Hamburg. In Zeiten von Kontaktsperren ist geregeltes Training kaum möglich. Dennoch erstellen die Anbieter Konzepte.

Seine Bühne hat sich nicht verändert, wohl aber sein Publikum. Dort, wo in seinem Winterhuder Kampfsportstudio sonst seine Schülerinnen und Schüler stehen und seinen Anweisungen gebannt lauschen, hat Mark Leo Lemmens auf einer Malerleiter einen Bildschirm und eine Kamera installiert. Für den 40 Jahre alten Karatetrainer ist das virtuelle Training, das er an sechs Tagen pro Woche anbietet, in Coronazeiten die einzige Chance, mit seinen Sportlern in Verbindung zu bleiben. „Es ist anstrengender als sonst, weil es kein direktes Feedback gibt. Aber wir müssen das Beste aus der Situation machen“, sagt Lemmens.

Abstand halten, wie es im Alltagsumgang mit der Pandemie gefordert wird, ist in Kontaktsportarten unmöglich. Deshalb leiden Kampfsportler in diesen Wochen ganz besonders unter der Ungewissheit. „Kampfsport ohne Sparringspartner ist sehr schwierig, wir brauchen unsere Partner, um uns weiterzuentwickeln“, sagt Slavko Tekic. Der 50-Jährige ist leitender Landestrainer im Hamburger Judoverband und gleichzeitig Cheftrainer der Bundesligamänner des Hamburger JT. Am vergangenen Wochenende hätte seine Mannschaft mit einem Heimkampf gegen UJKC Potsdam in die Saison 2020 starten sollen.

Sportler mit Videotraining bei Laune halten

Stattdessen muss auch Tekic seine Sportler mit Videotraining bei Laune halten. „Ich schreibe zudem für jeden wöchentlich einen Trainingsplan, dessen Einhaltung ich auch kontrolliere. Wir halten Kontakt über WhatsApp und Zoom. Aber natürlich ist das kein Ersatz für Wettkämpfe“, sagt er. Seinen Kampfgeist hat der Serbe aber nicht eingebüßt. „Ich glaube, dass wir aus dieser Phase stärker zurückkommen werden. Die Jungs haben jetzt die Chance, an Defiziten zu arbeiten, für die sonst im normalen Wettkampfalltag keine Zeit bleibt. Und sie können Blessuren richtig auskurieren“, sagt er.

Wenn die Verbandshalle in Dulsberg vom 4. Mai an wieder unter Auflagen benutzt werden darf, kann er sich Training in Kleingruppen vorstellen, mit einem Trainer, der den nötigen Abstand hält, und in denen stets dieselben Sportler miteinander arbeiten und sogar im Training Schutzmasken tragen könnten, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Im Wettkampf ist das undenkbar. Masken würden bei jedem Kopftreffer im Boxen, jedem Angriff im Judo oder Karate verrutschen oder gar kaputtgehen, sie würden von Schweiß und auch Blut getränkt und dadurch wirkungslos werden.

Hoffen auf den September

„Wir werden für jede Herausforderung eine Lösung finden“, sagt Slavko Tekic. Seine Hoffnung ist, dass im September Wettkämpfe möglich sein werden. Bis August hat der Weltverband alle Turniere abgesagt, die Olympiaqualifikation für die in den Sommer 2021 verschobenen Tokio-Spiele wird wohl neu aufgerollt. Die Bundesliga könnte, glaubt Tekic, in Turnierform ihren Meister ermitteln. „Ich glaube, dass das HJT wie geplant im Herbst den Titel holt“, sagt er.

So lange möchten die Boxer nicht warten, bevor sie wieder in den Ring steigen. Die Sperrung aller Sportanlagen betrifft natürlich auch die Gyms der Profiställe EC (Normannenweg) und Universum (Große Elbstraße) ebenso wie die Verbandshalle am Braamkamp, in der Landestrainer Christian Morales normalerweise mit seiner aus Amateuren und Profis bestehenden Trainingsgruppe um Schwergewichtshoffnung Peter Kadiru (22) arbeitet. Um in Wettkampfform zu bleiben, brauchen sie Sparring.

Kommerzielle Anbieter leiden mehr als die Vereine

Deshalb will Universum-Chef Ismail Özen in dieser Woche den Behörden ein Konzept vorstellen, wie die Rückkehr in einen geregelten Kampfbetrieb aussehen könnte. „Wir würden die Sportler testen, sie dann in Quarantäne schicken und vor dem Kampf noch einmal testen, und wir würden in unserem Gym ohne Zuschauer veranstalten“, sagt er. Ähnliche Pläne hat auch EC-Chef Erol Ceylan. „Mein Gym ist darauf ausgelegt, dass ich Kämpfe fernsehgerecht durchführen kann. Wir würden Zuschauer ausschließen und die Veranstaltungen live im Internet streamen“, sagt er.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

Während die Profiställe und auch die Vereine, deren Mitglieder feste Beiträge zahlen, immerhin keine großen finanziellen Einbußen beklagen, leiden kommerzielle Kampfstudios wie das von Mark Leo Lemmens immens unter der aktuellen Situation. „Ich muss weiterhin meine Miete zahlen, habe also laufende Kosten, aber keine Einnahmen“, sagt der Karatecoach. Das Finanzielle sei aber dennoch nicht seine größte Sorge. „Mich treibt der Gedanke um, dass es vielleicht bis Jahresende keinen Kontaktsport geben wird.

Das ist undenkbar und wäre ein sehr harter Eingriff in das Leben aller Kampfsportler. Karate ohne Partnerkontakt ist wie Schwimmen ohne Wasser. Deshalb hoffe ich, dass es schnell Medikamente oder einen Impfstoff gibt, um das Virus in den Griff zu bekommen.“ Im Duell mit einem unsichtbaren Gegner bleibt auch Kampfsportlern nichts als Hoffnung auf Besserung.