Hamburg. Der HSV trifft auf Ingolstadt. Doch anstelle von Neu-Coach Jens Keller sitzt ein alter Bekannter auf der Bank.

Hannes Wolf hatte am Freitagmittag nichts zu verheimlichen. Anders als sonst ließ der HSV-Trainer auch (die wenigen) Fans und (die vielen) Journalisten beim Abschlusstraining im Volkspark zuschauen, verteilte Trainingsleibchen und stellte seine mutmaßliche A-Elf (überraschenderweise mit Bates für Lacroix) ins Schaufester. Kurz vor dem Abflug am Nachmittag Richtung Süddeutschland, wo der HSV an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) auf den FC Ingolstadt trifft, war Wolf die Ruhe selbst. „Wir werden gut vorbereitet sein“, sagte der Fußballlehrer, der aber einräumte, dass eine „sehr gute Vorbereitung“ auf dieses Wochenende gar nicht möglich war.

 Roberto Pätzold
Roberto Pätzold © imago/Stefan Bösl | imago sport

So wusste Wolf bis zum Beginn der Spieltagspressekonferenz um 13.15 Uhr nicht einmal, welcher Trainer denn nun an diesem Sonnabend beim FC Ingolstadt auf der Bank sitzt. Erst am Montag war Alexander Nouri (bereits als zweiter FC-Trainer in dieser Saison) beim Tabellenschlusslicht freigestellt und vorübergehend durch U-19-Trainer Roberto Pätzold ersetzt worden. Am Freitagmittag kam dann die plötzliche Bestätigung, dass Ingolstadt Jens Keller als neuen Cheftrainer verpflichtet hat. Wenig später dann aber die Einschränkung: Keller wird erst am Sonntag offiziell vorgestellt, gegen den HSV wird tatsächlich der in der Branche eher unbekannte Pätzold auf der Bank sitzen.

Wolf: Taktische Vorbereitung kaum mehr möglich

„Dieser Nobody stellt Ingolstadt auf den HSV ein“, hatte die „Mopo“ zu Wochenanfang getitelt. Und tatsächlich räumte Wolf am Freitag ein, dass eine taktische Vorbereitung auf den Tabellenletzten unter den neuen Vorzeichen kaum mehr möglich ist. „Inhaltlich haben wir wenig, worauf wir zurückgreifen können. Die Taktiken der letzten Wochen bringen uns nichts“, sagte Wolf, der sich sogar Videos aus den U-19-Partien Ingolstadts unter Pätzold besorgt hatte. Doch schwarzmalen wollte der HSV-Trainer auch nicht. „Diese Situation kann auch ein Vorteil sein. Es ist ohnehin gefährlich, taktisch zu konkret zu werden. Man braucht eine gewisse Flexibilität, um reagieren zu können.“

Was kaum einer weiß: Ein wirklicher Nobody ist dieser Roberto Pätzold für den HSV ohnehin nicht. Vor vier Jahren hat der 39 Jahre alte Berliner sogar mal auf Empfehlung von Ex-Sportdirektor Bernhard Peters für den HSV-Nachwuchs gearbeitet. „Er hat bei uns ein halbes Jahr erstklassige Arbeit in der U 16 geleistet“, erinnert sich Peters. Und auch Wolf kennt Pätzold, nachdem der HSV-Trainer erst vor Kurzem den aktuellen Trainerlehrgang in Köln einen Besuch abgestattet hatte und bei dieser Gelegenheit auch mit dem angehenden Fußballlehrer ins Gespräch kam.

In Köln büffelt auch Pit Reimers für seine Trainerlizenz. Und wie es der Zufall nun mal so will, ist Hamburgs U-17-Coach sogar Zimmernachbar von Pätzold. „Ich freue mich sehr für Roberto. Aber natürlich werde ich an diesem Wochenende die Daumen für den HSV drücken“, sagte Reimers, der aber eine hohe Meinung von Ingolstadts Interimstrainer hat: „Roberto ist ein akribischer Arbeiter, extrem detailversessen. Er hat eine sehr positive, mitreißende Art.“

Für HSV-Nachwuchstrainer Reimers ist es eine kuriose Situation. Bereits zum zweiten Mal in dieser Saison wird er nach einem Mitschüler befragt, der gegen den HSV auf der Bank sitzen soll. Schon im Spiel gegen Dynamo Dresden sollte Reimers Lehrgangskollege Cristian Fiel nach der Entlassung von Uwe Neuhaus einspringen. Weil das Dresdenspiel aber kurzfristig verschoben wurde, war es dann Maik Walpurgis, der gegen den HSV coachte – und sein Heimdebüt mit 0:1 verpatzte.

Pätzold: "Der HSV ist verwundbar"

Die alte Fußballerfloskel „Neuer Trainer, neues Glück“ hat in dieser Spielzeit ohnehin nur bedingt Gültigkeit. Bislang hat es sieben Trainerwechsel in der Zweiten Liga gegeben, wobei ein Drittel der Debüts verloren ging. Über das beste Startergebnis durfte sich Sandhausens Uwe Koschinat freuen, der nach der Entlassung von Kenan Kocak direkt 4:0 gewinnen konnte. Der Gegner damals übrigens: der FC Ingolstadt.

Genau das Gegenteil passierte in der Bundesliga, wo Stuttgarts Markus Weinzierl den beurlaubten Tayfun Korkut beerbte und direkt mit drei Pleiten (und 0:11 Toren) startete. Den positivsten Trainereffekt gab es: natürlich in Hamburg. Titz-Nachfolger Hannes Wolf startete mit vier Siegen – und ist nach dem 2:2 gegen Union Berlin sogar noch immer ungeschlagen.

Das alles aber: Schnee von gestern. Ein-Spiel-Trainer Pätzold machte bei seiner Vorstellung jedenfalls kein Geheimnis daraus, dass er seine einmalige Chance direkt nutzen will. „Der HSV hat schon gezeigt, dass er verwundbar ist“, sagte Nouris Kurzzeit-Nachfolger und setzte noch einen drauf: „Ich glaube schon, dass wir Waffen in der Mannschaft haben, die gegen den HSV in der Offensive punkten können.“

HSV-Coach Wolf ist gewarnt. Als er am Freitag gefragt wurde, wie groß die Stolpergefahr als Tabellenerster beim Tabellenletzter sei, antwortete der Hamburger mit einer Gegenfrage: „Wissen Sie, wie vor Kurzem der MSV Duisburg gegen den 1. FC Köln gespielt hat?“ Dieselbe Frage habe er auch seinen Spieler gestellt. Und die Antwort? Das damalige Schlusslicht MSV besiegte den damaligen Tabellenführer Köln mit 2:1 – im Übrigen mit Torsten Lieberknecht als Debüttrainer auf der Bank.

FC Ingolstadt 04: Heerwagen – Gimber, Matip, Galvao – Ananou, Krauße, Otavio – Kerschbaumer, Cohen - Lezcano, Osawe. Hamburger SV: Pollersbeck – Sakai, Bates, van Drongelen, Santos – Mangala – Narey, Hunt, Holtby, Jatta – Hwang.
Hörfunk: NDR 90,3 berichtet im Rahmen seiner „Hamburg Konferenz“ ab 13 Uhr vom Auftritt des HSV in Ingolstadt und von der Partie des FC St. Pauli gegen Dresden.