Hamburg. In der „Taskforce“ der DFL setzt sich Katja Kraus für mehr Diversität ein – und trat auch in der Bundespressekonferenz dafür ein.

Es war ein kleiner, aber schöner Zufall, dass zwei Termine in diese fast vergangene Woche fielen, die auf den ersten Blick eigentlich gar nicht so viel miteinander zu tun hatten: zunächst die Auftaktsitzung der „Taskforce Zukunft Profifußball“, die am Dienstag bei der DFL in Frankfurt stattfand – und der Katja Kraus als Expertin angehört.

Und dann, zwei Tage später, der Auftritt der 49-Jährigen in der Bundespressekonferenz, gemeinsam mit vier weiteren prominenten Frauen, die dort ihrer Forderung nach einer Frauenquote in deutschen Vorständen Nachdruck verliehen. „Und doch, das hatte ganz viel miteinander zu tun“, sagt Katja Kraus am Telefon. „An beiden Tagen wurden recht ähnliche Themen verhandelt, vor allem die Frage, wie es der Fußball wieder schafft, sich den Menschen zu nähern – und welche Rolle Frauen dabei spielen.“

Es war in der Tat ein historischer Moment, als Katja Kraus und ihrer Mitstreiterinnen am Donnerstag ihre Statements vortrugen. Da die Konferenz nirgendwo live übertragen wurde, drucken wir hier ihren Beitrag noch einmal ab.

Das Statement von Katja Kraus

„Guten Tag, ich bin Katja Kraus, und ich freue mich sehr, heute hier zu sein, und darauf aufmerksam machen zu können, wie weit der Sport von Gleichheit entfernt ist. Insbesondere im Fußball sind die Zahlen noch verheerender als in der Wirtschaft, der Politik oder der Kultur, wie wir gerade gehört haben. Dafür gibt es keinen Grund, außer dass die gegenwärtig handelnden Personen, allesamt Männer, es so wollen. Bis zum 1. Oktober gab es keine Frau im Vorstand eines Bundesligaclubs. Die gerade ernannte Finanzchefin bei Schalke 04, Christina Rühl-Hamers, ist erst die zweite Frau überhaupt in der 57-jährigen Bundesligageschichte.

Ich selbst war von 2003 bis 2011 im Vorstand des HSV verantwortlich für Marketing und Kommunikation. Als einzige Frau. Die Exotik solcher exponierten Positionen unterstützt die Aufmerksamkeit auf die Einzelne, strukturell verändert sie allerdings nichts. Die Kraft, die es für Veränderung braucht, entfaltet sich dann, wenn wir viele sind.

Die Realität derzeit ist: Mehr als 95 Prozent der Entscheidungsfunktionen in Aufsichtsräten und Vorständen der Ersten und Zweiten Liga werden von Männern besetzt. Nahezu keine Frauen. Null Diversität.

Das ist besonders erschreckend, da der Sport eine so bedeutende gesellschaftliche Impulsgeberrolle hat und die Protagonisten häufig eine Vorbildfunktion für Mitglieder, Fans und vor allem für junge Menschen einnehmen. Die Faszination des Sports entsteht durch den Wettkampf zwischen unterschiedlichen Athleten, Nationen und Herangehensweisen. Ein Team funktioniert als bestmögliche Kombination verschiedener Persönlichkeiten, Temperamente und Fähigkeiten. Sport ist Diversity.

"Sport ist Diversity"

Die Funktionärsebene hingegen ist ein hermetisches System, das sich um sich dreht und aus sich selbst nährt. Das Bewusstsein für die enorme Bedeutung von Unterschiedlichkeit in den verschiedenen Dimensionen fehlt nach wie vor, oder wird bewusst außer Acht gelassen.

Und es gibt keinen Druck von außen. Trotz der herausragenden medialen Aufmerksamkeit für den Sport und vor allem den Fußball, werden stereotype Personalentscheidungen nicht infrage gestellt. Weil also die intrinsische Motivation offensichtlich fehlt, all die hinlänglich belegten Argumente für gemischte Führungsteams anzuerkennen, halte ich eine verpflichtende Quote auch im Sport für zwingend notwendig.

Bei der Bundespressekonferenz (v. l.): Schauspielerin Maria Furtwängler, Managerin Janina Kugel, Katja Kraus, Autorin Nora Bossong, Soziologin Jutta Allmendinger
Bei der Bundespressekonferenz (v. l.): Schauspielerin Maria Furtwängler, Managerin Janina Kugel, Katja Kraus, Autorin Nora Bossong, Soziologin Jutta Allmendinger © imago images/Metodi Popow

Der Deutsche Olympische Sportbund als größter Mitgliederverband hat sich eine Verpflichtung von 30 Prozent Frauen in Führungspositionen gegeben und inzwischen übererfüllt. Auch der Präsident des Deutschen Fußballbundes, Fritz Keller, hat Gleichheit und Frauenförderung zu Maßgaben seiner Präsidentschaft erklärt. Sie haben sich auf den Weg gemacht und Gleichbehandlung als Ziel ausgegeben.

Wie weit dieser Weg noch ist, zeigt auch die Tatsache, dass 2019 unter den 100 bestverdienenden SportlerInnen der Welt nur eine Frau gewesen ist (die Tennisspielerin Serena Williams aus den USA (39) auf Rang 63). Das ist ein besonders erschütternder Beleg für bestehende Ungleichheit. Und selbst eine Nation wie die USA, deren Frauen-Fußballnationalmannschaft seit Jahren erfolgreicher ist als die der Männer, verweigert den Spielerinnen eine gleiche Bezahlung.

"Es gibt bislang keine gezielte Karriereförderung für Frauen"

Allzu oft heißt es aus dem Sport, es gebe nicht genug Frauen, die eine Spitzenposition anstreben. Das ist falsch. Etwa die Hälfte des gesamten Personals im Sport ist weiblich. Ein riesiges Potenzial. Doch es gibt bislang keine gezielte Karriereförderung für Frauen. Und keine Kompetenzzuschreibung, vor allem für die sportnahen Aufgaben.

Welchen Grund sollte es geben, dass die deutsche Fußball-Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg nicht auch ein Männerteam erfolgreich trainieren könnte? Wie unvorstellbar erschien es lange Zeit, dass eine Schiedsrichterin Männerbundesligaspiele leitet? Und wie selbstverständlich wurde es durch die wundervolle Bibiana Steinhaus? Aus genau einem Grund: Weil sie es konnte. Weil sie es mindestens so gut gemacht hat wie ihre männlichen Kollegen. Auf ihre eigene Weise. Und damit mehr als nur den Ton auf dem Platz verändert hat.

Es braucht mehr sichtbare Vorbilder, um viele Frauen für den Sport zu gewinnen. Meine Töchter glauben daran, Bundeskanzlerin werden zu können. Dass sie Vorstandsvorsitzende eines Fußball-Bundesligaclubs werden könnten, dafür gibt es keinen Beweis. Um das zu verändern und die fähigen Frauen zu gewinnen, muss der Fußball seine Ausstrahlung ändern.

"Es ist Zeit für mehr Frauen und Diversität"

Wer Diversity will, muss andere, unterschiedliche Menschen einladen. Die strukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen schaffen.

Alles beginnt mit der Überzeugung. Und der Bereitschaft, Macht zu teilen und Kontrolle abzugeben. Aus der Komfortzone herauszutreten.

Die Entfremdungskrise des Fußballs hat sich in den vergangenen Monaten verstärkt. Auch weil er seine gesellschaftliche Rolle nicht angenommen hat. Weil Haltung immer weniger sichtbar und damit Identifikation immer schwieriger wird. Weil der Sport in seiner Führungsstruktur die Gesellschaft nicht mehr angemessen repräsentiert. Es ist Zeit, die riesige Bedeutung des Sports zu nutzen. Es ist so wichtig, die Zukunftsfähigkeit des Fußballs zu sichern.

Es ist Zeit für Veränderung. Und Systeme werden nicht von denjenigen verändert, die sie geschaffen haben. Es ist Zeit für neue Herangehensweisen an neue Herausforderungen.

Es ist Zeit für mehr Frauen und Diversität.“

Das sind alle 36 Experten in der Taskforce Zukunft Profifußball:

  • Dr. Cornelius Baur (Managing Partner McKinsey Deutschland), Oliver Bierhoff (DFB-Direktor), Fredi Bobic (Sportvorstand Eintracht Frankfurt), Helen Breit (AG Fankulturen), Britta Dassler (FDP, Bundestagsmitglied), Max Eberl (Sportdirektor Bor. Mönchengladbach), Dr. Vera-Carina Elter (Vorstand KPMG), Tanja Ferkau (Gründerin und CEO IMPCT gGmbH), Manuel Gaber (Fan-Arbeitsgruppe Zukunft Profifußball), Dr. Peter Görlich (Geschäftsführer TSG Hoffenheim), Jan-Henrik Gruszecki (Fan-Arbeitsgruppe Zukunft Profifußball), Dr. Mario Hamm (Finanzdirektor 1. FC Nürnberg), Lutz Hangartner (Präsident Bund Deutscher Fußball-Lehrer), Anna-Maria Hass (Fan-Arbeitsgruppe Zukunft Profifußball), Robin Himmelmann (Spieler FC St. Pauli, Vereinigung der Vertragsfußballspieler VDV), Daniela Huckele-Görisch (Director Strategic Initiatives SAP, S20 The Sponsors’ Voice), Dirk Huefnagels (Head of Marketing UniCredit, S20 The Sponsors’ Voice), Jörg Jakob (Kicker-Chefredakteur), Alexander Jobst (Marketingvorstand Schalke 04), Lars Klingbeil (SPD, Generalsekretär), Philipp Köster (11Freunde-Chefredakteur), Katja Kraus (Geschäftsführende Gesellschafterin Jung von Matt/Sports), Carsten Linnemann (CDU/CSU, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion), An­dreas Luthe (Torwart Union Berlin, VDV), Prof. Dr. Martin Nolte (Leiter des Instituts für Sportrecht, Sporthochschule Köln), Cem Özdemir (Die Grünen, Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur), Fabian Otto (Finanzdirektor Bayer Leverkusen), Dr. Frank Rybak (VDV, Fachanwalt für Sportrecht), Sylvia Schenk (Leiterin der Arbeitsgruppe Sport Transparency International), Carsten Schmidt (Senior Advisor Sky), Christian Schmidt (AG Fankulturen), Prof. Dr. Sascha L. Schmidt (Direktor Center for Sports and Management der WHU), Martin Schulz (SPD, Bundestagsmitglied), Ramona Steding (AG Fankulturen), Dr. habil. Martin Stopper (Anwalt für Sportrecht), Heike Ullrich (stellvertretende DFB-Generalsekretärin)