Hamburg. Vor dem Segelfinale um die deutsche Meisterschaft geht es auf der Alster rund – nicht schnell, aber ehrgeizig.

Jakob spottet nach dem Wind. Woher kommt er? Er schielt über seine Sonnenbrille hinaus auf die Alster, behält die anderen Boote im Auge. „Wir fahren jetzt eine Halse – und dann heißt es: pumpen“, sagt der 17-Jährige mit fester Stimme. Ich mache mich bereit. Gemeinsam mit meinen beiden Teamkollegen springe ich von einer Bootsseite zur anderen, lege mich so weit über die Reling hinaus, bis die J/70 schräg im Wasser liegt.

Jakob Giese ist Alsterpirat und Jugendsprecher beim Norddeutschen Regatta Verein (NRV) – im „Alster Battle“ zu Ehren des 150-jährigen Bestehens des NRV ist er an diesem Vormittag mein Steuermann und Segellehrer zugleich. Kein leichtes Unterfangen für den Schüler, schließlich ist es meine Jungfernfahrt in einem Segelboot. Und ich bin nicht der Einzige: Mit mir auf Wettfahrt sind die Laien Anton Boeckel­ (23) und Emily Wolbers (20).

Im echten Sportlerleben sind sie Hockeyspieler

Das Duo spielt im echten Sportlerleben für den Club an der Alster in der Hockey-Bundesliga. „1919 ging der Club an der Alster aus den NRV-Piraten hervor, die in den Wintermonaten nach einem neuen Sport suchten und so auf den Alsterwiesen zum Hockeyschläger griffen“, berichtet Oliver Schwall. Der ehemalige Segelweltmeister (Tornado/1993) ist Gründer und Vermarkter der 2013 eingeführten Segel-Bundesliga. Von diesem Donnerstag an steigt bis zum Sonnabend das Saisonfinale auf der Alster, direkt vor dem Clubhaus des NRV (Schöne Aussicht 37).

„Das Focksegel auf die andere Seite, wir ziehen jetzt den Gennaker auf. So holen wir vielleicht noch auf“, sagt Jakob kurz nach der Wende an der Tonne. „Welches Tau?“, frage ich zurück. „Das orange. Lösen und ziehen“, erhalte ich als Antwort. Jakob wählt einen Zickzackkurs, um trotz Flaute wenigstens ein bisschen voranzukommen. „Heute geht nichts. Aber die Alster ist wegen ihrer Winddreher ein tückisches Revier“, sagt der Juniorensegler, der sonst im Laser solo unterwegs ist.

„Es gibt in Hamburg auch erstklassigen Bundesligasport. Darauf wollen wir mit dem Rennen hinweisen“, sagt Schwall. In den gemischten Viererteams treten die Segler und Hockeyspieler in den jeweils baugleichen (und gleich schnellen) Bundesligabooten gegeneinander an. Presse und Sponsoren sind auch eingeladen – zum Selbstversuch.

Ganz persönliches Finale

Für mich ist es mein ganz persönliches Finale vor dem Finale. Die Eindrücke sind gewaltig, Ruhepausen gibt es nicht. „Die psychische Belastung ist hoch. Du musst alles im Blick behalten, ständig auf den Wind und die Rivalen reagieren“, sagt Jakob und stockt, als sich das Vorsegel verhakt. Ich klettere nach vorn und entzerre das Malheur. Mit jedem Kommando werde ich sicherer, die Zusammenarbeit im Team klappt immer besser.

„Das ist eines der Erfolgsrezepte unseres Ligaformats“, sagt Schwall, „viele Clubs haben sich mittlerweile eigene J/70-Boote angeschafft, vor allem für ihre Jugendabteilungen.“ Auch nach sechs Jahren reiße die weltweite Nachfrage nicht ab. „2019 werden 20 nationale Verbände nach unserem Vorbild ihre Meister suchen. Die USA, Australien und Portugal kommen neu dazu“, sagt Schwall. In diesem Jahr wurden neben der bereits etablierten Champions League erstmals auch Europapokal-Regatten bei den Junioren sowie in reinen Frauenteams durchgeführt.

Hamburger stehen vor viertem Meistertitel

„Wir bieten allen Vereinsseglern eine Plattform, die nicht zu dem geringen Prozentsatz gehören, die olympische Ambitionen hegen. Bei uns reicht die Clubmitgliedschaft, kommt es nicht auf Geld, Sponsoren und Material an“, sagt Schwall. Dennoch werde die Serie immer professioneller, „auch jünger“. Mit sechs Süd-Nord-Stationen (Friedrichshafen, Tutzing, Travemünde, Berlin, Kiel und Hamburg) sei die Kapazität vorerst ausgeschöpft. 2019 wird das Ligafinale in Glücksburg in der Flensburger Förde ausgetragen. Ob Hamburg und die Alster dann aus dem Kalender fallen, steht noch nicht fest.

Jakob steuert uns durchs Ziel. Platz drei von fünf. Der Alsterpirat flucht. Ich besteige das aufgebaute Podium dennoch mit Stolz. Ganz oben will am Sonnabend die NRV-Crew um Steuermann Tobias Schadewaldt stehen. Der amtierende Meister steht vor der Titelverteidigung, führt vor den letzten 48 Wettfahrten mit sieben Punkten vor dem Bayerischen Yacht-Club. Womöglich reicht dem Rekordchampion (2013, 2014, 2017) schon ein siebter Platz.