Turin. De Ligt & Co. sorgen mit dem Einzug ins Halbfinale für Begeisterung – und Unglauben in den eigenen Reihen. Turins Aktie stürzt ab.

Siegtorschütze Matthijs de Ligt war nach dem sensationellen Einzug von Ajax Amsterdam ins Halbfinale der Champions League völlig überwältigt. "Es ist bizarr, nicht normal. Ich habe keine Worte", sagte der erst 19 Jahre alte Kapitän nach dem 2:1 (1:1)-Erfolg bei Juventus Turin um Superstar Cristiano Ronaldo bei BT Sport.

De Ligt hatte in der 67. Minute per Kopf das 2:1 erzielt und Ajax damit erstmals nach 22 Jahren in die Vorschlussrunde der Königsklasse gebracht. "Wir haben Real und Juventus besiegt, zwei Titelkandidaten. Ich war noch gar nicht geboren, als wir zuletzt im Halbfinale waren", sagte der Innenverteidiger.

Auch sein Trainer Erik Ten Hag geriet ins Schwärmen nach dem Coup. "Es ist ein fantastischer Abend für Ajax und den niederländischen Fußball. Mit unserer Philosophie können wir unsere Grenzen überschreiten", sagte der 49-jährige Niederländer.

Italienische Presse reagiert geschockt

Die italienischen Medien reagierten indes geschockt auf das Aus des nationalen Rekordmeisters. "Apokalypse", titelte der Corriere dello Sport. Die Gazzetta dello Sport schrieb: ""Endstation! Champions League Adieu. Verheerende Enttäuschung für Juve."

Dagegen herrschte in den Niederlanden große Freude, dass ihr Renommierklub nach 22 Jahren wieder das Halbfinale der Königsklasse erreicht hat. "Die magische Tour von Ajax durch Europa hört einfach nicht auf", schrieb das Algemeen Dagblad.

Der nächste Gegner für Ajax heißt nun entweder Manchester City oder Tottenham Hotspur, das Hinspiel in London endete 1:0 für die Spurs.

Van der Vaart jubelt im Wohnzimmer

Dann wird auch Rafael van der Vaart seinem Jugendclub mindestens wieder vor dem Fernseher die Daumen drücken. Am Dienstag hatte es der Ex-Profi im Gegensatz zur vorigen Runde gegen Madrid zwar nicht ins Stadion geschafft, dafür ließ er die Fußballwelt an seinem emotionalen Ausbruch vor dem heimischen TV-Gerät teilhaben.

"Ajax", twitterte der langjährige HSV-Spieler – garniert mit 37 Ausrufezeichen und einem Foto, das ihn mit hochgerissenen Armen in seinem Wohnzimmer zeigt. Van der Vaart spielte ab 1993 für Amsterdam, bevor er 2005 zum Hamburger SV wechselte. Für den niederländischen Rekordmeister bestritt der inzwischen 36-Jährige insgesamt 156 Pflichtspiele (63 Tore).

De Ligt wiegelt Transfer-Gerüchte ab

Wie viele Spiele van der Vaarts Nachfolger als Kapitän indes noch für Ajax bestreiten wird, steht in den Sternen. Seit geraumer Zeit halten sich hartnäckige Gerüchte, de Ligt stünde vor einem Wechsel zum FC Barcelona. Darauf angesprochen, wehrte das große Talent nach dem Spiel in Turin aber noch ab.

"Wenn es da nichts Bekanntzugeben gibt, dann muss ich da doch auch nichts bekanntgeben", sagte de Ligt auf eine entsprechende Nachfrage eines Reporters in der Mixed-Zone. "Wir stehen im Halbfinale der Champions League und sind Tabellenführer in der Liga. Damit habe ich genug zu tun", sagte der Nationalspieler.

Juve-Coach Allegri als fairer Verlierer

In Turin wird derweil Trainer Massimiliano Allegri genug damit zu tun haben, sein Star-Ensemble um Ronaldo für das Meisterschaftsziel in der Serie A wieder aufzurichten. Nach dem Aus in der Königsklasse erwies sich der Italiener aber zunächst einmal als fairer Verlierer. "Ajax hat es verdient, weiterzukommen", sagte Allegri.

"Drei von vier Halbzeiten, die beiden in Amsterdam und die erste hier in Turin, waren ausgeglichen. In der zweiten Hälfte waren sie dann besser, weil wir die Ordnung verloren haben und sie sich dadurch viele Chancen herausspielen konnten." Ajax habe "sehr gute Spieler, sie spielen sehr guten Fußball", befand Allegri.

Turin will an seinem Trainer festhalten

Ungeachtet des vorzeitigen Scheiterns in der Champions League hält der italienische Rekordmeister an seinem Trainer fest. "Wir machen mit Allegri weiter", sagte Clubpräsident Andrea Agnelli am späten Dienstagabend. Allegris Vertrag läuft bis 2020. "Der Kader ist jung und kann mit Allegri als Coach weiter wachsen", sagte Agnelli und stellte klar: "Die Champions League bleibt unser Ziel."

Allegri (51), der seit 2014 bei den Bianconeri arbeitet, gab sich ähnlich kämpferisch. "Ich bleibe, weil es noch viel Arbeit gibt", sagte er: "Hätte ich keine Motivation mehr, hätte ich längst den Klub gewechselt. Doch es ist nicht so."

Sonderlob für Ronaldo, Absturz an der Börse

Superstar Ronaldo, der wie im Hinspiel (1:1) per Kopf getroffen hatte (28.), bekam vom Coach ein Sonderlob. "Er hat uns in dieser Saison viel geholfen", sagte Allegri: "Wir haben ihn unter Vertrag genommen, um unsere Erfolgschancen in der Champions League zu steigern, aber Fußball ist keine Mathematik."

Das Scheitern von Juventus machte sich derweil auch an der Börse bemerkbar: Der Wert der Clubaktie fiel am Mittwochmorgen um satte 20 Prozent.