Hamburg. Hamburgerin wagt schwierigen Umstieg in neue olympische Klasse. Womit die Sportlerin zu kämpfen hat.

Aus dem Fenster ihrer Unterkunft am Gardasee blickt Helena Wanser auf ein Meer von Kastenwagen. Sie verteilen sich auf dem ganzen Platz. Segel liegen aus, Wäscheleinen sind gespannt, Tischchen und Stühle platziert. Am italienischen Campione del Garda türmt sich ein Surfercamp. Die 21 Jahre alte Hamburgerin lebt zwar nicht im Bus, ist in der Szene dennoch mittendrin. „Alle sind super nett und offen. Jeder gibt Tipps“, sagt die Surfumsteigerin vor den International Games in der kommenden olympischen Klasse iQ Foil.

Die für das Olympic Team des Norddeutschen Regatta Vereins (NRV) startende Wanser ist mit ihrer Schwester Luise (23) amtierende Juniorenweltmeisterin in der 470er-Trapezjolle. Doch mit Beginn der Corona-Welle im März und den weltweiten Regattaabsagen tauschte die Seglerin – salopp formuliert – Polohemd gegen Flip-Flops. „Ich habe mich entschieden, früh aufs iQ Foil umzusteigen, um trainieren zu können und keine Zeit mehr zu verlieren“, sagt die ehemalige Vorschoterin. In Tokio 2021 ist die Zweipersonenklasse 470er letztmals in Frauen- und Männerteams zugelassen. 2024 sind gemischte Crews vorgeschrieben. Dagegen löst die neue Surfklasse mit dem Tragflügel (Foil) in vier Jahren das alte RS:X-Board ab.

Wanser ist auf dem iQ Foil Anfängerin

„Unser Traum, gemeinsam in einem Boot Olympische Spiele zu erleben, wäre nach 2021 nicht weitergegangen“, sagt Helena Wanser, die seit 2013 mit ihrer Schwester in einem Boot saß. Gemeinsam wechselten sie an den Bundesstützpunkt nach Warnemünde, machten im Internat ihr Abitur und krönten ihren Aufstieg mit dem WM-Titel 2019. Luise Wanser steuert vorerst weiter im 470er, hat mit Anastasiya Winkel (26/NRV) noch Außenseiterchancen aufs Tokio-Ticket. „Die Trennung war nicht leicht“, sagt die jüngere Schwester, die nun allein ihre Frau steht: „Es war eine harte Entscheidung.“ Auch sportlich.

Statt Weltspitze, die das Duo auch außerhalb der Junioren schon nachwies, ist Wanser auf dem iQ Foil Anfängerin, muss sich im Feld aus Profi- und Olympiasurfern hinten einreihen. „Ich muss mich erst an die höhere Geschwindigkeit gewöhnen. Im Vergleich ist ein Segelboot echt langsam“, sagt sie. Auch die Kraft spiele eine Rolle. Bei der EM Ende August belegte Wanser Rang 34. Bei den Wettfahrten am Gardasee, die wegen der Reisebeschränkungen ihren WM-Status verloren, soll es von diesem Dienstag an weiter nach vorne gehen.

Dafür trainierte die angehende Psychologiestudentin im spanischen Tarifa bei Clubkollege Sebastian Kördel (29). Vom EM-Zweiten, der sein Geld als Profi auf der Welttour verdient, kann sie ebenso lernen wie von der früheren Slalom-Weltmeisterin Lena Erdil (31). Gemeinsam wagen sie im NRV den Umstieg, kämpfen um den Kaderstatus vom Verband und Sportförderung, haben dafür nun alle ein Poloshirt im Schrank.