Hamburg. Andreas Brehme verwandelte im WM-Finale 1990 den entscheidenden Elfmeter gegen Argentinien. Nun wird er 60 Jahre alt.

Andreas Brehme erinnert sich, als wäre es gestern gewesen. Natürlich. 8. Juli 1990, WM-Finale gegen Argentinien, 73.603 Zuschauer im Stadio Olimpico, Millionen vor dem Fernseher, die Entscheidung naht. Pass in die Tiefe von Lothar Matthäus, Roberto Sensini grätscht, Rudi Völler fällt, Schiedsrichter Edgardo Codesal Mendez pfeift. Elfmeter. Die Argentinier sind außer sich, Diego Maradona will es nicht wahrhaben, ein anderer schießt den Ball, den sich Brehme schon auf den Punkt gelegt hat, weg. Doch Brehme bleibt in der Hektik cool bis ans Herz.

„Egal wo ich bin, am Flughafen, beim Einkaufen, immer wieder werde ich danach gefragt“, sagt Brehme und ergänzt: „Ich habe nicht daran gedacht, was dieser Elfmeter für eine Bedeutung hat. Ich habe gar nichts gedacht“, sagt der Hamburger Jung, der am Montag 60 wird, über den wohl wichtigsten Moment seiner Karriere.

Fünf Schritte Anlauf für den perfekten Schuss

Fünf Schritte Anlauf, mit rechts flach ins linke Eck, Sergio Goycochea, der Elfmetertöter, streckt sich vergebens, 85. Minute, 1:0 für Deutschland. Die Warterei bis zum Schuss sei schlimm gewesen, sagt Brehme. Sieben, acht Minuten habe es gefühlt gedauert - dabei waren es „nur“ 117 Sekunden. Aber Völler hatte ja auch noch gerufen: „Andy, wenn du den reinmachst, sind wir Weltmeister.“ Brehme genervt: „Schönen Dank auch.“

Doch um 21.50 Uhr ist Deutschlands dritter WM-Sieg nach 1954 und 1974 perfekt, das Land jubelt - im Westen und im Osten. Und Brehme hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern auf ewig sicher.

Corona verhindert große Geburtstagsparty

Eigentlich wollte Brehme am Montag bei einer großen Party am Gardasee in seiner zweiten Heimat Italien mit Franz Beckenbauer, Matthäus, Jürgen Klinsmann, Giuseppe Bergomi, Franco Baresi und vielen anderen in Erinnerungen schwelgen, aber daraus wird nichts - Corona. Die Feier will er im nächsten Sommer nachholen.

Brehme wird dann viel zu erzählen haben, nicht nur über diese magische Nacht in Rom. Denn es wäre ein großes Unrecht, seine Karriere nur auf diesen einen Moment zu reduzieren. Teamgeist war für Brehme keine Floskel, er war da, wenn er gebraucht wurde. Das hat ihm schon sein Vater Bernd damals im Arbeiterviertel Hamburg-Barmbek eingeimpft. Papa Brehme sorgte auch für die legendäre Beidfüßigkeit seines Sohnes. Links? Rechts? Bei Brehme - 86 Länderspiele, Mitglied der Hall of Fame - egal.

Brehmes Karriere startet bei Barmbek-Uhlenhorst

Für Barmbek-Uhlenhorst wird Brehme natürlich bald zu gut. Für den Hamburger SV, Anfang der 80er noch ein großer Klub, reicht es aber nicht. Über Saarbrücken arbeitet sich Brehme nach ganz oben: Erst Kaiserslautern, dann Bayern München und Inter Mailand, zum Schluss noch Real Saragossa und erneut der FCK.

Und wer könnte die Bilder vergessen, wie Brehme 1996 nach dem Abstieg mit dem FCK in den Armen seines Kumpels Völler bitterlich weint. Damals prägte der Weltmeister, der UEFA-Pokalsieger, der zweimalige Deutsche Meister, der italienische Meister, der DFB-Pokalsieger auch den Spruch: „Hast Du Scheiße am Fuß, hast Du Scheiße am Fuß.“

Der Nationalspieler wird Deutscher Meister mit Kaiserslautern

Doch den Roten Teufeln gelingt mit Brehme und Trainer Otto Rehhagel direkt die Bundesliga-Rückkehr, dann die Sensations-Meisterschaft als Aufsteiger. Ausgerechnet in Hamburg, seiner Geburtsstadt, reckt Brehme die Schale in die Luft. Was für eine Genugtuung. „Jeder Titel ist etwas ganz Besonderes“, sagt er.

Brehme fühlt sich trotz der „60“ fit wie eh und je, die Gelenke schmerzen trotz all der Strapazen nicht, er fährt Fahrrad. Nur bei den Haaren musste er zuletzt nachhelfen. „Hinten wurden Haare herausgenommen und oben am Kopf eingesetzt. Das lief ohne Schmerzen“, sagte er der Bild-Zeitung: „Meine Freundin Susanne hat nie geglaubt, dass ich das wirklich mache.“