London. Der Traum-Sommer mit Fußball-Europameisterschaft und Wimbledon ist endgültig abgehakt. Auch der Tennis-Klassiker fällt aufgrund der Coronavirus-Pandemie aus. Wird in diesem Jahr überhaupt noch Profi-Tennis gespielt?

Das Coronavirus hat nun auch Wimbledon in die Knie gezwungen. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg findet der Klassiker des Tennis-Sports in diesem Jahr nicht statt.

Im Zuge der Absage der prestigeträchtigen Traditionsveranstaltung wurden auch die vier deutschen Rasen-Turniere in Stuttgart, Halle/Westfalen (beide Herren) sowie Berlin und Bad Homburg (beide Damen) im Juni gestrichen. Bis zum 13. Juli finden keine Tennis-Turniere statt, wie die ITF, ATP und WTA am Mittwoch gemeinsam verkündeten.

"Am Boden zerstört", meinte die Schweizer Tennis-Legende Roger Federer, die in Wimbledon in diesem Sommer so gerne zum neunten Mal triumphiert hätte. "Wir erleben schwierige Zeiten, wir werden jedoch daraus gestärkt hervorgehen." Im vergangenen Jahr hatte sich Federer in einem epischen Finale dem Serben Novak Djokovic geschlagen geben müssen. Einen neuen Anlauf zum Titel kann Federer nun erst vom 28. Juni bis 11. Juli 2021 nehmen, wenn die 134. Auflage nach einem Jahr Pause stattfinden soll.

Boris Becker zeigte Verständnis für die Absage. "Nachdem alle Turniere bis Juni schon gecancelled wurden, mussten die Verantwortlichen leider diese Entscheidung treffen", sagte der dreimalige Champion am Mittwochabend bei Eurosport. Dennoch hätte sich der in London lebende Leimener gewünscht, "dass man noch vier Wochen mit der Entscheidung wartet. Wenn man allerdings hier in London lebt, hört man viele Horrorgeschichten über den Virus. Insofern kann ich nachvollziehen, dass man sich diesem Druck beugen muss", sagte der 52-Jährige. Er glaube aber nicht, dass der Rasen-Klassiker durch die Absage wirtschaftliche Probleme bekomme.

"Ich kann kaum in Worte fassen, wie schwer mein Herz ist, dass die Absage der Rasen-Saison auch bedeutet, dass ich nicht in der Lage sein werde, vor meinem Heim-Publikum in Bad Homburg und Berlin spielen zu können", schrieb Angelique Kerber in den sozialen Netzwerken. Die deutsche Nummer eins fungiert auch als Botschafterin des neuen Turniers in Bad Homburg und hatte 2018 in Wimbledon triumphiert.

"Aber angesichts der aktuellen Lage rücken sportliche Belange erst einmal komplett in den Hintergrund. Momentan gibt es andere Prioritäten", sagte Kerber "Es ist ein bedauerlicher Schritt. Aber er ist vor dem Hintergrund der aktuellen Situation alternativlos", sagte Ralf Weber, Turnierdirektor der Noventi Open in Halle.

Während sich die Veranstalter in Halle und Bad Homburg bereits mit einer kompletten Absage in diesem Jahr abgefunden haben, hoffen sie in Berlin und Stuttgart noch auf die Verlegung auf einen späteren Termin in diesem Jahr. "Die Verschiebung der bett1open auf einen späteren Termin im Jahr 2020 ist für uns eine Option - aber nur dann, wenn sich die Lage soweit entspannt, dass auf der WTA-Tour wieder ohne Bedenken gespielt werden kann", sagte Turnierdirektorin Barbara Rittner.

Doch wann die Tennis-Tour überhaupt wieder zu einer Normalität zurückfinden kann, ist fraglich. In kaum einer anderen Sportart sind Spieler, Trainer und Schiedsrichter so sehr auf weltweite Reisefreiheit angewiesen. Der Boss der Australian Open zeichnete bereits ein Horrorszenario. "Meine persönliche Sicht ist, dass es für das Tennis schwer wird, in diesem Jahr noch mal zurückzukommen", sagte Craig Tiley dem "Sydney Morning Herald". "Wir müssen für den schlechtesten Fall planen und auf das Beste hoffen."

Der dreimalige Wimbledon-Sieger Becker dagegen meinte: "Wir sollten mit der Schwarzmalerei aufhören...natürlich wird dieses Jahr noch Tennis gespielt.". Doch wann das sein wird, ist mehr denn je offen. Als erstes wieder geplantes Turnier stehen nun die Hamburg European Open ab dem 13. Juli im Kalender. Doch auch deren Austragung ist ungewiss.

"Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht", sagte Ian Hewitt, Vorsitzender des All England Lawn Tennis Club. Angesichts der dramatischen Auswirkungen der Pandemie sei es aber im Sinne der öffentlichen Gesundheit die richtige Entscheidung.

Zuvor war bereits die komplette Sandplatz-Saison inklusive der French Open in Paris, die Ende Mai starten sollten, abgesagt worden. Der französische Tennisverband hatte die French Open eigenmächtig und offenbar ohne Absprache auf den Zeitraum vom 20. September bis 4. Oktober verlegt - und dafür mächtig Kritik eingesteckt. Nur eine Woche zuvor enden die US Open, die angesichts der dramatischen Coronavirus-Situation in New York aber ebenfalls fraglich erscheinen.