Berlin. Der Profi von Real Madrid reagiert auf die heftige Kritik des früheren DFB-Kapitäns Michael Ballack an Bundestrainer Joachim Löw

    Als Toni Kroos – gewohnt selbstbewusst und angriffslustig – fertig war mit seinen Ausführungen, da hatte der Mittelfeldspieler der deutschen Nationalelf noch eine Spitze für Michael Ballack übrig. „Er ist vielleicht der Meinung, dass es einen Trainerwechsel nach der WM hätte geben sollen. Vielleicht hätte er es dann ja selbst übernehmen wollen“, sagte Kroos. Zuvor hatte der 28-Jährige die Kritik des ehemaligen Nationalelfkapitäns zurückgewiesen, wonach Bundestrainer Joachim Löw nach der völlig verkorksten WM nicht hätte im Amt bleiben dürfen.

    Ballack und Löw – sie werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Der 42-Jährige trägt dem Bundestrainer auch acht Jahre später offenbar die Ausbootung aus der deutschen Nationalmannschaft nach. Dennoch kam die Kritik des einstigen „Capitanos“ an Löw zwei Tage vor dem wegweisenden Nations-League-Spiel am Sonnabend (20.45 Uhr/ZDF) in den Niederlanden so überraschend wie ungelegen.

    Der Deutschen Welle hatte der 98-fache deutsche Nationalspieler gesagt, Löw hätte nach dem WM-Desaster in Russland im Sommer seinen Hut nehmen müssen. „Ich war wie viele andere Leute auch überrascht, dass er seinen Job behalten hat“, meinte er, „manchmal funktioniert es einfach nicht mehr, wenn jemand so lange mit einer Mannschaft zusammen ist wie er.“ Und: „Es war ganz offensichtlich, dass einige Spieler nicht auf der Höhe waren. Und man konnte es schon vorher sehen, dass eine oder mehrere Positionen nicht optimal besetzt waren.“ Löw sei für das Scheitern verantwortlich und hätte professionell genug sein müssen, um die Konsequenzen zu ziehen.

    Auch Reinhard Grindel kam nicht ungeschoren davon. Der DFB-Präsident hätte Löw voreilig das Vertrauen ausgesprochen, so Ballack. Eine echte Analyse innerhalb des DFB sei ausgeblieben.

    Kroos hingegen sieht das anders: „Natürlich kann es sein, dass es nach so vielen Jahren auch gut ist, ein paar neue Reize zu haben. Aber diese neuen Reize können ja auch manchmal vom gleichen Trainer kommen, wenn er sich hinterfragt. Und ich glaube, dass hat Joachim Löw getan. Deshalb bin ich jetzt davon überzeugt, dass wir wieder die Kurve mit ihm kriegen“, sagte der Spielgestalter von Real Madrid. „Rückschläge gehören dazu. Ich finde, dass er die Chance absolut verdient hat.“ Löw habe „über viele Jahre bewiesen, dass er bereit ist, sich selbst weiterzuentwickeln. Das ging stetig nach oben“. Auch Timo Werner, ein Vertreter der jüngeren Generation in der DFB-Auswahl, bestätigte diesen Eindruck. „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich vernachlässigt wurde oder nicht wusste, was ich auf dem Platz zu tun habe“, sagte der Leipziger. Eine Replik von Löw blieb zunächst aus.

    Dass die deutsche Mannschaft nach dem peinlichen Vorrunden-Aus in Russland nun demütiger in die kommenden Spiele gehen sollte, davon hält Kroos nichts: „Wir streben sechs Punkte an“, sagte er. „Wir sind keine Gurkentruppe. Drei Spiele bei der WM, die nicht so gut gelaufen sind, verändern nichts an meinem Selbstverständnis.“ Wenn es dann gegen die Niederland und Frankreich nach guten Leistungen nur vier Punkte werden, sei das auch in Ordnung, so Kroos.

    Deutschland steht in der Dreiergruppe A1 nach Frankreich (vier Zähler) mit einem Punkt auf Platz zwei vor der Niederlande (null). Nur der Gruppenerste reist zum Finalturnier der Nations League im Juni 2019. Der Letzte steigt in die Liga B ab. Nicht erst seit Ballacks öffentlichen Attacken ist klar, dass Löw schnell Ergebnisse liefern muss, will er neue Fragen nach seiner Zukunft vermeiden.