Hamburg. Der Regisseur von „Das Wunder von Bern“ ist ein Fan. Vor allem die Stimmung beim Beachvolleyball sei besonders.

Sein Kinodebüt „Aus der Tiefe des Raumes“ (2004) war eine skurril-liebenswerte Hommage an Fußball-Legende Günter Netzer. Einen Namen hat sich Gil Mehmert (54) indes als Theaterregisseur gemacht, insbesondere in Hamburg, Hier brachte er 2014 im Stage Theater an der Elbe das Musical „Das Wunder von Bern“ zur Uraufführung, im Vorjahr inszenierte er an den Kammerspielen die HSV- und Business-Komödie „Heiß und 2 Liga“. „Auf meiner Nachrichten-Website gucke ich immer erst auf den Sportteil, erst danach ins Feuilleton“, verriet Mehmert damals: Und der Borussia-Mönchengladbach-Fan aus Essen ist auch zu einem Beachvolleyball-Anhänger geworden – die vorige Beach-WM 2017 auf der Donauinsel in Wien erlebte er selbst mit. Ein Gespräch über Inszenierung im Sport und speziell im Beachvolleyball.

Herr Mehmert, war das 2017 in Wien Ihre erste Live-Erfahrung mit dieser Sportart, und wie kam es zum WM-Besuch?

Gil Mehmert Das Interesse für Beachvolleyball haben über die Jahre tatsächlich die Medien geweckt, insbesondere auch die wachsende Berichterstattung über größere Turniere. Im Vorfeld von Olympia 2016 bin ich dann auf das Duo Ludwig/Walkenhorst aufmerksam geworden. Abgesehen von der sportlichen Qualität und der fokussierten Herangehensweise an die Olympia-Teilnahme hat die lokale Kombination Hamburg/Essen natürlich auch meine Aufmerksamkeit erregt, da beide Regionen in meinem Leben wichtig sind. Da meine Frau eine Wohnung in Wien hat, waren wir zur WM gerade vor Ort und haben uns die Chance nicht entgehen lassen, dem Event beizuwohnen.

Galten Ihre Augen allein dem Team Laura Ludwig/Kira Walkenhorst, also mehr den Frauen oder auch den Männern?

Sehr besonders finde ich beim Beachvolleyball, dass – anders als bei anderen Sportarten – sowohl Nation und Geschlecht der Aktiven nicht unbedingt das Hauptinteresse sind, diesen attraktiven Sport zu verfolgen.

Wie haben Sie die Stimmung in Wien empfunden – überkandidelt, euphorisch oder sogar nationalistisch?

Die Atmosphäre habe ich als mitreißend empfunden. Selbst ein Westfale wie ich ließ sich dort gerne aus der angeborenen Reserviertheit locken und zum Teil der Gesamtstimmung machen.

Wie sehr haben Sie als renommierter Regisseur die Beach-WM in Wien als Inszenierung erlebt?

Obwohl ich in meinem Genre, dem Theater, mit Interaktion zurückhaltend bin und mir für mich selbst als Zuschauer wenig Schlimmeres vorstellen kann, als direkt angesprochen oder sogar auf die Bühne gezerrt zu werden, empfand ich die Manipulation der Zuschauer noch durchaus im geschmackvollen Bereich.

Ist die breite Masse heutzutage, da Beifall fast nur mit sogenannten Klatschpappen der Sponsoren erzeugt wird, womöglich sogar dankbar für derlei Anleitungen? Sind die Besucher träger und damit weniger spontan geworden?

Ich empfand es eher so, dass anders als im Fußballstadion eine Gemeinschaft und ein angenehmes Grund-Level an Stimmung erzeugt werden. Natürlich ist dieser Sport an sich mit einer höheren Dichte an attraktiven Aktionen und Punktgewinnen ausgestattet, sodass ohnehin viel passiert und entsprechend häufig reagiert wird. Wie oft hat man schon bei anderen Ballsportarten das Bedürfnis, im Kollektiv zu applaudieren?

Elemente wie Animation und Musik-Jingles des Fun-Sports Beachvolleyballs haben ja längst auch in den andere Disziplinen Einzug gehalten, Passt das noch ?

Das sind ja schon fast sportphilosophische Betrachtungen. Mir fällt natürlich auf, dass ich selbst bei großen Events im Beachvolleyball noch das Gefühl einer überschaubaren Zuschauermenge zu haben glaube, in der man sich als Individuum nicht verliert, sondern deren Grundklima man mitgestalten kann. Das fällt im Fußballstadion eher weg.