Hamburg. Der Super-Bowl-Sieger gibt beim Pilotprojekt der NFL den prominenten Coach. Auch die Basketballliga NBA drängt an Schulen.

Als Sebastian Vollmer zum Abschluss seine NFL-Meisterschaftsringe aus dem Rucksack holt, wissen nur Insider um den Wert der schweren Klunker. Mehr als 30.000 Euro kosten die mit Diamanten besetzten Schmuckstücke in der Herstellung. Pro Stück. Der ideelle Wert jedoch ist unersetzbar, wie der zweimalige Super-Bowl-Sieger den Elf- und Zwölfjährigen verdeutlicht. „Im Finale zu stehen und es zu gewinnen ist pure Euphorie. Einen größeren Moment gibt es kaum“, sagt der Ex-Profi, der von 2009 bis zum Karriereende 2016 in den USA in der stärksten Football-Liga der Welt für New England auflief.

Die Patriots um US-Star-Quarterback Tom Brady (42), Vollmers Kumpel aus gemeinsamen Tagen, sind als Titelträger bis heute das Maß aller Dinge. Das wird auch in Deutschland zunehmend registriert. Zum Saisonstart 2019/20 am vergangenen Sonntag verzeichnete Free-TV-Sender ProSieben Maxx mit bis zu 8,0 Prozent Marktanteil einen Rekordwert. „Es ist erstaunlich, wie sich Football hierzulande entwickelt. Die Zahl der NFL-Fans wächst jedes Jahr. Und neben dem reinen Interesse an der Liga wollen viele Kinder und Jugendliche selbst anfangen zu spielen“, sagt Vollmer, der für das deutsche Publikum als TV-Experte beim Streamingdienst DAZN die Spiele kommentiert.

NFL liefert das Equipment

Am Mittwochmorgen tauschte der 35-Jährige Mikrofon gegen Trillerpfeife. „One, two, three – Flag“, rief „Coach Sebastian“ seinen Schützlingen im Luruper Sportpark Vorhornweg zu. Die 50 Schüler und Schülerinnen stimmten lautstark mit ein, ehe sie sich auf ihre Aufwärmrunde begaben. Im Rahmen des NFL-Flag-Football-Programms kamen sie in den Genuss einer prominenten Trainingsstunde. Mitte August war die bundesweite Premiere der Schulkooperation in der kontaktärmeren Footballvariante in Hamburg gestartet. Gemeinsam mit den Hamburg Blue Devils initiierte die NFL zum Schuljahresstart ihr Pilotprojekt in Deutschland.

„Die Anfrage kam vor drei Monaten“, berichtet Maximilian von Garnier (48), Blue-Devils-Vorstand, Coach und Ex-Spieler, „wir haben sofort zugesagt.“ Die Devils, deren Männerteam bis zur Insolvenz 2003 vier Meistertitel feierte, stellen die Trainer, sind einmal wöchentlich in den Schulsportstunden vor Ort, leiten die dortigen Lehrkräfte an. Die NFL liefert das Equipment: Bälle, Flaggürtel, Trikots.

Erst der Anfang

20 Schulklassen hätten sich auf den kurzfristigen Aufruf in den Sommerferien beworben, zehn Schulen – von Klasse sechs bis acht – seien letztendlich ausgewählt worden. Die übrigen kommen auf die Warteliste: Schließlich sei es erst der Anfang, „die NFL möchte das Programm auch im kommenden Jahr fortführen“, sagt von Garnier. Dann möglicherweise auch in anderen Städten.

Als Blaupause dient London, wo die NFL vor fünf Jahren in die Schulen ging, mittlerweile sind in England über 100 Schulen beteiligt. „Es wird eine richtige Meisterschaft ausgespielt“, sagt von Garnier. Einen sogenannten School Bowl, ein Finalturnier, wird es zum Abschluss Mitte November auch in Hamburg geben. Noch wird eine passende Halle gesucht.

„Die Kinder waren von Anfang begeistert. Alle wollten mitmachen, auch die Mädchen“, berichtet Sportlehrerin Julia Punke (28) von der Stadtteilschule Lurup: „Und die Kids wollen nach Florida.“ Dorthin geht es für die Siegerklasse des School Bowls, die NFL spendiert im Januar Flüge nach Orlando zum Pro Bowl, dem Allstar-Spiel der US-Profis. Flag-Football ist seit jeher die Einstiegsvariante in den für Gehirn und Knochen nicht ungefährlichen Kollisionssport American Football. Die Kinder spielen ohne Helm und Schutzkleidung. Im Fünf-gegen-Fünf tragen sie einen Gürtel mit zwei Bändern, den Flags, die der Gegner versucht abzureißen. „Die Grundtechniken – Werfen, Fangen, Laufen – sind die Gleichen“, so von Garnier.

NBA plant Junior League

Die Ziele der Kooperation sind mannigfaltig. „Alle waren eineinhalb Stunden draußen, haben sich bewegt, Lust auf Football bekommen und die Werte unseres Sports wie Fleiß und Disziplin kennengelernt“, sagt Vollmer, der erst im Alter von 17 Jahren in seiner Düsseldorfer Heimat Neuss zum Football kam: „Ich hätte mir solch ein Programm damals gewünscht.“ Die NFL verstehe es, auf den Nachwuchs und den deutschen Markt zuzugehen, „erst einmal nur zu investieren“, hebt von Garnier hervor. Der deutsche Verband ist nicht beteiligt. „Noch nicht“, wie von Garnier sagt.

Das wird im Basketball anders sein. Dort drängt die US-Profiliga NBA nach Hamburg. Im zweiten Schulhalbjahr ist eine Junior League mit bis zu 31 Schulen, die jeweils ein NBA-Profiteam nachspielen, geplant. Die Hamburg Towers sind mit der Koordination betraut, Sportjugend und Stadt wollen die im Ganztag der Schulen integrierten Trainingsstunden fördern. Noch ist deFootball r finale Vertrag zwischen Deutschem Basketball Bund und NBA jedoch nicht unterschrieben.