Hamburg. Tennisprofi Jan-Lennard Struff über Training in Zeiten von Corona und seine Sicht auf den Restart der Fußballer.

Als zweitbester deutscher Tennisprofi steht Jan-Lennard Struff in der am 16. März eingefrorenen Weltrangliste auf Platz 34. Nach der besten Saison seiner Karriere, die ihn vor knapp einem Jahr bei den French Open erstmals in die zweite Woche eines Grand-Slam-Turniers brachte, wollte der 30 Jahre alte Warsteiner seine Leistungen in diesem Jahr bestätigen. Dann kam Corona – und der Vater eines gut ein Jahr alten Sohnes fragt sich seitdem, wie es weitergehen wird mit seinem Sport.

Hamburger Abendblatt: Herr Struff, Sie sind großer Fan von Borussia Dortmund. Freuen Sie sich auf das Revierderby an diesem Sonnabend, mit dem die Fußball-Bundesliga wieder startet?

Jan-Lennard Struff: Ich freue mich sehr darüber, dass wieder Sport im Fernsehen kommt. Aber ob es mir gefällt, kann ich noch nicht sagen. Ich bin sehr gespannt, ob das Sicherheitskonzept aufgeht und sich wirklich keine Fans treffen. Und ich weiß auch noch nicht, wie ich die Atmosphäre eines solchen Geisterspiels wahrnehmen werde.

Schauen Sie als Berufssportler, dem die Ausübung seines Berufs derzeit nicht möglich ist, mit Neid oder Mitleid auf die Fußballer?

Struff: Weder noch. Der Fußball hat einfach eine Sonderrolle im Leistungssport, es steckt sehr viel Geld dahinter. Ich finde es spannend zu sehen, ob unter den Optimalbedingungen, die der Fußball hat, die Rückkehr in den Spielbetrieb gelingen kann. Wichtig finde ich aber, dass auch in vielen anderen Bereichen des Lebens Lockerungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ermöglicht wurden. Sonst wäre ein Neustart gesamtgesellschaftlich noch schwieriger vertretbar gewesen.

Viel Geld steckt auch im Tennis, es ist kein Kontaktsport, Abstand ist problemlos einzuhalten. Dennoch drohen international 2020 alle Turniere auszufallen. Warum?

Struff: Weil nicht absehbar ist, wann alle Reisebeschränkungen aufgehoben sein werden. Wenn aber zu den Turnieren der ATP- und WTA-Tour nicht weltweit alle Spielerinnen und Spieler anreisen können, ist die Chancengleichheit nicht gegeben. Deshalb fürchte auch ich, dass es bis zum Jahresende keine internationalen Turniere mit Zuschauern geben wird.

Wenn man sich darauf einigen würde, auf die Vergabe von Ranglistenpunkten zu verzichten, wäre es denkbar, zumindest europaweit Turniere anzubieten? Gute Starterfelder wären möglich, das Fernsehen könnte übertragen, was Sponsoren locken dürfte.

Struff: Natürlich wäre das reizvoll, ich würde gern solche Turniere spielen. Aber für viele Veranstalter sind die Zuschauereinnahmen immens wichtig, sodass sie sicherlich Hilfe bräuchten, um das stemmen zu können. Ob es da Möglichkeiten gäbe, weiß ich nicht. Ebenso unsicher erscheint mir, das Thema Weltranglistenpunkte fair zu regeln.

Die Spielpause wird im Tennis seit Wochen zu kontroversen Diskussionen genutzt. Eine betrifft die Fusionierung der Damen- und Herrentouren, die zuletzt vor allem Roger Federer gefordert hat. Wie stehen Sie dazu?

Struff: Ich weiß zu wenig über den Nutzen einer solchen Fusion. Wie heiß das tatsächlich diskutiert wird, ist mir auch nicht bekannt. Dass diese Krise aber eine gewisse Neuordnung des Profisports verlangt, gilt auch im Tennis.

Ein wichtiges Thema, gerade angesichts derzeit ausbleibender Preisgelder, ist auch eine bessere finanzielle Ausstattung von Spielern jenseits der Top 100 der Weltranglisten. Österreichs Topspieler Dominic Thiem hat seine Ablehnung eines Hilfsfonds damit begründet, dass viele Spieler keine Unterstützung verdienten, weil sie nicht hart genug arbeiteten. Hat er recht?

Struff: Domi ist ein Freund von mir, ich schätze ihn sehr. Ich kann seine Aussage dahingehend nachvollziehen, dass nicht alle generell eine Unterstützung verdient haben. Bei Spielern, die sich beispielsweise nicht professionell verhalten und nicht volles Commitment in ihren Beruf geben, sehe ich es auch skeptisch. Dennoch weiß ich aus eigener Erfahrung, dass viele Spieler alles geben, aber limitierte Mittel haben. Diese sind durch Corona unverschuldet in große Probleme gekommen, und denen muss auch geholfen werden. Man muss die Verteilung von Geldern entsprechend steuern.

Der Deutsche Tennis-Bund startet vom 8. Juni an eine nationale Turnierserie, um Spielern, denen zum Beispiel das Einkommen aus der Bundesliga fehlt, zu helfen. Aber auch, um Spielern wie Ihnen Wettkampfpraxis zu ermöglichen. Ist das mehr als Bewegungstherapie für Sie?

Struff: Natürlich ist ein Vergleich zu internationalen Turnieren kaum möglich. Dennoch tut es gut, wieder auf ein Ziel hinzuarbeiten, da wir alle in den vergangenen Wochen ziel- und teilweise motivationslos umhergedriftet sind. Deshalb freue ich mich sehr darauf, wieder unter Wettkampfbedingungen spielen zu können. Und wenn ich schon antrete, will ich auch mein bestes Tennis zeigen.

Können Sie das denn? Haben Sie entsprechend trainieren können?

Struff: Natürlich bin ich nicht in Bestform. Es geht darum, das aktuell mögliche beste Tennis zu zeigen. Ich darf zum Beispiel erst seit Montag wieder im Gym trainieren. Auf dem Platz waren bis zum 7. Mai nur Trainingseinheiten mit einem Partner erlaubt, also entweder ein Trainer oder ein Sparringspartner.

Haben Sie auch die Erfahrung gemacht, dass Sie zielgerichteter arbeiten konnten, weil der Wettkampfstress und das viele Reisen weggefallen sind?

Struff: Eigentlich nicht. Ich habe in den ersten Wochen viel Zeit mit meiner Familie verbracht, weil ich genießen wollte, dass das auf einmal möglich war. Aktuell bin ich bei drei Tenniseinheiten pro Woche. Es ergibt keinen Sinn, jetzt voll durchzuholzen. Ich trainiere auf sehr ordentlichem Niveau und erhalte meine Grundfitness. Es stört mich auch nicht, dass in anderen Ländern oder sogar anderen Bundesländern mehr Training möglich war. Das spielt aktuell, da kein Turnier ansteht, keine große Rolle für mich. Irgendwann wird man uns sagen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt der Spielbetrieb wieder beginnt. Darauf werde ich mich dann zielgerichtet vorbereiten.

Ende November stünde in Madrid die Daviscup-Endrunde an. Glauben Sie, dass das die einzige Chance ist, 2020 noch einmal internationale Wettkämpfe zu bestreiten?

Struff: Das ist alles Spekulation, die mich nicht weiterbringt. Wir haben gelegentlichen Kontakt im Daviscupteam und reden darüber. Ich habe mich aber bewusst auch zurückgezogen, weil ich die Zeit mit meiner Familie nutzen wollte. Kontakt haben, nur um Kontakt zu haben, das brauche ich nicht. Ich freue mich aber darauf, die Jungs wieder zu treffen, wann auch immer das sein wird.