lassen nicht einmal Einzel an frischer Luft zu.

Das ist eine der Aufgaben, die ich als erste angehen möchte: Wir müssen deutlich machen, dass wir Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sind. Von einem normalen Einzelspielbetrieb im Tennis geht keine Gefahr aus. Es gibt, vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen, einen großen Bedarf an Bewegung. Dem wollen wir Rechnung tragen und müssen nun daran arbeiten, die Politik davon zu überzeugen.