Hamburg. Katharina Nüser wollte Hamburger Marathonmeisterin werden. Doch plötzlich ergab Training keinen Sinn mehr.

Für dieses Sportjahr hatte sich Katharina Nüser einiges vorgenommen. Die 33-Jährige, eine der besten Langstreckenläuferinnen der Stadt, wollte endgültig auf die Marathon-Distanz (42,195 km) umsteigen, beim Haspa-Marathon am 26. April Hamburger Meisterin werden. Daraus wurde nichts, auch der Nachholtermin (13.9.) fällt bekanntlich aus. Nüser hatte aber nach ihrer Heirat im Mai frühzeitig umdisponiert. Sie wird Ende des Jahres erstmals Mutter. „Ich habe das Allerbeste aus der Situation gemacht“, sagt sie und strahlt.

Leistungssport zu treiben ohne konkretes Wettkampfziel, das fiel nicht nur ihr, auch ihren Trainingskollegen und -kolleginnen schwer, nachdem für Frühjahr und Sommer alle Rennen abgesagt waren. Auch der Herbst-Marathon in Köln, für den sie vom Veranstalter einen Startplatz erhalten hatte, wurde früh aus dem Kalender gestrichen.

Katharina Nüser fehlte Hinfiebern auf den Wettkampf

„Plötzlich fehlte der Fokus, das Hinfiebern auf den Tag des Wettkampfes, an dem man die Früchte der Mühen ernten will“, erzählt sie. „Die Struktur im Training ging verloren, Umfang, Intensität, Konsequenz und Konzentration. Irgendwie war die Luft raus. Das ging uns allen ähnlich.“ Statt fünf- bis sechsmal in der Woche ging sie anfangs noch zweimal laufen.

Nüser, die sich als Halbprofi einstuft, war Ende vergangenen Jahres vom Hamburger Laufladen zum 2016 gegründeten Verein hamburg running gewechselt. Der Club ist derzeit unter Hamburger Läufern angesagt. Ehrgeizige Trainingsgruppen, ambitionierte Trainer, durchdachte Trainingspläne, ein angestellter Physiotherapeut, ein ehrenamtlicher Vereinsarzt – das waren für sie eine Hand voll guter Gründe, eine neue Herausforderung zu suchen.

2015 und 2016 hatte Nüser den Sylter-Lauf von Hörnum nach List (33,333 km) gewonnen, 2016 siegte sie beim Bremen-Marathon, wurde 2018 Dritte des Köln-Marathons. Hamburg sollte 2020 ihr vierter Marathon werden, nachdem sie 2019 wegen Verletzungen pausieren musste.

Nüser will nach der Geburt wieder für Marathon trainieren

„Ich war voll im Plan, im Training schnell unterwegs, habe körperlich die größeren Belastungen gut verkraftet – bis im März Corona kam“, sagt Nüser, die als „Managerin on Duty“ im Eimsbütteler Fitnesscenter Kaifu-Lodge arbeitet. Plötzlich war es kein Drama mehr, wenn mal ein Training ausfiel. Laufen war immer ein Stück ihres Alltags, nun hatte ihr Sport die vormals überragende Bedeutung verloren. „Ich hatte keine Energie mehr, keinen Antrieb.“

Dennoch war diese (Aus-)Zeit im Rückblick eine lehrreiche, für Körper und Kopf eine erholsame. „Treffen mit Freunden kommen in Wettkampfvorbereitungen oft zu kurz, weil das Training oberste Priorität hat. Ich habe zwar immer auf eine gewisse Balance zwischen Sport und Freizeit geachtet, aber jetzt ist mir noch mal bewusst geworden, wie wichtig soziale Kontakte sind, auf was ich alles verzichtet habe“, sagt sie. Dennoch: Irgendwann Mitte nächsten Jahres will sie nach der Geburt ihres Kindes wieder mit dem Marathontraining beginnen. „Laufen, Wettkämpfe machen mir schließlich nach wie vor riesigen Spaß.“

In den vergangenen Monaten, sagt Katharina Nüser, habe sie das Laufen richtig genießen können, ohne Druck, ohne Leistungskontrollen, mit der Freiheit, das zu tun, „wozu ich Lust habe“. Künftig will sie andere Sportarten in ihr Trainingsprogramm integrieren.

Ehemann Patrick, ein zum Laufen konvertierter Triathlet, unterstützt sie dabei. „Ich weiß von vielen Läuferinnen, dass sie nach der Schwangerschaft einen Leistungsschub erlebt haben. Meine Karriere hört jetzt nicht, sie fängt erst richtig an“, sagt Katharina Nüser. Ein Ziel hat sie bereits: den Haspa-Marathon 2022.