Krefeld.

Den Präsentkorb, den ihm der Deutsche Hockey-Bund (DHB) für sein 200. Länderspiel überreicht hatte, hielt Florian Fuchs fest im Arm. Seine Laune konnten die Leckereien allerdings nur marginal aufhellen. „Es ist ärgerlich, dass wir es wieder nicht auf die Kette gekriegt haben. Wir sind einfach nicht konsequent genug, haben hinten und vorn viel Optimierungsbedarf“, klagte der Hamburger Nationalstürmer in Diensten des niederländischen Meisters HC Bloemendaal, nachdem die deutschen Herren im neuen Nationenwettstreit Pro League mit einer 1:2-Niederlage gegen Australien ihre letzte Chance auf eine Teilnahme am Final-Four-Turnier Ende Juni in Amsterdam eingebüßt hatten.

Zwar war die starke Leistung gegen den Tabellenführer ein Stück Wiedergutmachung für die historische 0:8-Pleite gegen Belgien vom vergangenen Mittwochabend, „aber weil Hockey ein Ergebnissport ist, sind wir trotzdem enttäuscht“, sagte Bundestrainer Stefan Kermas. Seine Auswahl, die am Sonntag ihr letztes Hauptrundenspiel absolvierte, ist zwar noch punktgleich mit dem Vierten Argentinien, der Olympiasieger hat allerdings mehr Spiele gewonnen und stünde auch dann noch vor Deutschland, wenn seine letzten beiden Partien in Belgien und den Niederlanden verloren gingen. Kermas kann deshalb seinem Team nun eine dreiwöchige Pause genehmigen, ehe die Vorbereitung auf die EM in Antwerpen (16. bis 25. August) beginnt. „Die haben wir dringend nötig, um nach den Belastungen der vergangenen Wochen den Kopf freizukriegen“, sagte er.

Sein Damen-Pendant Xavier Reckinger sieht das ähnlich, muss den Urlaub indes ein wenig hinausschieben. Sein Team steht, da Belgien gegen Neuseeland 0:3 verlor, trotz der 1:3-Niederlage gegen Australien im letzten Heimspiel als Final-Four-Teilnehmer fest und hat zudem am Sonnabend noch das Auswärtsspiel in den USA auf dem Plan. „Das ist schon ein krasses Programm“, sagte Kapitänin Janne Müller-Wieland vom Uhlenhorster HC, die in Krefeld ihr 300. Länderspiel machte.

In ihrer Bewertung der Premierensaison sind sich die Bundestrainer und die Auswahlakteure einig. Sportlich sei die Pro League eine Bereicherung, „weil es uns weiterbringt, auf hohem Niveau Spiele unter Wettkampfbedingungen zu haben“, meinte Selin Oruz vom Düsseldorfer HC. „Individuell haben sich gerade die jungen Spieler toll weiterentwickelt“, sagte Kermas. Zwar ist der sportliche Wert überschaubar, es geht nur um Punkte für die Weltrangliste, die über die Ansetzungen für die Olympiaqualifikation im Herbst entscheidet. Deutschland ist dort mit Damen und Herren unter den Topnationen gesetzt und hat zwei Heimspiele gegen eine schwächere Nation sicher. Das Olympiaticket ist über die Pro League nicht zu lösen, direkt qualifizieren sich nur die Kontinentalmeister, weshalb der EM in Belgien höhere Bedeutung beigemessen wird.

Umso problematischer stellt sich die Belastung durch den neuen Wettbewerb dar. „Es ist körperlich mehr als grenzwertig, was uns zugemutet wird“, sagte Florian Fuchs, einer der athletischsten Spieler im Team. Das Problem: In Deutschland, Belgien und den Niederlanden nimmt der Ligenbetrieb deutlich mehr Raum ein als in anderen Nationen. Wer für seinen Verein und die Auswahl spielt, hat kaum Pausen.

„Wir haben versucht, das über Rotation in den Griff zu bekommen, aber so viel kann man gar nicht rotieren“, sagte Reckinger. Durch die ständigen Personalwechsel wird einerseits das Vorhaben, in der Pro League die besten Teams gegeneinander antreten zu lassen, ad absurdum geführt. Andererseits steigt durch die Überlastung die Verletzungsgefahr. Am Sonntag erwischte es die Hamburger Nationalstürmerin Charlotte Stapenhorst (UHC), die bei einem Zusammenprall mit einer Gegenspielerin vermeintlich einen Kreuzbandriss im linken Knie erlitt. Eine MRT-Untersuchung soll am Montag Aufschluss geben.

Für zusätzlichen Verdruss sorgte die Vergabe des zweiten Heimspielblocks mit neun Heimspielen innerhalb von dreieinhalb Wochen nach Krefeld. Dass am Sonntag nur 1324 Zuschauer zum Heimspielfinale kamen, durfte da niemanden verwundern. Der DHB hatte unter dem am 25. Mai abgewählten Präsidium zudem versäumt, die Vermarktung des neuen Wettbewerbs angemessen voranzutreiben. In Holland, Belgien oder England wurden die vom Weltverband FIH geforderten 4000 Zuschauer pro Spiel meist erreicht.

Für die kommende Saison fordert Reckinger ein Entgegenkommen des Weltverbands. „Wir müssen die Heimspiele besser verteilen und auch mal in Clubs gehen, die keine Tribüne für 4000 Fans haben. Außerdem brauchen wir mehr Zeit zwischen den Spielen, es geht nicht, dass wir Freitagabend in England spielen und Sonntagmittag schon wieder zu Hause.“ Immerhin hat die FIH angekündigt, die Auswärtsreisen zu entzerren. So spielen die deutschen Teams 2020 zweimal daheim gegen Australien und Neuseeland, dafür 2021 je zweimal auswärts in „Down Under“.

Im neuen DHB-Präsidium will man nun abwarten, wie der Weltverband die Premierenspielzeit abschließend bewertet. Mitmachen will man in jedem Fall weiterhin. „Das ist ein guter Wettbewerb“, sagte die neue Präsidentin Carola Meyer, „aber was Ausrichtung und Vermarktung angeht, können wir noch zulegen.“ Wenn es um die körperliche Belastung geht, gilt das nicht.