Hamburg. Hamburger Promoter Erol Ceylan will seine Boxer mehr im Ausland antreten lassen und weniger selbst veranstalten.

Eigentlich, sagt Erol Ceylan, war diese Entscheidung überfällig. Aber manchmal braucht es eben diesen Antrieb von außen, um wichtige Schritte wirklich zu gehen. „Corona hat das Boxgeschäft noch weiter zurückgeworfen“, sagt der Chef des Hamburger Profistalls EC Boxing, „deshalb ist jetzt die Zeit endgültig reif für den Strategiewechsel, den ich schon seit Jahren vorhabe.“

Ceylan, 48 Jahre alt, steht in seinem Gym am Normannenweg und lässt den Blick über die Fitnessgeräte schweifen, an denen seine Kämpfer ihre Körper stählen – wenn sie denn da sein können. Noch immer erlauben die Vorschriften keinen geregelten gemeinsamen Trainingsbetrieb. Und einige seiner aktuell 19 unter Vertrag stehenden Boxer sind in ihren Heimatländern gestrandet. Der Ukrainer Victor Faust (28), Neuerwerbung im Schwergewicht, hatte in der vergangenen Woche versucht, aus Kiew einzureisen. Der Versuch endete im Transitbereich des Hamburger Flughafens, von dort wurde er über Bremen in die Ukraine zurückgeschickt. „So ist es natürlich schwer, die Rückkehr in die Normalität zu schaffen“, sagt Ceylan.

Neue Strategie

Schon bevor Corona die Veranstaltungsbranche besonders heftig infizierte, hatte der Unternehmer, der sein Geld als Spediteur, mit Großbäckereien und Immobilien verdient, für sein Hobby Boxen nur draufgezahlt. Wie hoch der Betrag ist, den er seit 2010 investiert hat? Ceylan grinst nur, wenn man ihn das fragt. Ein Gentleman schweigt, genießen jedoch kann Erol Ceylan die Verluste nicht. Im zehnten Jahr des Bestehens muss der umtriebige Deutschtürke nun konstatieren, dass er trotz qualitativ hochwertiger Kampfabende, guter Ideen und sehr stabilen Standings in der Spitze der deutschen Promoterszene mit seinem Vorhaben, einen großen TV-Sender vom Einstieg in eine Exklusivpartnerschaft zu überzeugen, gescheitert ist.

„Ich bin deshalb nicht böse. Ich glaube, dass wir so viel Qualität geboten haben in den vergangenen Jahren, dass es verdient gewesen wäre, einen guten Fernsehvertrag zu bekommen. Aber ich schließe keinen Vertrag ab, bei dem ich sogar die Produktionskosten selbst zahlen muss“, sagt er. Deshalb habe er sich nun entschlossen, seine Strategie zu verändern. „Ich muss für meine Sportler das Beste herausholen, aber auch darauf achten, dass das nicht für mich schlecht ist“, sagt er. Also wird er in Zukunft darauf setzen, seine Kämpfer auf Veranstaltungen anderer Promoter im In- und Ausland antreten zu lassen, ohne jeden Kampfabend selbst auszurichten.

Ceylan hat ein stabiles Netzwerk

Über die Jahre hat sich Ceylan ein stabiles Netzwerk geknüpft. In Deutschland arbeitet er eng mit Ulf Steinforth und dessen Magdeburger SES-Team zusammen. Aber auch nach England, aktuell Vorreiter im europäischen Berufsboxen, und in die USA hat er seine Drähte gelegt – und längst ausgelotet, welche seiner Sportler interessant sein könnten für lukrative Kämpfe in Übersee. So gibt es für IBO-Weltergewichtsweltmeister Sebastian Formella (33) eine interessante Offerte für einen Kampf Anfang August in Las Vegas oder Los Angeles. Bevor allerdings die Reisebeschränkungen nicht gelockert würden, könne man noch keine Details nennen. „Aber das wäre auf jeden Fall die Chance, von der Basti immer geträumt hat“, sagt Ceylan.

Sein Hauptaugenmerk will der Promoter allerdings auf die Königsklasse legen, das Schwergewicht. Ein wichtiges Signal war deshalb am vergangenen Montag die Verpflichtung des Kölners Manuel Charr (35), der aktuell den regulären WM-Titel der WBA hält. „Mit Manuel werden wir große Kämpfe machen können, die für uns alle lukrativ sind. Und genau das ist in Zukunft meine Ausrichtung: die bestmöglichen Kämpfe zu machen, ohne dabei selbst draufzuzahlen. Das Interesse ist da, nur leider nicht in Deutschland“, sagt er. Charrs Pflichtverteidigung gegen den US-Amerikaner Trevor Bryan (30), die Ende Mai Corona zum Opfer fiel, hatte Bryans Promoter Don King für zwei Millionen US-Dollar ersteigert. Kein Promoter in Deutschland könnte eine solche Summe aktuell auch nur im Ansatz realisieren.

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Erol Ceylan will deshalb seine Schwergewichtshoffnungen wie den Rumänen Christian Hammer (32), den Türken Ali Eren Demirezen (30) oder den Ukrainer Faust zunächst auch im Vorprogramm großer Kämpfe in England oder den USA antreten lassen. „Dadurch werden sie bekannter und kommen dann selbst an große Kämpfe“, hofft er. Sein neues Credo lautet: „Qualität statt Quantität. Ich will nur noch Toptalente verpflichten und die in Zusammenarbeit mit anderen Veranstaltern aufbauen.“

Eine grundsätzliche Abkehr von eigenen Veranstaltungen ist sein Schritt allerdings nicht. Sein Gym hat er gerade fernsehgerecht umbauen lassen, um in Zeiten der Kontaktbeschränkung kleine Kampfabende ohne Zuschauer anbieten zu können. Das dafür nötige Hygienekonzept erarbeitet er gerade. Bereits fertig ist ein solches Konzept für eine Veranstaltung im Tennisstadion am Rothenbaum, die er gern noch in diesem Jahr durchziehen würde. „Wenn ich selbst veranstalte, dann muss es etwas Großes sein“, sagt er. Etwas, das selbst ein deutscher TV-Sender nicht ablehnen könne. Seinen Traum hat er eben doch noch nicht komplett begraben. Aber man könnte sagen, dass Erol Ceylan dem Verstand nun Vorrang vor dem Herzen gibt.