Berlin. Österreichs Tennisstar Dominic Thiem will sich beim Einladungsturnier in Berlin für den Wiederbeginn der Saison in Form bringen.

Der Mund-Nasen-Schutz, mit dem Dominic Thiem Corona- und andere Viren fernzuhalten versucht, als er am Montagmittag in der Tennishalle des LTTC Rot-Weiß vor die Medien tritt, weist ihn als den Lokalpatrioten aus, der er ist. „Thiems7“ steht auf der Maske, sie wirbt für das Einladungsturnier, das der Weltranglistendritte aus Österreich in der vergangenen Woche in Kitzbühel als Mitorganisator bestritt – und mit einer knappen Finalniederlage gegen den Russen Andrej Rubljow (22) abschloss.

Nun jedoch ist Dominic Thiem in Berlin, er tritt als Topgesetzter bei den „Bett1 Aces“ an, die in dieser Woche die Tenniswelt auf die Hauptstadt schauen lassen. Und weil der 26-Jährige als ausgewiesener Deutschland-Liebhaber gilt, schiebt er den Lokalpatrioten galant beiseite und findet freundliche Worte für die Stadt, die er bislang erst einmal für 24 Stunden besucht hat. Vor vier Jahren war das, im Rahmen eines Fußball-Bundesliga-Heimspiels der Hertha gegen Borussia Mönchengladbach, das Thiem als Anhänger des Londoner Premier-League-Clubs FC Chelsea gern mitnahm. „Ich finde Berlin ziemlich geil, die Stadt ist sehr facettenreich“, sagt er.

Viel Gelegenheit, um seine Eindrücke zu vertiefen, wird Dominic Thiem nicht bekommen in dieser Woche. Zwar gilt der Sandplatzspezialist trotz der Blitzumstellung von der Kitzbüheler Höhenlage auf den Rasen im Steffi-Graf-Stadion und den Hartplatz im Hangar 6 am ehemaligen Flughafen Tempelhof, wo das Turnier von Freitag bis Sonntag fortgesetzt wird, als sichere Bank für das Erreichen der jeweiligen Finaltage. Doch einerseits ist er zum Tennisspielen hier, und andererseits verbietet das 59-seitige Hygienekonzept den jeweils sechs Protagonisten im Damen- und Herrenfeld ausschweifende Kontakte zur Außenwelt.

Dominic Thiem ist auf dem Weg „zu einer gewissen Normalität“

Dass er gewillt ist, sich an alle Regeln zu halten, daran lässt Dominic Thiem am Montagmittag keinen Zweifel. Schließlich ist er ein gebranntes Kind, seit er Ende Juni auf der von Branchenprimus Novak Djokovic (33/Serbien) organisierten Adria-Tour einer derjenigen war, die alle Abstandsregeln fahren ließen. Die weltweite Kritik daran habe er zwar bisweilen als überzogen wahrgenommen, „dennoch ist es keine Frage, dass es ein Fehler war. Wir kamen aus dem Lockdown in eine Euphorie, die uns dazu verleitet hat, die Regeln nicht mehr einzuhalten. Wir haben keine Gesetze gebrochen, aber den Bezug zur Realität etwas verloren“, gibt er zu.

Nun ginge es darum zu beweisen, „dass wir aus den Fehlern gelernt haben“, sagt er. Schon in Kitzbühel sei keinerlei Verstoß gegen die Corona-Regeln registriert worden. „Und in Deutschland ist alles noch einmal strenger und genauer, deshalb fühle ich mich hier absolut sicher.“ Dominic Thiem geht sogar so weit, die aktuelle Phase bereits als „Rückkehr in eine gewisse Normalität“ zu beschreiben. Sein Alltag habe sich schrittweise normalisiert, nachdem er in den ersten zwei Wochen des Lockdowns „nur zu Hause herumgelegen“ und anschließend mit Bergwandern und Inlineskating-Touren die Fitness notdürftig hochgehalten hatte. Vom 20. April an war in Österreich jedoch Training in vollem Umfang wieder möglich. „Die Zeit war schon sehr speziell, aber jetzt schaut der Alltag wieder normal aus“, sagt er.

Rückkehr auf die ATP-Tour beäugt Thiem mit Argwohn

Die Rückkehr auf die ATP-Tour, die für den 14. August in der US-Hauptstadt Washington geplant ist, beäugt der 16-fache Turniersieger, der 2019 in Indian Wells (Kalifornien) seinen ersten Mastertitel holte, dennoch mit Argwohn. „Ich glaube, das Ganze steht auf sehr wackligen Beinen“, sagt er mit Blick auf die hohe Zahl der Corona-Infizierten in den USA, deren Tennisverband unbedingt vom 31. August bis 13. September in New York die US Open austragen will. „Sollte diese Entscheidung bestätigt werden, wird es sicher sein, dort hinzureisen. Aber es liegt nicht in unserer Hand.“

Thiem, so viel ist klar, wird die Pläne der Turnierveranstalter kritisch begleiten. Er ist ein Mensch, der grundsätzlich über den Schlägerrand hinausschaut, der sich für Umweltschutz einsetzt, gegen die Vermüllung der Weltmeere und zu viel Plastik auf Tennisturnieren kämpft. In den vergangenen Monaten hat der meist höflich und zurückhaltend auftretende Wiener sein Profil mit deutlichen Aussagen zum Hilfsfonds für Spieler außerhalb der Top 100 der Welt oder zur Kritik an seinem Kumpel Alexander Zverev (23/Hamburg) und dessen Absage für das Berliner Spektakel geschärft.

Thiem war zu Jahresbeginn in Topform

Das Coronavirus könnte den Australian-Open-Finalisten dieses Jahres eine große Saison gekostet haben, schließlich war Thiem zu Jahresbeginn in Topform. Darüber zu klagen hielte er jedoch für komplett vermessen. „Man muss klar sagen, dass es Wichtigeres im Leben gibt als Tennis und dass es andere Spieler deutlich härter getroffen hat als mich“, sagt er. Glücklich, wieder um Preisgeld spielen zu können – die Gesamtsieger der „Bett1 Aces“ kassieren jeweils 50.000 Euro –, ist er trotzdem. „Ich freue mich, dass wir den Fans wieder etwas bieten können.“

Was er auf Rasen bieten kann, will er in dieser Woche nachweisen. „Ich spiele sehr gern auf Rasen, hatte aber in den vergangenen Jahren zu wenig Vorbereitungszeit, weil ich bei den French Open im Finale stand“, erklärt er seine mäßige Erfolgsbilanz auf Gras. Thiems erster Aufschlag ist für diesen Dienstag geplant. Im Halbfinale, für das er wie der Italiener Matteo Berrettini (24/Nr. 8) gesetzt war, geht es gegen Haas-Bezwinger Jannik Sinner (18/Italien/Nr. 73)..