Silverstone. Klare Worte. Sebastian Vettel kritisiert Ferrari. Schon während des nächsten Rennens zum Vergessen für den Hessen. Den Sieg feiert Max Verstappen. Ein Taktik-Coup. Selbst Mercedes kann mit Superstar Lewis Hamilton da nichts ausrichten. Nico Hülkenberg verpasst das Podiums.

Nach dem nächsten Fiasko motzte Sebastian Vettel unverhohlen Richtung Ferrari.

Ein Dreher in der ersten Kurve, den er selbst verschuldet hatte, und eine verpatzte Reifenstrategie zerstörten das Rennen des viermaligen Formel-1-Weltmeisters. Von guter Laune wie bei Überraschungssieger Max Verstappen in Silverstone nach einer perfekten Strategie und einer famosen Fahrt bei Vettel keine Spur. "Ihr wisst, dass Ihr es verbockt habt", giftete er nach seinem ersten verfrühten Boxenstopp via Funk.

Beim Jubiläumsrennen der Motorsport-Königsklasse geriet Vettel in heftigen Verkehr. "Wir hätten heute auch mit der verpatzten ersten Runde viel mehr Boden gut machen können", betonte Vettel. "Wir haben genau über diese Situation gesprochen", ärgerte sich der gebürtige Heppenheimer. Platz zwölf, keine Punkte, viel Frust.

Verstappen schockte dagegen im Taktik-Thriller mit seinem ersten Saisonsieg Branchenprimus Mercedes. Der Red-Bull-Mann verwies am Sonntag Lewis Hamilton und Valtteri Bottas auf die Plätze zwei und drei: Mercedes erstmals geschlagen in diesem Jahr. "Die Blasenbildung war absolut unerwartet", klagte Hamilton über seine Reifenprobleme, nachdem ihm vor einer Woche sogar ein Gummi geplatzt war.

Der britische Weltmeister zog 70 Jahre nach dem ersten Grand Prix der Geschichte in England mit seinem 155. Podestplatz dennoch mit Michael Schumacher gleich und bleibt WM-Spitzenreiter mit 107 Punkten vor dem neuen Zweiten Verstappen (77 Zähler). "Wir waren heute einfach nicht konkurrenzfähig. Wir müssen uns überlegen, woran es lag", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Vor allem auch an Red Bull, vor allem auch an Verstappen. "Jungs, was für ein tolles Rennen. Ich danke euch, danke an die Fabrik. Wir geben weiter Gas", sagte der glückliche Verstappen nach seinem neunten Karrieresieg. Den Sprung in die Arme seiner Ingenieure und Mechaniker ließ sich Verstappen trotz Corona-Maßnahmen nicht nehmen. "Es lief alles glatt und sauber. Ich bin glücklich, gewonnen zu haben."

Vertretungsfahrer Nico Hülkenberg verpasste in seinem zweiten Aushilfseinatz für Racing Point zwar erneut das Podium, lieferte aber hinter Teamkollege Lance Stroll mit Platz sieben eine beachtliche Vorstellung ab. "Ich hatte eine Riesenblase hinten links, hatte massive Vibrationen. Wir sind quasi in einen dritten Stopp gezwungen worden", meinte Hülkenberg über die Schlussphase. Es sei nicht das erwünschte "Märchen", aber zumindest eine "solide Leistung". Diese Woche reist er weiter nach Barcelona, um sich bereit zu halten, sollte er erneut Sergio Perez ersetzen müssen, der wegen positiver Corona-Tests zwei Rennen bisher auslassen musste.

Vettel geriet schon in der ersten Kurve mit seinem Ferrari ins Schlingern und drehte sich von der Piste. Der 33-Jährige hatte noch Glück, dass er keinen Konkurrenten touchierte. "Es gab einen Schlag von hinten, ich habe das Heck verloren", klagte Vettel. Im Training hatte sein Ferrari einen Motorschaden gehabt, im Rennen wurde er von Startplatz elf erstmal ganz nach hinten durchgereicht.

Hülkenberg kam auch nicht so gut weg wie erhofft. Er habe auch nicht viel üben können, bemerkte Racing-Point-Teamchef Otmar Szafnauer, lobte den Rheinländer aber im gleichen Atemzug für die Runden danach: "Er macht das gut."

Der Ersatzmann des Mexikaners Perez bekam sofort Druck von Verstappen und verlor als sensationeller Start-Dritter einen Platz. "Ich habe die Zugspitze vor mir, dabei bin ich kein Bergsteiger, habe aber meine Bergsteigerschuhe mitgebracht", meinte Hülkenberg lachend vor seinem zweiten Renneinsatz für Racing Point, nachdem ihn vergangene Woche ein Kupplungsschaden ausgebremst hatte.

Pole-Mann Bottas und sein Mercedes-Teamkollege Hamilton holten zuerst frische Reifen. In Runde 16 bekam dann auch Hülkenberg, der zwischenzeitlich sogar Zweiter hinter Verstappen war, neue Gummis verpasst. Als Siebter reihte sich der Emmericher wieder ein. Verstappen, der im Gegensatz zu seinen Rivalen mit den ganz harten Reifen gestartet war, kam in der 27. Runde in die Garage. Mit neuen Medium-Pneus fuhr er knapp hinter Bottas, aber noch vor Hamilton, auf die Strecke zurück. Kurz danach holte sich Verstappen vom Finnen auch die Führung zurück.

Verstappen und Bottas, der auch 2021 für Mercedes fahren wird, kamen dann sogar gleichzeitig in die Garage. Der Niederländer kam aber vor dem Finnen wieder raus. "Als Team haben wir an einem bestimmten Punkt geschlafen", kritisierte Bottas. "Wir haben eine Menge zu lernen."

Hamilton, der mit seinen Gummis zu kämpfen hatte, setzte sich nun an die Spitze. In der 42. Runde kam der Brite letztmals an die Box und fiel zunächst auf Rang vier zurück, ehe er sich doch noch auf Position zwei schob. Die Führung ließ sich indes Verstappen nicht mehr nehmen, auch Hamilton konnte ihn nicht mehr einholen.

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