Frankfurt/Main. Mal dürfen 50 Zuschauer rein, mal 4500, dann wieder gar keine: Wer derzeit wie viele Fans ins Stadion lassen darf, wirkt teilweise willkürlich. Das Bundesinnenministerium mahnt zu einer einheitlichen Linie. Was nach der Testphase passiert, ist offen.

Der sechswöchige Testlauf steht unmittelbar vor dem Ende, die Fragezeichen zur zeitlich begrenzten Rückkehr der Zuschauer im Profisport sind größer denn je:

Werden die Versuche angesichts stark ansteigender Infektionszahlen nun fortgesetzt? Spielen die angepeilten 20 Prozent Auslastung bei niedrigem Infektionsgeschehen angesichts der überall steigenden Inzidenzwerte in den Herbstwochen überhaupt noch eine Rolle? Schon an diesem Wochenende wird in sieben von neun Bundesliga-Stadien wieder vor (fast) leeren Rängen gespielt, einzig in Wolfsburg (6000) und bei Union Berlin (4500) ist noch eine größere Anzahl Fußballfans erlaubt.

Selbst in der Hauptstadt wird das Vorhaben, trotz hoher Corona-Zahlen erneut vor Publikum zu spielen, kritisch beäugt. Die Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat die Entscheidung zur Zulassung von rund 4500 Zuschauern beim Heimspiel des 1. FC Union gegen den SC Freiburg als "falsches Signal" bezeichnet. Man habe sich "eine andere Lösung gewünscht", teilte ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mit.

Bereits am Donnerstag hatte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) die Fußballfans dazu aufgerufen, möglichst auf einen Stadionbesuch zu verzichten. "Ich verstehe die Leidenschaft zum Fußball", sagte Kalayci. "Aber ich bleibe dabei: Meiden Sie soziale Kontakte. Wenn es geht, bleiben Sie Zuhause", sagte sie an die Adresse der Bürger gerichtet. Die derzeitigen Appelle der Politik, ausgesprochen unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), passen jedenfalls nicht zu Großveranstaltungen mit tausenden Besuchern, selbst wenn das Event mit einem Hygienekonzept vorbereitet ist.

Als die Politik im September den Testlauf genehmigte, war die Corona-Lage bundesweit noch wesentlich entspannter. Innenminister Horst Seehofer (CSU) bekundete, für ihn sei Sport "ohne Publikum auf Dauer nicht vorstellbar." An diesem Freitag mahnte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums noch einmal, in der Zuschauerthematik "zu einem einheitlichen Verfahren" zu kommen. Doch während zum Beispiel der FC Bayern München auch in der Testphase dauerhaft vor leeren Rängen spielen musste, darf Hannover 96 an diesem Samstag 9800 Zuschauer zulassen. Eine bundesweite Kompromisslösung scheint hier nicht in Sicht - es sei denn, die Infektionszahlen erzwingen wieder überall Geisterspiele, wie zuletzt im Frühjahr.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) setzt sich für eine Verlängerung des Testbetriebes ein, der nicht nur im Fußball, sondern auch in anderen Sportarten gilt. "Das Plädoyer der Teamsport-Verbände und des DOSB ist, dass wir vorschlagen und dringend empfehlen, dass die Evaluierungsphase bis zum Jahresende verlängert wird", sagte Präsident Alfons Hörmann.

Aus der Bundesliga hatte es zuletzt schon Stimmen gegeben, die eine Modifizierung der bestehenden Regelung forderten. Geschäftsführer Alexander Wehrle vom 1. FC Köln räumte zwar ein, die bestehenden Vorgaben zu akzeptieren, sagte aber auch: "Wir haben ein tragfähiges Konzept des Gesundheitsamtes für 9200, für 15 000, für 23 000 Zuschauer. Unabhängig vom Inzidenzwert, ob der 20, 30 oder 40 ist. Es ist tragfähig. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass man sich ansteckt im Stadion unter freiem Himmel, ist sehr, sehr gering."

Augsburgs Manager Stefan Reuter hatte angeregt, nicht nur die Corona-Zahlen in Augsburg selbst, sondern auch den Rest aus dem Umland, "wo die Zahlen teilweise deutlich niedriger sind", in Betracht zu ziehen. Mit Kompromissen von Seiten der Politik ist hier - gerade angesichts der dynamischen Pandemie-Entwicklung - aktuell nicht zu rechnen, wie ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen belegt.

Demnach sollen bei bundesweiten Teamsportwettbewerben Zuschauer komplett ausgeschlossen werden, wenn die Zahl der Neuinfektionen am Austragungsort bei mehr als 35 Fällen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche liegt. Das stellte das Landesgesundheitsministerium von NRW klar, wie das "Westfalen-Blatt" (Freitag) berichtet.

Bislang ließen die Behörden auch bei einem Inzidenzwert über 35 meist noch 300 Zuschauer zu den Spielen zu. Die Bezirksregierungen sollen nun die Einhaltung der Rechtsauffassung sicherstellen. In diesen Fällen dürfte demnächst nicht mehr über die einst angepeilten 20 Prozent diskutiert werden, sondern nur noch, ob gar keine Zuschauer oder nur sehr wenige.

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