Hamburg. AFC siegt im “Zitterspiel“ mit 2:1 beim SC Condor. Trainer Algan genießt das Bad in der Menge. Nun soll Regionalliga-Aufstieg her.

Die Siegesfeier erfüllte die Erwartungen. „Wer ist Hamburgs Meister? A...A...A...AFC!“, skandierten die 300 mitgereisten Fans von Altona 93 und vereinigten sich mit ihren Lieblingen zu einer einzigen großen Jubeltraube. Mittendrin Chefcoach Berkan Algan, der am liebsten alle seine Spieler und jeden einzelnen Altona-Fan an sein großes Fußballerherz drücken wollte, das Bad in der Menge sichtlich genoss. Verständlich, denn der Triumph, der Altona 93 mit dem 2:1 am Berner Heerweg gelang, ist einer von historischer Dimension. Es ist die erste Hamburger Meisterschaft seit 1950 für den Hamburger Amateurfußballclub, der die Fans elektrisiert wie kein zweiter in Hamburg.

Die Partie, mit der der Triumph vollbracht wurde, war jedoch überraschenderweise nichts für schwache Nerven. „Was für ein Zitterspiel“, stöhnte Altonas Manager Andreas Klobedanz unmittelbar nach der erlösenden Umarmung mit Trainer Algan. Der Tabellenvorletzte SC Condor ärgerte Favorit Altona, der für den vorzeitigen Titelgewinn zwingend siegen musste, mit einer besseren B-Elf. Der schicke Lupfer von William Wachowski zur Führung (11.) verschaffte dem AFC keine breite Brust. Condors Michael Löw nutzte einen kapitalen Bock von Altonas Eudel Monteiro gar zum Ausgleich (26.). Altona schlug mit dem 2:1 durch eine Ecke von Onur Saglam zurück, die Condors Keeper Stanislaw Lenz ins eigene Netz lenkte (28.), beschränkte sich aber gegen lange Zeit defensive und sehr kämpferische Condoraner zu oft auf die Spielkontrolle sowie Quer- und Rückpässe – und geriet in der Schlussphase in arge Bedrängnis.

Was den neuen Hamburger Meister in dieser Spielzeit auszeichnete – das schnelle, kreative und torreiche Kombinationsspiel – war höchstens in Nuancen zu erkennen. „Man hat gesehen, dass bei uns irgendwann Blei in den Beinen steckte“, sagte Manager Klobedanz. Und Altonas Präsident Dirk Barthel gab zu, er sei „ein paar Jahre älter geworden“.

Altona stand zu Algan – und erntet nun den Lohn

Trotzdem wäre es unfair, den spielerisch schwachen Auftritt Altonas allzu hoch zu hängen. Denn der „wundervolle Titel“ (Barthel) einer „zusammengewürfelten Truppe, die jetzt Meister ist“ (Shootingstar Hischem Metidji), der „für uns und unsere geilen Fans“ (Torwart Tobias Grubba) die ganze Saison lang „mit aller Macht angestrebt worden ist“ (Trainer Berkan Algan), ist wichtiger – und hat nennenswerte Gründe. Es lag nämlich nicht nur am schwächelnden Ex-Abo-Meister TuS Dassendorf, dass die Meisterschaft eingefahren wurde.

Die runderneuerte Mannschaft wurde nach dem Abstieg clever und technisch hochwertig neu bestückt, taktische Schachzüge von Trainer Algan wie die Versetzung von Stürmer Marco Schultz auf die Sechserposition, von der er das Spiel lenkte und 20 Treffer erzielte, gingen auf. Der Rückhalt von ganz oben war Algan zudem gewiss. Im Oktober 2017 – die Aufstiegseuphorie beim damaligen Regionalligisten Altona 93 war längst verflogen – verlängerte der Verein den Vertrag seines Trainers.

Auch den sang- und klanglosen Abstieg in die Oberliga Hamburg nahm der Club hin, ohne den zu diesem Zeitpunkt in der Fanszene keinesfalls unumstrittenen Coach zu wechseln. Das hat viel zu tun mit der „Lurup-Connection“ im Verein. Manager Klobedanz, Trainer Algan und die Firma Perlwitz-Armaturen als großer Sponsor neben Präsident Barthel arbeiteten schon in Lurup erfolgreich zusammen, realisierten 2015 den Luruper Aufstieg von der Landesliga in die Oberliga, bevor sie Ende August 2015 alle gemeinsam bei Altona 93 anheuerten. Zwischen die Protagonisten passt kein Blatt Papier, man geht gemeinsam durch dick und dünn.

In der Aufstiegsrunde will Altona die Saison krönen

Selbst potenzielle Störfeuer wie der kurz vor dem Meiendorf-Spiel am 21. April publik gewordene Abgang von Mittelfeld-Ass Vincent Boock – ausgerechnet zum Titelrivalen Teutonia 05 – wurde trotz großen Risikos konsequent abmoderiert. Altona fühlte sich bei den Gesprächen über eine Vertragsverlängerung hintergangen (was Teutonia im Namen des Spielers vehement dementierte), also wurde Boock freigestellt. Sehr unwahrscheinlich, dass er bis Saisonende noch einmal für Altona aufläuft.

Das Signal aus Altonas Sicht an das eigene Team war klar: Auch überragende Spieler dürfen die Grenzen nicht verletzen. Das kam an in der Mannschaft, sie siegte weiter. Boocks Fehlen fiel in den folgenden vier Spielen kaum auf, der Fünf-Punkte-Vorsprung auf Teutonia wurde ins Ziel transportiert.

Nun soll der große Coup folgen: der Wiederaufstieg! In der Aufstiegsrunde beim Bremer SV (22. Mai) und gegen den Heider SV (26. Mai) muss der AFC Zweiter werden, um wieder Regionalligist zu sein. „Wir werden die Meisterschaft ruhig feiern, wir wollen ja noch aufsteigen“, sagte Innenverteidiger Seyhmus Atug. „Dieser Titel“, erklärte Torwart Grubba energisch, „war nur der erste Schritt.“ In Altona, an der Adolf-Jäger-Kampfbahn, sollen am Saisonende alle Träume wahr werden.