Hamburg. Sie war zehn Jahre alt, als sie bei den Olympischen Spielen 2012 Britta Heidemanns dramatische Kämpfe live am Bildschirm sah.

Es kann eben doch zu etwas gut sein, sein Kind vor den Fernseher zu setzen. Xenia Maul war zehn Jahre alt, als sie bei den Olympischen Spielen 2012 in London Britta Heidemanns dramatische Kämpfe live am Bildschirm sah. Die Degenfechterin aus Leverkusen gewann nach mehreren Nervenschlachten die Silbermedaille – und in Hamburg wusste ein junges Mädchen plötzlich: Das ist der Sport, den ich machen will!

Sieben Jahre später sitzt Xenia Maul in der Sporthalle ihres Vereins TH Eilbeck an der Ritterstraße und soll auf die Frage antworten, wie sie mit der oft geäußerten Einschätzung zurechtkäme, in Hamburg mit seinen 14 Clubs (rund 800 Mitglieder, 350 davon Turnierfechter) das Toptalent zu sein. „Ich lasse das von außen gar nicht so an mich herankommen, aber ich selbst mache mir schon Druck, denn natürlich möchte ich möglichst erfolgreich sein“, antwortet die Elftklässlerin der Brecht-Schule am Berliner Tor. An diesem Wochenende tritt sie in Weinheim zu den deutschen U-17-Meisterschaften an und eine Woche später bei den nationalen U-20-Titelkämpfen in Schwerin.

Lauf- und Krafttraining mag sie nicht besonders

Lars Hagge hat wenig Zweifel daran, dass seine Vorzeigeschülerin, die 2018 in München U-17-Vizemeisterin wurde, ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden wird. Der 51-Jährige trainiert Maul, seit sie 2012 zur ersten Probeeinheit angetreten war. „Eine wie sie hatten wir in Hamburg lange nicht“, sagt er. Die 179 Zentimeter große Athletin, die früher Leichtathletik, Ballett und Reiten betrieb, sei vor allem taktisch ein Naturtalent. „Sie hat sich von Beginn an auf der Bahn sehr intelligent verhalten. Alles andere kann sie sich erarbeiten.“

Das tut die Florettspezialistin, die mit ihren Eltern und ohne Geschwister in Glinde lebt, mit viel Ehrgeiz. Dreimal pro Woche trainiert sie mit Hagge technisch und taktisch, bis zu dreimal zusätzlich im athletischen Bereich – wobei sie zugibt, „dass ich Lauf- und Krafttraining nicht besonders mag.“ Sie selbst sieht sich „noch am Anfang meiner Entwicklung“, der Trainer hingegen sagt: „Ihr Repertoire hat sich verfestigt, jetzt geht es daran, die individuellen Stärken herauszuarbeiten und die Fokussierung auf die Gegner zu optimieren.“

Weitere Erfahrungen sammeln

Den Wechsel an einen der Florett-Bundesstützpunkte Tauberbischofsheim und Bonn, der ihr im Verband bereits nahegelegt wurde, hat Xenia Maul zunächst verworfen. Den Mangel an starken Trainingspartnerinnen gleicht sie durch regelmäßige Aufenthalte in Tauberbischofsheim aus, wo sie auch mit Leonie Ebert (20) übt. Vor der aktuellen Weltranglistensiebten habe sie „großen Respekt, ich lerne viel von ihr, wenn ich dort trainiere.“ Dauerhaft das gewohnte Umfeld zu verlassen, dazu gebe es indes noch keinen Grund, sagt auch Trainer Hagge. „Wenn sie nächstes Jahr ihr Abitur bestanden hat, werden wir die Situation neu bewerten.“

Zunächst aber steht, wenn die letzten Saisonhöhepunkte in zehn Tagen abgeschlossen sind, für die im August beginnende Saison 2019/20 die erneute Qualifikation für die Junioren-Weltcups an, auf deren Niveau sie bereits mithalten kann. Bei ihrem ersten Auftritt im Erwachsenen-Weltcup Anfang Mai in Tauberbischofsheim scheiterte sie indes in der Vorrunde. „Da hat man gesehen, dass es noch an Erfahrung fehlt“, sagt Lars Hagge.

Xenia Maul hat sich fest vorgenommen, viele weitere Erfahrungen zu sammeln. Die Teilnahme an einer Europameisterschaft hält sie für realistisch, Olympia sei ein Traum. Aber wer weiß: Vielleicht ist sie es irgendwann, der junge Mädchen im Fernsehen zuschauen und danach unbedingt fechten wollen.