Hamburg. Der Hamburger musste sich in seiner Wahlheimat Niederlande ohne Anbindung ans Nationalteam auf Olympia vorbereiten.

Auf das, was an diesem Montag auf ihn wartet, ist Florian Fuchs durchaus gespannt. In Köln muss der Hockey-Nationalstürmer zum Sprinttest antreten. Was normalerweise ein eher lästiger Termin wäre, ist für den 28 Jahre alten Hamburger in Zeiten von Corona eine Standortbestimmung. Schließlich hat der Torjäger seit dem Ausbruch der Pandemie keine einzige Trainingseinheit mehr mit seinen Kollegen aus dem Nationalteam bestritten. Denn Fuchs, der beim Uhlenhorster HC aufwuchs, spielt seit Herbst 2016 in den Niederlanden für HC Bloemendaal und verbrachte deshalb den Lockdown in seiner Wahlheimat.

„Ich hatte schon darüber nachgedacht, nach Hamburg zurückzukehren, auch um mit den Hamburger Nationalspielern am Stützpunkt trainieren zu können“, sagt Fuchs. „Aber die Verschiebung der Olympischen Spiele war ein ziemlicher Dämpfer für mich, den ich erst einmal verdauen musste. Dafür wollte ich dort bleiben, wo ich mich privat aktuell am wohlsten fühle“, sagt er. Und das ist Amsterdam, wo Fuchs mit seiner Freundin Miriam lebt.

Dort waren die Corona-Maßnahmen vergleichbar mit Hamburg. „In Deutschland wurde berichtet, dass in den Niederlanden alles weniger strikt sei und man auf Herdenimmunität setzen würde. Das stimmte aber nicht“, sagt er. Geschäfte und Restaurants seien während des harten Lockdowns länger geschlossen gewesen als hierzulande. Die Maskenpflicht gelte zwar aktuell nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln und nicht beim Einkaufen oder Essengehen, „dennoch wird hier nicht sorgloser mit Corona umgegangen als in Deutschland“.

Training war in Niederlanden lange Zeit nur individuell möglich

Training war in den als hockeyverrückt bekannten Niederlanden, deren Eliteliga als die beste der Welt gilt und deren Damen amtierender Weltmeister sind, lange Zeit selbst für die Auswahlspieler nur individuell möglich, während in Deutschland zumindest die Olympiakader-Athleten zu einem relativ frühen Zeitpunkt mit Ausnahmegenehmigung wieder an ihren Stützpunkten gemeinsam üben durften. „Ich war fast drei Monate nicht auf dem Hockeyplatz“, sagt Fuchs, der erst nach Pfingsten wieder mit seinem Verein ins Teamtraining einsteigen durfte. Da die Anlage in Bloemendaal gesperrt war, konnte er nicht einmal allein auf den Kunstrasen, um ein paar Bälle zu schlagen.

Die Zeit der Entschleunigung nutzte der Olympiasieger von 2012 dafür, sich intensiver mit seinem neuen Hobby Kitesurfen zu beschäftigen. Außerdem kümmerte er sich verstärkt um sein berufliches Fortkommen. Mit seinem Teamkollegen Roel Bovendeert hatte er nach seinem Wirtschaftsstudium das Unternehmen Hypha Impact gegründet, das Firmen im nachhaltigen Wirtschaften berät. In die neue Tagesstruktur musste schließlich noch das tägliche Training integriert werden. Der Deutsche Hockey-Bund (DHB) stellte ihm einen Kraft- und Athletiktrainer, mit dem er individuell trainierte. Deshalb glaubt Florian Fuchs, der selbst mit dem Ball am Schläger die meisten Gegenspieler wie Slalomstangen stehen lässt, dass der Sprinttest in Köln zufriedenstellende Ergebnisse bringen dürfte.

Fehlende Wettkampfpraxis

Anders sieht es mit den Ausdauerwerten aus, von der fehlenden Wettkampfpraxis möchte er gar nicht erst reden. Gesteigerte Sorgen bereitet ihm beides dennoch nicht. „Ich hatte noch nie eine so lange Spielpause. Aber es geht ja allen so, und ich denke, dass wir uns schnell wieder einfinden werden, wenn es irgendwann weitergeht“, sagt er. Wann das sein wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Die Bundesliga möchte Anfang September die unterbrochene Saison 2019/20 fortsetzen. In den Niederlanden wurde die Spielzeit ohne Wertung abgebrochen, was Bloemendaal angesichts von sieben Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze besonders schmerzte. „Wir glauben alle, dass wir den Titel geholt hätten“, sagt Fuchs. Der Beginn der Saison 2020/21 ist für den 6. September vorgesehen.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Auf internationaler Ebene dürfte der Neustart noch länger auf sich warten lassen. „Ich würde mir da keine Prognose zutrauen“, sagt Florian Fuchs. Klar scheint, dass der Terminkalender für 2021 große Belastungen für die Auswahlathleten mit sich bringen wird. Nationale Liga und Europapokal mit Bloemendaal, Pro League und im Juni die vorgezogene EM mit dem Nationalteam – bis es Ende Juli zum größten Höhepunkt kommen soll. Fuchs hat, nachdem er den ersten Corona-Blues überstanden hatte, schnell entschieden, auch 2021 für die Sommerspiele in Tokio bereitzustehen. „Olympia steht über allem, und ich hatte das Gefühl, dass wir in den vergangenen Monaten mit dem Nationalteam auf einem sehr guten Weg waren“, sagt er.

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Diesen Weg will er weiter mitgehen, zumindest bis ins nächste Jahr. Sein Vertrag in den Niederlanden endet mit dem Olympiazyklus, eine Verlängerung ist allerdings wahrscheinlich. Der Zwang zum Homeoffice hat zwar bewiesen, dass ortsgebundenes Arbeiten immer weniger wichtig wird. Aber weil auch seine Freundin, die in Hamburg Journalistik studiert hat, aktuell einen Job in Amsterdam hat und beide längst fließend Niederländisch sprechen, könnte es mit einer Rückkehr nach Hamburg und zum UHC noch etwas dauern. „Ich plane noch nicht so weit voraus“, sagt Florian Fuchs, und wer wollte ihm das verdenken? Schließlich haben die vergangenen Monate nachhaltig unterstrichen, dass alles schnell ganz anders kommen kann.