Düsseldorf . Jan-Lennard Struff besiegt in Düsseldorf Weißrusslands Topspieler Egor Gerassimow nach nicht einmal einer Stunde.

Anführer im Sport zeichnet aus, dass sie ihre Klasse nicht nur dort beweisen, wo Ergebnisse wichtig sind. Jan-Lennard Struff hatte am Sonnabendnachmittag im Castello Düsseldorf nur 58 Minuten gebraucht, um Weißrusslands Topspieler Egor Gerassimow (27) mit 6:3, 6:2 zu besiegen und den deutschen Tennisherren damit den Weg zur Daviscup-Endrunde in Madrid freizuschlagen. Doch als diese Aufgabe erledigt war, dachte der 29-Jährige aus Warstein, der die Auswahl von Bundestrainer Michael Kohlmann in Abwesenheit des Weltranglistensiebten Alexander Zverev (22/Hamburg) als Nummer eins in die Qualifikationspartie geführt hatte, längst weiter.

„Wir werden uns für unsere Fans etwas überlegen, damit wir auch in Madrid eine solche Unterstützung bekommen wie hier“, sagte Struff und erklärte sich sogar bereit, „einigen Fans Karten zur Verfügung zu stellen“. Hintergrund dieser bemerkenswerten Aussage: Weil der Weltverband ITF im vergangenen Jahr den traditionsreichsten Teamwettkampf des Weltsports reformiert und eine Endrunde mit 18 Nationen in Spaniens Hauptstadt anstelle von K.-o.-Runden mit Heim- und Auswärtsteams eingeführt hatte, genossen die deutschen Spieler die überragende Atmosphäre beim einzigen gemeinsamen Heimauftritt in dieser Saison intensiv.

Harmonie in der Mannschaft ist gut

So intensiv gar, dass der Kölner Andreas Mies (29), der mit Kevin Krawietz (27/Coburg) das Doppel gegen Ilja Iwaschka (26) und Andrej Wasilewski (28) 6:4, 7:6 (7:5) gewonnen und damit das wichtige 2:1 aufgelegt hatte, den deutschen Verband augenzwinkernd aufforderte, „den deutschen Fans Flüge nach Madrid zu bezahlen, damit wir dort auch so eine Stimmung erleben können.“

Nachdem Daviscup-Debütant Dominik Köpfer (25/Furtwangen) mit dem 6:0, 6:2 über Daniil Ostapenkow (16) den 4:1-Endstand erarbeitet hatte, musste Teamchef Kohlmann bei der Antwort auf die Frage, ob sein Team mit Zverev in Madrid eine Chance auf den Titel hätte, lange überlegen. „Wir waren im vergangenen Jahr ohne ihn auch schon kurz davor, das Halbfinale zu erreichen. Die Harmonie in der Mannschaft ist richtig gut, ich bin absolut stolz auf die Leistung, die sie gebracht hat. Aber natürlich erhöhen sich mit einem Top-Ten-Spieler die Chancen“, sagte er.

Struffi steht für Vollgas-Tennis

Tatsächlich ist die Frage, ob Zverev dem Teamgeist, den die Mannschaft auch in Düsseldorf ausstrahlte, schaden oder ihn – wie Anfang des Jahres beim neu eingeführten ATP Cup in Australien, als Struff und er die Einzel spielten – beleben würde, aktuell kaum zu beantworten. Außer Frage steht, dass sich Struff spätestens in seiner starken 2019er-Saison zu einem Spieler entwickelt hat, der diese deutsche Mannschaft führen kann. Im Herbst 2016 gewann er im Relegationsspiel um den Verbleib in der Weltgruppe beim 3:2 gegen Polen schon einmal zwei Einzelmatches im Daviscup. Der Struff von 2020 jedoch, der am Freitag gegen Ivaschka auch den Punkt zum 1:0 geholt hatte, ist ein Spieler, der ein ganz anderes Selbstvertrauen ausstrahlt. Der positive Emotionen zeigt und damit die Gegner beeindruckt. Und der, befeuert von einem überragenden Aufschlag – 12:1 Asse gegen Gerassimow verdeutlichen das –, in der Lage ist, Druck in Leistung zu kanalisieren.

„Wenn Jürgen Klopp für Vollgas-Fußball steht, dann steht Struffi für Vollgas-Tennis. Es wäre eine Beleidigung, ihn einen Schnellzug zu nennen. Das war ICE-Tempo“, sagte Kohlmann. Wie ein ICE, der ohne Verzögerungen im Betriebsablauf und ohne Zweite Klasse durch Düsseldorf rauschte, wirkte dieser 1,96-Meter-Hüne. Ob er derzeit so gut spiele wie noch nie, wurde Struff noch gefragt. „Vielleicht. Aber ich glaube, dass ich noch besser werde“, sagte er. So antworten Anführer.