Hamburg. Rallycross-Weltmeister Johan Kristoffersson fehlt nur der Sieg auf dem Estering. Das soll sich jdoch ändern.

Während am Donnerstagnachmittag die Camper aus allen Himmelsrichtung langsam das Estetal vor den Toren Hamburgs bevölkern, entspannen die Hauptdarsteller des kommenden Wochenendes auf der sonnigen Dachterrasse des Hard Rock Cafés an den Landungsbrücken. Die Stars der Rallycross-WM plauschen entspannt im Strandkorb, gehen anschließend auf Barkassenfahrt durch den Hafen. „Es ist immer wieder schön, nach Hamburg zu kommen“, sagt der Norweger Andreas Bakkerud – und scherzt: „Nur das Wetter ist anders. Sonst ist es hier immer kalt, immer regnerisch.“

Wenn am Sonnabend und Sonntag auf dem Buxtehuder Estering die Rallycross-Weltmeisterschaft zum fünften Mal Station macht, sind die äußerlichen Voraussetzungen dank Hoch „Viktor“ optimal. „Das Chaos des vergangenen Jahres wird uns zum Glück erspart bleiben“, sagt Andreas Steffen in Erinnerung an die Regenfälle im Oktober 2017. Damals mussten zahlreiche auf Feldern geparkte Pkw der bis zu 20.000 Besucher mit Traktoren aus Matsch und Schlamm befreit werden. „Es ist angerichtet. Die Fahrer können kommen“, berichtet der Vorsitzende des gastgebenden Automobilclubs Niederelbe (ACN). Bis zu 250 ehrenamtliche Helfer werden bis Sonntagnachmittag im Einsatz sein, um den PS-Ritt der knapp 600 PS starken Supercars zu ermöglichen.

„Ob Regen oder Sonne ist egal“

„Ob Regen oder Sonne ist egal“, sagt Johan Kristoffersson, „beides macht Spaß.“ Der Schwede ist im VW Polo R der alte – und auch schon der neue Weltmeister. Der 29-Jährige krönte sich nach einer neuerlichen Rekordsaison vor 14 Tagen in Austin/Texas zum World-RX-Champion, führt uneinholbar die WM-Wertung vor Mattias Ekström im Audi S1 an. Spannend wird es in Buxtehude nur im Kampf um den Tagessieg und die Vizeweltmeisterschaft. Um die streiten neben Ex-Weltmeister Ekström (40/204 Pkt.) Kristofferssons Teamkollege Petter Solberg (43/202), Bakkerud (27/200/Audi) und Rallye-WM-Rekordchampion Sébastien Loeb (44/195/Peugeot). Mit dem Estering stehen noch zwei Läufe an (24.11./Südafrika).

„Johan ist ein kompletter Fahrer, keine Frage. Er und sein Team machen keine Fehler“, lobt Widersacher Ek­ström, der 2017 als Weltmeister von seinem Landsmann entthront wurde. „Sie haben mit Partner VW aber auch das beste Material, die größten Ressourcen, auch finanziell“, fährt Ek­ström fort. Zwar erhält auch der zweimalige DTM-Champion, der sich seit 2017 ausschließlich seinem eigenen Rallycross-Team EKS widmet, Werksunterstützung von Audi. Doch längst nicht in dem gewünschten Maß – und auch nicht mehr lange: Die Ingolstädter steigen mit Ende der Saison aus der Rallycross-WM aus.

Spitzkehre der ersten Kurve ist entscheidend

„Ich muss mir Gedanken machen, wie es weitergeht. Ich werde auch Mitarbeiter entlassen müssen“, sagt Ek­ström. Eine Entscheidung über seine Zukunft soll rund um das Jahresende fallen. „Ohne Werksunterstützung fehlt das Geld. Dann fahre ich nur noch hinterher“, sagt der Vorjahressieger vom Estering. „Vielleicht hänge ich meinen Helm auch an den Nagel.“ Es nagt an dem ehrgeizigen Schweden, der sich einen Eingriff der Regelhüter vom Weltverband Fia vorstellen könnte, um die WM-Serie ausgeglichener zu gestalten.

Der VW Polo R von Rallycross-Champion Johan Kristoffersson beschleunigt schneller von null auf 100 km/h als ein Formel-1-Bolide.
Der VW Polo R von Rallycross-Champion Johan Kristoffersson beschleunigt schneller von null auf 100 km/h als ein Formel-1-Bolide. © imago/Action Plus | Eric Alonso

Sorgen, die Kristoffersson, der Gejagte im PSRX-Team seines Vaters Tommy Kristoffersson (59), nicht hat. „Wir planen weiter mit ihm, weiter mit der Rallycross-WM“, sagt Ingo Roersch, Sprecher der Volkswagen Motorsport GmbH. Zusammen mit Altmeister Solberg (Weltmeister 2014 und 2015) holte das VW-Duo in den vergangenen beiden Jahren 17 von 22 möglichen Siegen. Einzig der Sieg auf dem Estering fehlt noch in Kristofferssons Vita. „In der WM bin ich zuletzt vorsichtig gefahren, wollte die Punkte für den Titel einsammeln und nicht ausfallen“, sagt er: „Jetzt fahre ich volles Risiko.“

Entscheidend ist die Spitzkehre der ersten Kurve. Wer dort als Erster durchdriftet, hat gute Chancen, sich in den sechs Runden der jeweiligen Vorläufe bis ins Halbfinale und Finale durchzukämpfen. Die Fans dürfen sich auf enge Stoßstangengefechte freuen – zum vielleicht vorletzten Mal. „Unser Vertrag mit dem US-Vermarkter IMG läuft bis 2019, dann sehen wir weiter, wohin sich die Rennserie entwickelt“, sagt Andreas Steffen, der mit dem ACN ein turbulentes Jahr hinter sich hat. Kurzzeitig drohte dem Rennen das Aus.

Ab 2019 in der Wüste – WM-Serie auf Expansionskurs

Nachdem die Kreisverwaltung Stade die Betriebsgenehmigung von zwölf auf 52 Renn- und Trainingstage erhöht hatte, klagte der BUND, dass die Öffentlichkeit zuvor nicht beteiligt wurde. Vor dem Verwaltungsgericht bekam der Eilantrag der Umweltschützer recht, selbst die 2011 ausgehandelte Genehmigung von zwölf Tagen geriet ins Wanken. Eine Mediation zwischen den Parteien half. „Jetzt haben wir einen guten Kompromiss von maximal 18 Nutzungstagen erreicht“, sagt Steffen. „Mehr können und wollen wir als ehrenamtlicher Verein auch gar nicht.“

Und nach 2019? Abzuwarten bleibt, ob Vermarkter IMG und der Weltverband Fia den Expansionskurs für ihre kleinste WM-Serie fortsetzen. Dieses Jahr ging es auf die Formel-1-Strecke in die USA (Austin), in der kommenden Saison steht Abu Dhabi neu im Kalender. „Der Estering ist Kult“, sagt Ek­ström, gibt sich solidarisch, „doch darauf haben wir Fahrer keinen Einfluss.“ Auch eine Elektro-Rallycrossserie ab 2021 ist in Planung. Gefahren wird dann womöglich nicht mehr auf dem Estering, sondern gleich an den Landungsbrücken.

Mit der Ruhe auf der Dachterrasse wäre es dann dort vorbei.

Sport1 überträgt am Sonntag von 13.30 Uhr erstmals live. Es gibt noch Karten für beide Renntage an der Tageskasse.