Hamburg. Anekdoten, Petitessen und Döntjes: Wer diese beiden Bücher gelesen hat, kann bei jedem Klugschieter-Quiz mitmachen.

Geschenkt, Fakten wie Meisterschaften, Aufstiege und legendäre Helden-taten hat man auch als Halbweiser in Sachen Fußball parat. Heroen wie Uwe Seeler oder Walter Frosch kennen sogar jüngere Fans, unvergessene Trainer wie Helmut Schulte und Ernst Happel ebenfalls. Klar gewann der HSV 1983 den Europapokal der Landesmeister in Athen. Und selbstverständlich siegte der FC St. Pauli acht Jahre später bei Bayern München – in Liga Eins.

Wer im Freundeskreis jedoch richtige Volltreffer landen will, muss mehr wissen. Stimmt es tatsächlich, dass der brasilianische Ballzauberer Pelé am Millerntor ein Tor erzielte? Wer traf ins Netz, als die Rothosen im vielleicht besten HSV-Spiel aller Zeiten den königlichen Club aus Madrid 5:1 aus dem Volksparkstadion fegten? Und wann drehten die Buttjes vom Rothenbaum ein 0:4 und gewannen letztlich 6:4 – ausgerechnet im Bremer Weserstadion, auf „neutralem“ Platz?

Ein Buch für jeden

Wer lustvoll und gekonnt Besserwisser sein möchte, zieht weitere Asse aus dem Fußballfundus. Nun, wer sorgte eigentlich dafür, dass Totenkopfflaggen auf St. Pauli salonfähig wurden und dem Verein heutzutage international das Renommee wahrhaftiger Freibeuter bescheren? Und wie entwickelte sich Uli Hoeneß vom Klassenfeind zum selbst bei Linksaußen anerkannten Wohltäter? Was hat „Tattoo-Theo“ damit zu tun?

Wenn guter Rat nicht teuer ist, helfen zwei aktuell im Klartext Verlag erschienene Bücher, deren Titel Programm ist: „Hamburger SV für Klugscheißer“ und „FC St. Pauli für Klugscheißer“. Die Autoren Werner Skrentny und René Martens haben mit Begeisterung, Sachverstand, Fleiß und Sinn für Besonderes Anekdoten, Petitessen und Döntjes aus der Schatzkiste der Fußballgeschichte zusammengetragen. Applaus diesen Sportsfreunden, weil die Lektüre auch für jene zum Vergnügen ist, die Hamburgs Profikick für Nebensache halten.

Glorreiche Triumphe und grandiose Eigentore

Pfiffig in Szene gesetzt, präsentieren beide Bände „Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“, so der Untertitel – in filigranem Doppelpass. Wer will amüsiert sich über glorreiche Triumphe und grandiose Eigentore. Und wer am Ende der jeweils gut 100 Seiten angelangt ist, kann in die Verlängerung gehen: mit dem „Klugscheißer-Quiz“ für Experten. Anstoß für Besserwisser.

Gurkentruppe

Eigentor: Da müssen die Kölner Fans
2016 irgendwas verwechselt haben...
Eigentor: Da müssen die Kölner Fans 2016 irgendwas verwechselt haben... © Horstmueller GmbH

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. So verhöhnten Besucher im Kölner Stadion die Gäste aus Hamburg im Herbst 2016 mit einem großen Plakat direkt hinter dem Tor. In Anspielung auf ein in der Hansestadt hergestelltes „Schlemmertöpfchen“ stand dort unter dem Logo der Firma Kühne: „11 Gurken aus’m Glas“. 50.000 Zuschauer sahen ein 3:0 ihres FC. Zwar erinnerte der Auftritt des HSV in der Tat an eine „Gurkentruppe“, dennoch irrten die rheinischen Lästermäuler. Offensichtlich wussten sie nicht, dass HSV-Sponsor Klaus-Michael Kühne rein gar nichts mit der traditionsreichen Carl Kühne KG zu tun hat.

Der Jahrhundertkick

Kenner werten das 5:1 gegen Real
Madrid als einen Kick wie vom
anderen Stern.
Kenner werten das 5:1 gegen Real Madrid als einen Kick wie vom anderen Stern. © imago sportfotodienst | imago sportfotodienst

Es begann mit einem Flop: Beim Abschlusstraining des ruhmreichen Clubs Real Madrid im Volksparkstadion fehlten die Bälle. Peinlich hoch drei. Im Europapokal-Halbfinale am 23. April 1980 war bei den Königlichen dann nur heiße Luft im Spiel. Nach dem 0:2 im Hinspiel in Spanien triumphierte der HSV daheim 5:1. Das Gros der 61.500 Zuschauer war aus dem Häuschen. Der Abendblatt-Reporter schrieb, was die anderen dachten: „Was ich erlebte, war ein Rausch der Begeisterung.“ Besserwisser haben die Torfolge auf Lager: Kaltz – Hrubesch – Kaltz – Hrubesch – Memering. Unvergessen.

„Mama Calypso“

Nicht nur auf dem
Rasen gab HSV-Dribbelkönig Kevin Keegan
den Ton an.
Nicht nur auf dem Rasen gab HSV-Dribbelkönig Kevin Keegan den Ton an. © Archiv Klee | Archiv Klee

Das ist wirklich Futter für Klugscheißer: In einer von zwei Wahlber­linern erstellten Datenbank deutscher Tonträger aus der weiten Welt des Fußballs ist der HSV mit 99 Schallplatten ganz weit oben. Ein Song stammt aus der Kehle des legendären Offensivspielers Kevin Keegan: „Head Over Heels In Love“. Die Seite an Seite mit Chris Norman (Smokie) im Hamburger Rüssl Tonstudio von Otto Waalkes aufgenommene Single wurde 500.000-mal verkauft. Jimmy Hartwigs Darbietung mit „Mama Calypso“ war weniger erfolgreich. Immerhin schaffte es Stefan Hallberg mit seinem Ohrwurm „Wer wird Deutscher Meister?“ in die ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck.

Heimspiel auf „neutralem“ Platz – ausgerechnet in Bremen

Dass die Rothosen im Weserstadion sechsmal trafen, war eine absolute Ausnahme.
Dass die Rothosen im Weserstadion sechsmal trafen, war eine absolute Ausnahme. © Repro: Trede-Archiv

Am 1. Dezember 1957 sahen viele der 16.000 Zuschauer in Hamburg Rot: Nach einem rüden Foul flog Publikumsliebling Uwe Seeler vom Platz. Diese „Majestäts­beleidigung“ ihres seinerzeit 21 Jahre alten Stürmers quittierten die Besucher mit wutentbrannten Protesten. Angeblich drohte man Schiedsrichter Walter Höfel sogar Lynchjustiz an. Nach dem Abpfiff wurde der Rasen gestürmt. Es regierte das Chaos. „Uns Uwe“ Seeler wurde für zwei Punktspiele gesperrt. Als Strafe für die Tumulte musste der HSV das Heimspiel gegen Braunschweig auf neutralem Platz austragen – im Bremer Weserstadion. Nach einem Pausenrückstand von 0:4 drehten die Hamburger das Match und siegten 6:4. Uwe Seeler traf dreimal. Nicht nur die Bremer machten große Augen.

Die Currywurst kam mit der Eisenbahn

Was wie eine Schrottbude aussieht,
war die pfiffige Idee einer Werbeagentur.
Was wie eine Schrottbude aussieht, war die pfiffige Idee einer Werbeagentur. © imago sportfotodienst | imago sportfotodienst

Die wahrscheinlich schrägste Loge der deutschen Fußballgeschichte war auf dem Kiez zu Hause. Strategen einer pfiffigen Werbeagentur nutzen den Stadionumbau vor einem Jahrzehnt für einen öffentlichkeitswirksamen PR-Gag: Sie bauten die ehemalige Sprecherkabine zu einem Gastraum mit 27 Sitz- und 13 Stehplätzen für Ehrengäste um. Der auf uralt getrimmte, über 28 Stufen erreichbare Bretterverschlag mit Balkoncharakter entwickelte sich zum Hingucker der Liga. Zusätzlicher Clou: Vor der Bude an der Grenze der Gegengeraden zur Nordkurve verkehrte eine Spielzeugeisenbahn. Sie transportierte Currywürste. Die Logengäste durften zugreifen. Für die Gastgeber war es ein erstklassiger Service, für Kleingeister Abgrund bourgeoiser VIP-Dekadenz.

Meisterschaft dankend abgelehnt

1922 waren die Hamburger zu vornehm, um Deutscher Meister zu werden.
1922 waren die Hamburger zu vornehm, um Deutscher Meister zu werden. © Hamburger SV Archiv | Hamburger SV Archiv

Dies könnte eine Idee für die Neuzeit sein: 1922 wurde der HSV per Abstimmung zum Deutschen Meister erklärt. 53 Mitglieder des DFB-Bundestages in Jena votierten dafür, 35 dagegen. Das vor fast einem Jahrhundert übliche Endspiel gegen Nürnberg in Berlin musste nach zweimaliger Verlängerung und mehr als drei Stunden Spielzeit wegen Dunkelheit unentschieden abgebrochen werden. Der Wiederholungskick in Leipzig wurde abgepfiffen, als die Nürnberger nur noch sieben Männer auf dem Feld hatten. Es gab Beleidigungen, Fouls, Tätlichkeiten, Platzverweise. Letztlich fiel die Entscheidung „am grünen Tisch“. Die Hamburger indes wahrten ihren Stolz – und lehnten dankend ab.

Pelé am Millerntor

1959 sorgte Brasiliens Ballzauberer Pelé für Volksfeststimmung am Millerntor.
1959 sorgte Brasiliens Ballzauberer Pelé für Volksfeststimmung am Millerntor. © Trede-Archiv, Kaiser/Nordbild | Trede-Archiv, Kaiser/Nordbild

Nichts gegen den legendären Walter „Froschi“ Frosch, doch zumindest einmal wurde ein noch begnadeterer Profi von den Fans des FC St. Pauli mit Beifallsstürmen begrüßt: Pelé, brasilianischer Ballzauberer aus einer damals exotischen Fußballwelt. Anlass des Gastauftritts war ein Freundschaftsspiel am 7. Juni 1959 gegen den FC Santos. Antrittsgage: Seinerzeit fürstliche 27.000 D-Mark. Dass dieser Kick trotz eines sehenswerten Pelé-Treffers beim 6:0 der Südamerikaner dennoch als Eigentor in die Vereinsgeschichte einging, hatte einen anderen Grund: Auf dem Rasen stand kein einziger Spieler des FC St. Pauli, sondern eine Auswahl aus Amateuren von Altona 93, Bergedorf 85 und dem SC Concordia. Neben Pelé spielte Defensivkünstler Zito mit. Beide waren im Jahr zuvor in Schweden mit Brasilien Weltmeister geworden.

Punkrocker Mabuse und der Totenkopf

Als Markenzeichen des FC St. Pauli ist die Piratenflagge von unschätzbarem Wert.
Als Markenzeichen des FC St. Pauli ist die Piratenflagge von unschätzbarem Wert. © imago sport

Fußballgelehrte reden sich die Köpfe heiß: Wer kam eigentlich auf die Idee, beim FC St. Pauli einen Totenkopf ins Spiel zu bringen? Klugscheißer wissen: Ein Fan mit dem entzückenden Spitznamen Mabuse, Sänger in einer Punkrockband, soll das Piratensymbol am Millerntor etabliert haben. Mitte der 1980er-Jahre bezog der Namensvetter eines Schwerverbrechers aus der Filmwelt in der Gegengerade hinter den Trainerbänken Position – mit einer selbst gebastelten Piratenflagge. Aktuell ist dieses international bekannte Marketingzeichen des Clubs mit Geld gar nicht zu bezahlen.

Ein Blinder traf am besten

Rüdiger „Sony“ Wenzel konnte es nicht nur mit der Hacke.
Rüdiger „Sony“ Wenzel konnte es nicht nur mit der Hacke. © imago sport

Zugegeben, das früher sehr populäre „Tor des Monats“ in der ARD-„Sportschau“ wurde nicht oft von Heroen des FC St. Pauli erzielt. Seit der Taufe des bundesweiten Wettbewerbs 1971 dauerte es 18 Jahre, bevor ein Mann vom Millerntor einen solchen sehenswerten Volltreffer landete. Kundige Veteranen erinnern sich höchst gerne an eine filigrane Ballstafette vom 23. März 1989. Stadtderby gegen den HSV, zweite Spielminute. Doppelpass zwischen Klaus „Otter“ Ottens und Egon Flad, Bananenflanke, Hackentor von Rüdiger „Sonny“ Wenzel. Eigentlich ist ein Treffer dieser Art fast unmöglich. In der Ehrenliste der besten Knipser folgte 2018 der St. Paulianer Serdal Celebi. Im Finale der Deutschen Blindenfußball-Meisterschaft hämmerte er den Ball mit der linken Pike in den Winkel. Sensationell.

Auf ewig unschlagbar

In der Aufstiegsrunde 1964 traf auch Frank Beckenbauer (l.) beim 6:1 gegen St. Pauli.
In der Aufstiegsrunde 1964 traf auch Frank Beckenbauer (l.) beim 6:1 gegen St. Pauli. © Horstmueller GmbH

Es kommt allein darauf an, von welcher Seite man den Ball betrachtet. Jedenfalls ist ein Rekord dem Kiezclub nicht zu nehmen. Hintergrund sind früher vom Deutschen Fußball-Bund ausgerichtete Aufstiegsrunden. Zwischen 1964 und 1974 wurden diese veranstaltet, um unter den Meistern und Vizemeistern der damals fünf Regionalligen zwei zugangsberechtigte Vereine für die Bundesliga zu ermitteln, für die höchste Spielklasse also. Sechsmal qualifizierte sich der FC St. Pauli für diesen Wettbewerb, mehr als jeder andere Club. Einziger Haken: Die Versuche waren komplett erfolglos.

Hamburger SV für Klugscheißer

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FC St. Pauli für Klugscheißer

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HSV oder FC St. Pauli für Klugscheißer (jeweils € 14,95 und 104 Seiten) erhalten Sie auf abendblatt.de/shop oder in der Hamburger Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32.