Kopenhagen. Finnische Skisprung-Ikone Nykänen stirbt mit 55 Jahren. Geschichte schrieb die spätere Skandalnudel bei Olympia und im Weltcup.

Der frühere finnische Ausnahme-Skispringer Matti Nykänen ist tot. Der viermalige Olympiasieger starb im Alter von 55 Jahren, wie die Sportabteilung des finnischen Ministeriums für Bildung und Kultur bestätigte. Zuvor hatte das finnische Magazin „Seiska“ darüber berichtet. Dem Magazin zufolge starb Nykänen in der Nacht zum Montag. Der ehemalige Sportler sei seit einiger Zeit krank gewesen, sagte der Chef des Finnischen Skisprungverbandes Mika Kulmala der Deutschen Presse-Agentur.

Weltcup-Erfolge wie sonst nur Adam Malysz

Nykänen zählt zu den größten Skispringern der Geschichte. Bei Olympia in Sarajewo 1984 und Calgary 1988 gewann er insgesamt viermal Gold und einmal Silber. Viermal holte er sich den Gesamt-Weltcup – das schaffte bislang sonst nur der Pole Adam Malysz. Die Vierschanzentournee gewann er zweimal. In Finnland wurde er 1985 und 1988 zum Sportler des Jahres gewählt. Den ersten seiner 46 Weltcup-Siege sicherte er sich am 30. Dezember 1981 in Oberstdorf, seinen letzten am 1. Januar 1989 in Garmisch-Partenkirchen.

Spezielle Zeremonie für Nykänen in Lahti

Der Präsident des Internationalen Skiverbandes, Gian Franco Kasper, würdigte Nykänen als großen Sportler. "Er war einer der großen Botschafter unseres Sports“, sagte Kasper am Montag im schwedischen Are, wo am Dienstag die Weltmeisterschaften der alpinen Skisportler beginnen. „Wir waren sehr traurig, aber so ist das Leben. Er hat das Leben genossen, nachdem er die Karriere beendet hat.“

Nykänen hatte nach seiner Karriere für negative Schlagzeilen gesorgt, weil er Alkoholprobleme hatte und im Gefängnis war. Am kommenden Wochenende soll beim Weltcup der Skispringer, Nordischen Kombinierer und Langläufer im finnischen Lahti in einer speziellen Zeremonie des verstorbenen Stars gedacht werden.

Jens Weißflog trauert um seinen Rivalen

Der dreimalige Skisprung-Olympiasieger Jens Weißflog reagierte bestürzt auf die Nachricht vom Tod seines langjährigen Konkurrenten. "Das ist schockierend, eine schlimme Nachricht", sagte der 54-Jährige dem SID. "Matti und ich waren so viele Jahre gemeinsam unterwegs. Er war für mich wie ein Alltagsmensch, ob auf der Schanze oder außerhalb."

Bei Olympia 1984 in Sarajevo hatte Weißflog von der Normalschanze Gold vor Nykänen gewonnen, sechs Tage später setzte sich der Finne auf der großen Schanze dann knapp vor dem DDR-Springer durch. 1988 in Calgary holte Nykänen beide Einzeltitel und führte als Krönung die finnische Mannschaft zu Gold, Weißflog ging leer aus.

Jens Weißflog (l.) und Matti Nykänen bei der Vierschanzentournee 1989.
Jens Weißflog (l.) und Matti Nykänen bei der Vierschanzentournee 1989. © Imago/WEREK

"Uns verbinden so viele Geschichten. Natürlich gab es die bestimmenden Momente wie Olympia 1984, als wir uns die Medaillen geteilt haben, oder 1988, wo er dann überlegen war. Es gab Zeiten, in denen wir enge Konkurrenten waren", sagte Weißflog.

"Wir haben uns das erste Mal bei der Junioren-WM gesehen, später dann immer wieder bei Olympia und all den Vierschanzentourneen. Zum letzten Mal haben wir uns vor zwei Jahren noch einmal in Finnland getroffen. Da hat er gut gewirkt, alle anderen haben das auch bestätigt", sagte Weißflog. In letzter Zeit habe er aber nichts von Nykänen, der lange Zeit alkoholkrank war, gehört.

Nykänen sprach von der "Hölle"

Nach der Karriere folgte in der Tat der tiefe Absturz des Überfliegers. Der Alkohol, die Frauen, das Herz. Die Hölle sei nicht so schlimm "wie mein Leben jahrelang war", sagte der gefallene Held 2012 in einem Welt-Interview: "Die Hölle muss ein besserer Ort sein."

"Nykänen hatte diese Genialität leider nur auf der Schanze, im Leben war er etwas verloren", sagte Bundestrainer Werner Schuster einmal. Da hatte der Finne gerade seinen Uralt-Rekord von 46 Weltcup-Siegen an Gregor Schlierenzauer verloren. Nykänen reiste daraufhin zum Springen nach Kuopio, um dem Österreicher persönlich zu gratulieren: "Gregor, du bist jetzt ein ganz großer Skispringer. Für mich der größte aller Zeiten."

Die großen Schlagzeilen kamen nach der Karriere

Das war höflich, aber nicht unbedingt richtig. Vier Olympiasiege wie Nykänen hat Schlierenzauer (noch) nicht zu bieten. Vier Triumphe im Gesamtweltcup auch nicht. "Matti war zu seiner Zeit einzigartig", sagte auch Weißflog, der sich mit dem finnischen Leichtgewicht viele Jahre lang einen erbitterten Zweikampf um die großen Titel lieferte: "Das war eine gesunde Rivalität. Nykänen war für mich eine Art Vorbild."

Doch all die Titel, all die Medaillen, sie halfen Nykänen im richtigen Leben nicht weiter. In seinem Wikipedia-Eintrag finden sich heute mehr Zeilen über die Zeit nach der Karriere als über die Jahre als Sportler. Die meisten handeln von Skandalen. Von seinen drei Scheidungen. Von einer Vorstrafe wegen Körperverletzung, weil er seine Frau mit einem Messer attackierte. Von seiner Zeit als Stripper und als Darsteller in Erotikvideos. Von einem Herzinfarkt im Jahr 2004. Und immer wieder von Alkohol.

Nykänen: "Ich hätte Hilfe gebraucht"

"Wenn du trinkst, lebst du wie in einer Blase, siehst keinen Sinn", sagte Nykänen der Welt und versuchte sich an einer Erklärung: "Ich stand viele Jahre im Mittelpunkt, alle haben sich um mich gerissen. Ich hatte es satt, es war zu viel. Ich war unglücklich und habe angefangen, in mir drinnen eine Mauer hochzuziehen. Ich war sehr jung, als ich erfolgreich geworden bin, die Medien waren die ganze Zeit um mich herum – ich hätte Hilfe gebraucht. Das war der Anfang. Ich habe später getrunken, weil ich nichts anderes zu tun hatte, weil ich vergessen wollte."

Zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 2013 sagte Nykänen, er habe sein Leben im Griff. Nun ist er gestorben.