Er war Weltspieler des Jahres, Weltmeister, gefürchtet für unerbittlichen Zweikampfstil. Heute ist Michael Green Arzt in Ottensen.

Michael Green kommt überpünktlich zu der Verabredung. Rank, schlank, dynamisch. Wie man ihn kennt aus seiner aktiven Zeit. „Nein, ich spiele kein Hockey mehr, Joggen ist der einzige Sport, den ich noch mache“, sagt er. Man kann es kaum glauben. 48 ist er jetzt, offenbar voll fit. Und Hockey war doch immer seine große Liebe, bis 39 hat er noch Bundesliga gespielt. „Wenn ich jetzt noch in einer Mannschaft mitspielen würde, dann gehört dazu auch nach dem Training das Zusammensein“, sagt er, „das geht aber nicht, weil ich sehr früh aufstehe.“

Eine OP ist ausgefallen an diesem Morgen, deshalb ist er so zeitig. Eine hat er schon hinter sich. Hüfte. Der fitte Doktor Green gibt anderen Menschen Beweglichkeit zurück. Seit 20 Jahren arbeitet er bereits als Arzt, 2013 hat er sich mit seinem Freund, Partner und Kollegen Helge Beckmann in Ottensen niedergelassen. Schwerpunkt Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin. „Es läuft gut, es macht Spaß“, sagt er. Und er ist dabei offenbar ebenso erfolgreich und zielstrebig wie in der ersten Karriere auf dem Hockeyplatz.

Michael Green war immer da, wo er gebraucht wurde

2002 galt der Verteidiger vom Harvestehuder THC als bester Hockeyspieler der Welt. Nicht wegen seiner technischen Finessen, sondern wegen seiner Athletik, seines unerbittlichen Zweikampfstils und der Fähigkeit, immer auf dem Feld dort zu sein, wo er gebraucht wird. Wenige konnten einen Gegner mehr nerven. Als zweiter Deutscher, als erster Hamburger lange vor Moritz Fürste (2012) und Tobias Hauke (2013) wurde er vom Weltverband als Weltspieler des Jahres ausgezeichnet.

Michael Green war ein entscheidender Faktor im deutschen Team, das 2002 in Kuala Lumpur erstmals die Weltmeisterschaft gewann. 320 Länderspiele in Feld und Halle bestritt er zwischen 1993 und 2006, zweimal nahm er an Olympischen Spielen teil. 1993 wurde er mit Deutschland Junioren-Weltmeister, dreimal gewann er mit dem HTHC die deutsche Meisterschaft auf dem Feld. Dass seine Länderspielkarriere auf dem Feld eher unbefriedigend endete – inzwischen geschenkt.

Vom Bundestrainer aussortiert

Vor den Olympischen Spielen 2004 in Athen nämlich sortierte Bundestrainer Bernhard Peters völlig überraschend den langjährigen Stammspieler Green aus und nominierte den unerfahrenen UHC-Spieler Eike Duckwitz. Green sei nicht fit genug gewesen, lautete die Begründung für Peters’ „Bauchentscheidung“, die Michael Green nicht nachvollziehen konnte. „Ich bleibe ein glücklicher Mensch. Natürlich hätte ich mehr Unterstützung erwartet, aber ich kann mir nichts vorwerfen“, sagte er damals: „Ich habe alles gegeben.“

So oder so war es eine beeindruckende Laufbahn – während der er immer auch seine berufliche Ausbildung vorantrieb. „Ja, ich habe auf Reisen zu Lehrgängen und Spielen oder in der freien Zeit bei Turnieren meist gelernt“, erzählt Green, „aber genauso gut konnte ich feiern, wenn wir was erreicht hatten.“ Dass er Mediziner werden wollte, das war ihm früh klar. Mutter Radiologin, Vater Allgemeinmediziner – was sollte da sonst rauskommen? „Ach, ich war auch gut in Mathe“, erzählt er, „meine Eltern haben gar nichts forciert. Nein, Orthopädie fand ich durch den Sport immer spannend, alles mit Knorpeln, Knochen und Bändern.“

Schon während der Hockey-Karriere als Chirurg gearbeitet

Nach dem Abitur wechselte er deshalb aus Braunschweig zum HTHC in seinen Wunsch-Studienort Hamburg. Das war möglich, weil er bei einem Test so gut war, dass er den Studienort wählen konnte. Herausragende sportliche Karriere und Studium beziehungsweise Job liefen von nun an parallel. Schon in der Schlussphase seiner internationalen Karriere hat er als Chirurg gearbeitet. Es ist alles eine Frage der Organisation – „das konnte ich immer sehr gut“.

Auch Michael Greens Tag hat nicht 25 Stunden. Er fängt nur früher an. Um 5.15 Uhr klingelt der Wecker. Um 6.30 Uhr schon gibt es erste Sprechstunden, oder das Chirurgenmesser wird angesetzt. „Wir sind in der Praxis sehr gut eingespielt“, sagt er. Fünf Mitarbeiter halten den Ärzten den Rücken frei. Die Zusammenarbeit mit Beckmann, der Mannschaftsarzt der Hamburg Towers und bei den Oberligafußballern der TuS Dassendorf ist, flutscht wie von selbst.

Mitglied der "Hockey-Weltregierung"

„Wir haben uns am ersten Tag kennengelernt, als ich 2000 im Marienkrankenhaus in der Unfallchirurgie angefangen habe“, erinnert sich Green. Seitdem gehen die beiden ihren beruflichen Lebensweg gemeinsam. 2007 wechselten sie ans Krankenhaus Eilbek in den Bereich Orthopädie und Sportmedizin, 2013 dann die Selbstständigkeit. „Wir sind absolut im Guten aus Eilbek weggegangen und arbeiten bei Operationen immer noch mit dem Team dort zusammen.“

Viele Sportler kommen in die Praxis, auch Hockeyspieler, logisch. „Die Verbindung zum Sport ist immer geblieben.“ Dieser bekannte Spruch vom Zurückgeben, wenn man von etwas sehr profitiert hat, den hat auch Green für sich verinnerlicht. Quasi sofort nach seiner aktiven Karriere gab er als „Funktionär“ zurück. Bis 2013 war er Vizepräsident Leistungssport im Deutschen Hockey-Bund (DHB).

Für den Hockeyweltverband (FIH) hat er seit 2006 das Athletenkomitee mit aufgebaut, war seit 2010 sechs Jahre lang Athletenvertreter im „Executive Board“, der „Regierung“ der FIH. 2016 wurde er erstmals als ordentliches Mitglied dort hineingewählt, die Amtszeit läuft noch bis 2022.

Leistungshockey erst ab elf, zwölf

Das sind alles wichtige Tätigkeiten, das Herz aber hängt am Verein. So arbeitet er seit dreieinhalb Jahren ehrenamtlich als Jugendvorstand beim HTHC. Natürlich ehrgeizig und mit Zielen. Basis ist das „Jugendkonzept 2.0“, das die Verantwortlichen im Club entwickelt haben. „Wir wollen hier die Strukturen in der Jugendarbeit verbessern, das Ziel muss sein, eigene Talente für das Bundesligateam zu entwickeln“, sagt Green, „die Qualität der Trainer ist sehr wichtig. Ich glaube aber auch, dass man mit Leistungshockey erst ab dem elften, zwölften Lebensjahr beginnen sollte.“

Ehefrau Sylvia arbeitet auf einer halben Stelle als Augenärztin am UKE, das hilft bei den umfangreichen Tätigkeiten ihres Mannes natürlich. Dennoch hat er durch seinen frühen Dienstbeginn immer auch genug Zeit gehabt, sich um seine zwei Mädchen und den Jungen zu kümmern, die zwischen elf und 15 Jahren alt sind. Und natürlich alle begeistert Hockey spielen – wie sollte es anders sein? „Ich bremse jedoch überehrgeizige Eltern, die zu viel wollen“, sagt Green, dem das Ehrenamt im HTHC viel Spaß macht: „Wir sind ein tolles Team. Ich bleibe hier noch ein paar Jahre.“ Das klingt mehr nach Versprechen als nach Drohung. Dann muss er los. Dynamisch und voll Tatendrang zum nächsten Termin – es geht um Hockey.

3 Fragen an Michael Green

Was ist Ihr wichtigstes persönliches Ziel für die nächsten drei Jahre?

Natürlich möchte ich unsere Kinder weiter bis zum Schulabschluss begleiten und sie in ihrer Selbstständigkeit fördern. Für den HTHC möchte ich, dass viele Jugendliche auch im Erwachsenenbereich weiter Hockey spielen und einige den Sprung in die Bundesliga schaffen.

Was wollen Sie in den nächsten drei Jahren beruflich erreichen?

Ziel ist es, die freundschaftliche Partnerschaft in der Praxis fortzusetzen und mit der orthopädischen Sprechstunde weiter zu wachsen. Möglicherweise ergänzen wir uns deshalb um einen weiteren Partner.

Was wünschen Sie sich für Hamburg in den nächsten drei Jahren?

Ich denke, dass sich die Situation auf den Straßen für alle Verkehrsteilnehmer verbessern muss. Ich habe oft den Eindruck, dass die Koordination von Baustellen nicht optimal ist. Und es wäre ein großer Wunsch, dass wir noch mehr sportliche Großevents in die Stadt holen könnten.