Hamburg. Die beiden Tennis-Routiniers wollen in ihrer Heimatstadt beim ATP-Challenger-Turnier wichtige Ranglistenpunkte holen.

Ob es schön wäre, die Zeit zurückzudrehen und noch einmal in die Karriere als Tennisprofi starten zu können, darüber denkt Mischa Zverev nicht nach. „Ich bin keiner, der in der Vergangenheit lebt. Ich habe mich mit dem abgefunden, was ich habe, und bin sehr zufrieden damit“, sagt er. Und das kann er auch: 32 Jahre ist Zverev mittlerweile alt, im Sommer 2017 stand er in der Weltrangliste auf Position 25 und hat in seiner Karriere 5,6 Millionen Dollar Preisgeld gewonnen. Mit seiner Frau Jewgenija und dem ein Jahr alten Sohn lebt er in Monte Carlo. Aber in diesen Tagen fühlt er sich dennoch ein wenig so, als sei er in eine Zeitmaschine geraten und an die Anfänge seiner sportlichen Laufbahn zurückgeschickt worden.

Wenn an diesem Montag im Leistungszentrum des Hamburger Verbands in Horn das in die Challenger-Serie – die zweite Liga hinter der ATP-Tour – aufgestiegene Herrenturnier startet, ist Mischa Zverev eines der Zugpferde. In Runde eins spielt er nicht vor 17 Uhr auf dem Center-Court gegen den zehn Jahre jüngeren Spanier Bernabe Zapata Miralles. Es ist ein klassisches Heimspiel für den in Moskau geborenen Hamburger, der in Horn als Jugendlicher viele Turniere absolvierte.

Heimatgefühle bei Mischa Zverev

„Als ich am Sonnabend zum ersten Mal in der Halle trainiert habe, war das, als würde ich nach Hause kommen, auch wenn ich nicht mehr erinnere, wann ich davor zum letzten Mal hier gewesen bin“, sagt der Linkshänder, der in dieser Woche mit seinem Coach Mischa Ledowski in seinem Elternhaus in Lemsahl wohnt. Frau und Kind sind mit seiner Mutter in Monte Carlo geblieben. Der Vater betreut den jüngeren Bruder Alexander (22) in Basel, wo der Weltranglistensechste in dieser Woche beim ATP-500er-Turnier aufschlägt. Erstrundengegner ist Taylor Fritz (USA).

Tobias Kamke kann Mischa Zverevs Heimatgefühle bestens nachvollziehen. Für den 33-Jährigen ist das Verbandszentrum in Horn Haupttrainingsstätte. „Ich kenne hier alles und bin sehr froh, dass es gelungen ist, dieses Turnier zum Challenger aufzuwerten. Das gibt mir die Chance, vor der eigenen Haustür ein wichtiges Turnier spielen zu können“, sagt der ATP-Newcomer des Jahres 2010, der seine höchste Ranglistenplatzierung im Januar 2011 mit Platz 64 erreicht hatte. Kamke spielt ebenfalls heute sein Erstrundenmatch gegen den Kasachen Alexander Nedowjesow (32).

Kamke ist auf Rang 237 abgerutscht

Die beiden Altmeister eint bei ihrem Heimspiel allerdings nicht nur die Aussicht auf ein paar schöne Tage in der Heimat. Sie wollen auch einen möglicherweise letzten Anlauf nehmen, noch einmal in die Top 100 der Welt zurückzukehren. Der Weg dorthin ist weit. Kamke ist auf Rang 237 abgerutscht, Zverev wird sogar nur noch an Position 295 geführt. 80 Weltranglistenpunkte kann der Sieger in Hamburg gewinnen; auch deshalb ist das Teilnehmerfeld trotz der krankheitsbedingten Absage des topgesetzten Schweden Mikael Ymer (21) ein illustres. Aufstrebende Talente wie Rudi Molleker (18/Berlin), Louis Wessels (21/Bielefeld) oder Daniel Altmaier (21/Kempen) sowie gestandene Daviscupspieler wie die Belgier Steve Darcis (35) und Ruben Bemelmans (31) oder der Spanier Tommy Robredo (37), der 2006 am Rothenbaum siegte, als das Turnier dort noch Mastersstatus hatte, sind am Start.

„Das Problem an der Challenger-Tour ist, dass die Spieler auch dort ein so hohes Niveau haben, dass man für jeden Sieg hart arbeiten muss“, sagt Tobias Kamke. Der frühere Daviscupspieler hat in dieser Saison zwölf Wochen wegen einer Entzündung an der Hüfte pausieren müssen, konnte zwischen April und Juni keine Turniere spielen. Für den gebürtigen Lübecker, der stets über seine Physis Spiele entschied, eine völlig neue Erfahrung. „Ich habe das leider anfangs nicht ernst genommen und zu früh zu viel gewollt. Ich bin aber in einem Alter, in dem man auf die Signale des Körpers hören muss. Das habe ich jetzt gelernt“, sagt Kamke, der im Doppel mit seinem Kumpel Julian Reister antritt.

Noch kein Plan B für die Zeit nach dem Leistungssport

Der 33-Jährige hatte seine aktive Karriere im Oktober 2016 beendet und arbeitet nun als Trainer mit Kamke zusammen. „Als Tobi mich fragte, ob ich mit ihm Doppel spielen will, hielt ich das für einen Witz. Aber jetzt habe ich tierisch Lust darauf“, sagt der Reinbeker, der den Sprung in die Karriere nach der Karriere geschafft hat. Neben der Arbeit als Coach hat er ein Studium des Immobilienmanagements absolviert.

Über den Plan B für die Zeit, wenn es mit dem Leistungssport vorbei ist, wollen Kamke und Mischa Zverev noch nicht zu viel nachdenken. „Ich möchte noch drei, vier Jahre spielen. Solange ich Spaß daran habe, mich für den Sport zu quälen, mache ich das“, sagt Kamke, der die letzten Turniere des Jahres nutzen möchte, um sich möglichst unter die besten 200 durchzuschlagen und damit eine gute Ausgangsposition zu schaffen, 2020 noch einmal die Hauptfelder der ATP-Tour erreichen zu können.

Die Challenger-Serie hinter sich zu lassen, das ist auch das Ziel von Mischa Zverev. Wie das geht, weiß er aus leidvoller Erfahrung. Im März 2015 war er nach einer Serie körperlicher Rückschläge auf Rang 1067 abgestürzt. „Auch damals habe ich nicht grundsätzlich gezweifelt, sondern weiter hart gearbeitet. Ich kann nichts nebenbei machen. Entweder ganz oder gar nicht, und noch macht mir Tennis so viel Spaß, dass ich alles geben will, um noch einmal dorthin zu kommen, wo ich schon war“, sagt er. Und damit ist nicht die Rückkehr zu seinen Wurzeln gemeint.