Hamburg. Er ist seit fünf Jahren Daviscup-Teamchef. Der Führungsstil des 46-Jährigen hat das Herrentennis positiv verändert.

Er wird dort sitzen auf der Mannschaftsbank des deutschen Daviscup-Teams, in seinem schwarz-rot-goldenen Trainingsanzug, und wer ihn nur von Weitem sieht, der könnte glauben, dass er im nächsten Moment aufstehen und auf den Court gehen könnte, um selbst aufzuschlagen. Ein paar graue Haare sind ihm zwar gewachsen, seit er 2013 in Wimbledon die Tennisbühne als Aktiver verlassen hat. Aber Michael Kohlmann sieht mit seinem verschmitzten Jungengrinsen und dem zeitlosen Kurzhaarschnitt kaum anders aus als der Doppelspezialist, als der er sein Land früher im wichtigsten Mannschaftswettbewerb seines Sports vertreten hat.

Tatsächlich wäre, wenn Deutschland an diesem Freitag und Sonnabend im Düsseldorfer Castello gegen Weißrussland antritt, um sich für die 2019 eingeführte Daviscup-Endrunde im November in Spaniens Hauptstadt Madrid zu qualifizieren, Festtagskleidung für Kohlmann angemessener als der Trainingsanzug. Und das nicht nur, weil der 46-Jährige sein Fünfjähriges als Teamchef begeht. Sondern auch, weil er die Zeit, in der er die besten Schlägertypen der Republik anführen darf, als „Highlight des Jahres“ bezeichnet. „Die Daviscup-Wochen sind für mich immer noch etwas ganz Besonderes, zumal dann, wenn wir uns bei einem Heimspiel im eigenen Land präsentieren können“, sagt er.

Er kennt den Platz in der zweiten Reihe aus seiner aktiven Zeit

Bundestrainer in allen Sportarten kennen dieses Gefühl, abseits des Ligenbetriebs nur selten die Gelegenheit zu bekommen, ihre Arbeit im Lichte der Öffentlichkeit vorzuführen. Im Tennis jedoch, wo die Daviscup-Reform die Nationalmannschaftstermine auf nur noch zwei Wochen im Jahr limitiert hat, ist dieses Zeitfenster im Rampenlicht extrem­ klein. Wer ein großes Ego zu füttern hat, droht als Daviscup-Teamchef zu verhungern. Und wer dann, wie Michael Kohlmann, zudem noch eine Lichtgestalt wie Boris Becker als „Head of Men’s Tennis“ vorgesetzt bekommt, der hat es umso schwerer.

Dass Kohlmann unter dieser Konstellation indes überhaupt nicht leidet, sondern sogar floriert, mag viel damit zu tun haben, dass er den Platz in der zweiten Reihe schon aus seiner aktiven Zeit kennt. Als Einzelspieler schaffte er es 1998 zwar in die Top 100 der Weltrangliste, gewann aber kein ATP-Turnier und stand stets im Schatten von Weggefährten wie Tommy Haas, Nicolas Kiefer oder Rainer Schüttler. „Natürlich hätte ich als Spieler auch gern Trophäen hochgehalten, den Ehrgeiz dazu hatte ich. Aber ich kannte meine Grenzen und hatte nie ein Problem damit, mich damit zu arrangieren“, sagt er. Schon zu seiner aktiven Zeit habe er gemerkt, „dass mich der Trainerberuf interessiert. Tennis hat mich in all seinen Facetten begeistert, vor allem auch in der taktischen Ausrichtung. Damals, als viele Spieler meiner Klasse ohne Trainer unterwegs waren, war es selbstverständlich für mich, den anderen zu helfen. Das war der Beginn dessen, was ich heute in meinem Beruf mache.“

Becker spielt oft den aktiveren Part

Im Training mit den Spitzenspielern Jan-Lennard Struff (29/Warstein) und Philipp Kohlschreiber (36/Augsburg), die das deutsche Team gegen Weißrussland in Abwesenheit des Weltranglistensiebten Alexander Zverev (22/Hamburg) anführen, spielt Becker oft den aktiveren Part, er gibt Anweisungen und Ratschläge, während Kohlmann sich im Hintergrund hält. „Ich bin sehr froh, dass ich einen Mann wie Boris an meiner Seite habe. Er vermittelt den Jungs dieses Selbstverständnis, mit dem er mit Druck umgegangen ist. Für mich ist nicht wichtig, im Vordergrund zu stehen, sondern dass meine Arbeit von allen Seiten wertgeschätzt wird“, sagt Kohlmann.

Das klingt bescheiden, dennoch sollte niemand seinen Einfluss auf die Mannschaft unterschätzen. Der gebürtige Hagener, der mit seiner Familie – die Töchter sind drei und vier Jahre alt – in München lebt, hat enorm dazu beigetragen, dass im Daviscup-Team Eitelkeiten und Egoismus kein Thema mehr sind. „Michael spricht die Sprache der Spieler, er kommuniziert mit jedem sehr gut und hat sich deshalb eine hohe Akzeptanz erarbeitet“, sagt Klaus Eberhard, Sportdirektor im Deutschen Tennis Bund (DTB), dessen Kontrakt mit Kohlmann bis Ende kommenden Jahres läuft.

Teamorientiert und kollegial

Seinen Arbeitsstil beschreibt Kohlmann als teamorientiert und kollegial. „Ich versuche, Menschen zu begeistern und mitzunehmen, anstatt Vorgaben zu machen. Aber ich bin kein autoritärer Haudrauf-Typ“, sagt er. Wer ihn länger beobachtet, kann das bestätigen. Wenn Becker der Wirbelsturm ist, dann ist Kohlmann die leichte Sommerbrise. Aufbrausen kann aber auch er. „Es gibt ein paar Dinge, die mir wichtig sind, dazu zählen Disziplin und Leistungswille ebenso wie Harmonie“, sagt er. Ehrlichkeit und Offenheit seien unerlässlich, „wenn hinter meinem Rücken anders geredet wird als von Angesicht zu Angesicht, habe ich damit ein Problem“.

Michael Kohlmann arbeitet in den vielen Wochen, in denen er nicht die Elite durch den Daviscup navigiert, am liebsten mit dem Nachwuchs, um seine Botschaften dort anzubringen. Er reist mit zu Turnieren, besucht ständig die verschiedenen Bundesstützpunkte und hält so intensiv Kontakt. „Es ist sehr wichtig und extrem interessant, im Austausch mit den anderen Bundestrainern die Arbeit unserer Jugendlichen zu koordinieren und zu kontrollieren. Das füllt mich sehr gut aus“, sagt er. Auch deshalb sei für ihn durchaus vorstellbar, bis ans Ende des Berufslebens Tennistrainer zu sein, in welcher Funktion auch immer. Zunächst jedoch möchte er als Teamchef erreichen, was ihm als Spieler nicht vergönnt war: den Triumph im Daviscup. Er muss sich nicht im Rampenlicht sonnen, dieser Michael Kohlmann. Aber oben auf dem Siegerpodest stehen will er schon.