Atlanta/Hamburg. American Football begeistert immer mehr Deutsche. Verdienter Hamburger kritisiert: Der Verband macht zu wenig aus dem Hype.

Der Super Bowl wird auch in Deutschland diese Woche wieder ein Millionen-Publikum vor den Bildschirm locken. Wenn die NFL während der Saison in London gastiert, machen sich regelmäßig tausende Fans auf den Weg. Hype oder nachhaltiger Boom - wie ist der Status des US-Sports im einstigen Football-Entwicklungsland Deutschland? Eine Spurensuche bei Profis, Nachwuchs, dem Verband und Medien:

Die Profis:

Die Zeiten, in denen der inzwischen zurückgetretene Sebastian Vollmer neben Superstar Tom Brady über den NFL-Titel jubeln durfte, sind vorerst vorbei. Ein deutsches Trio kam diese Saison zwar zum Einsatz, verpasste aber die Playoffs: Equanimeous St. Brown (22) deutete in einem guten ersten NFL-Jahr bei den Green Bay Packers sein Talent an.

Hamburg als gemeinsamer Nenner: Kasim Edebali (r.) mit dem inzwischen an Hannover verliehenen HSV-Stürmer Bobby Wood (Archiv).
Hamburg als gemeinsamer Nenner: Kasim Edebali (r.) mit dem inzwischen an Hannover verliehenen HSV-Stürmer Bobby Wood (Archiv). © Imago/ZUMA Press

Der in Hamburg geborene Verteidiger Kasim Edebali (29) durfte für die Cincinnati Bengals in einem Spiel aufs Feld. Mark Nzeocha (28) von den San Francisco 49ers konnte dank reichlich Fan-Unterstützung aus der Heimat lange auf einen Einsatz im Pro Bowl der beliebtesten Profis hoffen.

Ballfänger Moritz Böhringer (25), der als erster deutscher Profi direkt aus der German Football League gedraftet wurde, wartet noch auf seine Chance. „Je mehr solche Erste wir haben, desto mehr entwickelt sich der Sport“, sagt der zweimalige Super-Bowl-Champion Vollmer der Deutschen Presse-Agentur. „Natürlich muss man fairerweise sagen, dass Deutschland den Amerikanern immer ein bisschen hinterher hinkt. Aber ich glaube schon, dass das Level in Deutschland steigt.“

Der Nachwuchs:

Dabei will Ex-Profi Björn Werner helfen. Der Berliner vermittelt seit drei Jahren mit dem Projekt „Gridiron Imports“ junge Spieler an Highschools und Universitäten in den USA. Nach eigenen Angaben schafften 70 europäische Talente, davon 50 deutsche, den Sprung. „Das Ziel ist es natürlich, irgendwann den nächsten Björn Werner zu finden“, sagt der 28-Jährige und hofft aus Spieler, die es ihm einmal gleichtun könnten. Werner war 2013 als erster Deutscher in der ersten Draft-Runde ausgewählt worden. „Aber wir verkaufen das nicht so. Ich will niemandem falsche Hoffnungen machen.“

Bis erstmals ein deutscher Quarterback in der NFL aufläuft, wird es aus Sicht von Vollmer aber noch einige Zeit dauern. „Das Risiko für die Teams ist noch zu hoch auf einer solchen Schlüsselposition“, sagt der 34-Jährige. Auch aus Sicht des Hamburgers Patrick Esume, TV-Experte von ran Football und Nationaltrainer Frankreichs: „Einen NFL-Quarterback zu finden ist wie einen winzigen Diamanten an einem Strand zu finden. Das ist selbst in den USA ganz schwierig.“

Der Verband:

Der American Football Verband Deutschland (AFVD) verweist auf dauerhaften Zulauf. Seit 2008 verdoppelte sich die Mitgliederzahl fast von 32.697 auf 63.060. Davon sind circa 5000 weibliche Spielerinnen und 10.000 bis 15.000 Cheerleaderinnen.

Für die Nachfrage macht AFVD-Präsident Robert Huber eine Traineroffensive verantwortlich und sieht sich nicht als Nutznießer der amerikanischen Profiliga, die am 4. Februar (0.30 Uhr/ProSieben) ihr Finale zwischen den New England Patriots und Los Angeles Rams austrägt. „Wir können diese sogenannte NFL-Begeisterung mit unseren Bordmitteln nicht bestätigen“, sagt er. „Unser Mitgliederwachstum ist seit zehn Jahren da. Wenn es da einen Zusammenhang haben könnte, dann, dass die NFL sich auf unseren positiven Trend draufgesetzt hat.“

Patrick Esume (Archiv) war bis November 2016 für die Hamburg Huskies tätig.
Patrick Esume (Archiv) war bis November 2016 für die Hamburg Huskies tätig. © Imago/Manngold

Diese Argumentation ist für Ex-Profi Esume, der mit den Hamburg Devils unter anderem dreimal den Eurobowl gewann (1996-98), bei Einschaltquoten von bis zu knapp 1,5 Millionen Zuschauern beim Super Bowl „abstrus“: „Wenn es dir nicht um den Sport geht, sondern um deine eigene Position, kommt man auf solche Ideen. Als Sportler, Trainer, Ex-Gesellschafter eines GFL-Teams finde ich das sehr schade.“ Das Potenzial wird aus seiner Sicht derzeit nicht ausgenutzt: „Es ist eine Riesenchance und Deutschland verpasst sie.“

AFVD-Präsident Robert Huber
AFVD-Präsident Robert Huber © Imago/Eibner

„Die NFL-Begeisterung befruchtet die Amateurvereine insofern, dass wieder Teams aus dem Boden sprießen, mehr Kinder zu diesem Sport kommen“, sagte der 44-Jährige. „Es könnte aber noch viel mehr für den Amateursport getan werden. Ich sehe es mit weinendem Auge, dass man es in Deutschland nicht schafft, diesen Hype um die NFL zu nutzen.“

Zum German Bowl, dem Finale der German Football League, kamen vergangene Saison gut 15.000 Zuschauer nach Berlin. So viele waren es seit 2008 nicht mehr – bis zu den Hochzeiten mit 30.000 Besuchern Ende der 90er-Jahre ist es aber noch ein weiter Weg.