Hamburg. Deutschlands erfolgreichster Hockeycoach ist seit Oktober Hamburgs Bundesstützpunktleiter. Er fordert Sondergenehmigungen.

Ein wenig überrascht hat sie ihn schon, die Entscheidung. Dass der Deutsche Hockey-Bund (DHB) und die Taskforce Bundesliga in ihrer Videokonferenz am Donnerstag beschlossen, die Vereine bis zu diesem Freitagnachmittag zu befragen, ob die Feldsaison 2019/20 abgebrochen oder die Entscheidung über die Aufnahme der Rückrunde vertagt wird, bis die Bundesregierung am 30. April möglicherweise weitreichende Lockerungen der Coronabeschränkungen beschließt, hält Markus Weise zwar für nachvollziehbar. „Natürlich hoffen alle, dass wir bald wieder spielen können. Aber solange es weder Medikament noch Impfstoff gibt, um das Coronavirus zu beherrschen, wird Kontaktsport nicht möglich sein. Deshalb glaube ich, dass wir in diesem Jahr keine Hockeyspiele mehr sehen werden“, sagt der 57-Jährige.

Seit 1. Oktober 2019 ist der erfolgreichste deutsche Coach der Olympiageschichte, der 2004 mit den Damen sowie 2008 und 2012 mit den Herren Gold gewinnen konnte, Bundesstützpunktleiter in Hamburg. Seine Hauptaufgabe ist es, die Strukturen zu schaffen, in denen sich der in Hamburg so erfolgsverwöhnte Hockeysport weiterentwickeln kann. Weise muss die Zusammenarbeit mit dem DHB und dem Olympiastützpunkt (OSP) in Dulsberg koordinieren, Kontakt mit Vereinen und Jugendauswahlteams halten und den Bau des am Hemmingstedter Weg geplanten Leistungszentrums vorantreiben. Aber er ist als Berater der Bundestrainer Kais al Saadi (Herren) und Xavier Reckinger (Damen) auch weiter in sportliche Belange eingebunden.

Spitzenathleten wollen ihre Wettkampfform halten

In dieser Funktion treibt ihn die Auswirkung des strikten Trainingsverbots sogar für die Olympiakader in Hamburg um. „Nachdem Hamburg am 16. März alle Sportanlagen geschlossen hatte, gab es eine Sondergenehmigung für den OSP. Die wurde zurückgenommen, da die Olympischen Spiele in den Sommer 2021 verschoben wurden. Das verstehe ich nicht, weil die Ausnahmeregelung sehr strikt war und wirklich gut funktioniert hat“, sagt er.

Training für die Topsportler sei in kleinen Gruppen und unter Auflagen nicht nur problemlos möglich, sondern immens wichtig. „Wir wollen ja, dass die Spitzenathleten ihre Wettkampfform halten, und nicht, dass sie jetzt komplett abtrainieren und dann irgendwann neu hochfahren müssen. Das wäre kontraproduktiv und sogar gesundheitsgefährdend“, sagt er. Im DHB hat man deshalb ein Konzept erarbeitet, mit dem die Rückkehr zum sinnvollen Trainingsbetrieb ermöglicht werden soll.

Angst vor den Kollateralschäden der Corona-Pandemie

Dieses beinhaltet, dass in stets gleich besetzten Kleingruppen geübt wird, angeleitet vom selben Trainer, sodass im Fall einer Coronainfektion nur ein Teil des Teams in Quarantäne gehen müsste. Zudem muss jeder Athlet einen zwölf Fragen zum persönlichen Infektionsrisiko umfassenden Gesundheitstest ablegen, der einen Arztbesuch verpflichtend macht, wenn nur eine Frage negativ beantwortet wird. „Das, was wir kontrollieren können, sollten wir öffnen. Beim Einkaufen oder im öffentlichen Nahverkehr gehen wir höhere Risiken ein, als es sie im Trainingsbetrieb gäbe. Wochen- oder gar monatelange Perspektivlosigkeit zermürbt und gefährdet die psychische Gesundheit“, warnt Weise.

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Schon jetzt befürchtet der Vater zweier Töchter, dass die Kollateralschäden, die die Coronapause mit sich bringt, extrem sein werden. „Je weiter man in den Nachwuchsbereich herunterschaut, desto deutlicher sieht man die Auswirkungen dessen, dass niemand seinem gewohnten Training nachgehen kann“, sagt er. Was die Wettkampfpause für Bundesliga- und Nationalspieler bedeutet, sei aktuell noch nicht abzusehen. „Fakt ist, dass es Mannschaften, wie wir sie gewohnt sind, derzeit nicht gibt. Wir haben nur Kader, die fleißig individuell trainieren. Aber die Wettkampfpraxis und die Gruppendynamik, die nur in Spielen entsteht, fehlen als Elemente komplett. Das verändert alles.“

Informationen zum Coronavirus:

Eine monatelange Spielpause wäre ein Novum im Hockey und würde die Olympiavorbereitung stark beeinträchtigen. „Aber man kann auch Positives sehen: Es geht weltweit allen so. Die Teams hätten jetzt Monate Zeit, um Grundlagen zu trainieren, zu denen man sonst nicht kommt“, sagt er. Das Problem sei, dass dazu Sondergenehmigungen nötig wären. „Wir haben Zeit geschenkt bekommen, dürfen dieses Geschenk aber nicht auspacken. Der Motivation ist das nicht zuträglich. Deshalb hoffe ich, dass die Stadt bald einlenkt.“