Berlin. Weil bei Bundestrainer Löw echte Stürmer rar sind, probiert er nun den Schalker Angreifer aus

    Mark Uth ist so etwas wie ein Jubiläums-Neuling. Der Schalker Angreifer, für die beiden wichtigen Länderspiele in der Nations League gegen die Niederlande am Sonnabend (Sa, 20.45 Uhr/ZDF) und drei Tage später gegen Frankreich eingeladen, könnte der 100. Debütant in Löws Amtszeit werden. Mit 27 ist man heute nicht mehr in einem Alter, in dem man noch von einer Nationalelfkarriere ausgehen darf. Und dazu hatte Uth nach seinem Wechsel aus Hoffenheim zu Schalke im Sommer noch kein einziges Tor erzielt. Daher war die Öffentlichkeit auch ein wenig überrascht von seiner Nominierung – er selbst übrigens auch.

    „Ich habe nicht unbedingt damit gerechnet. Umso mehr freue ich mich, hier zu sein“, sagte Uth. Löws Anruf hatte er im Baumarkt beim Holzkauf empfangen und danach erst einmal erfreut seine Familie unterrichtet. Nun reise er mit Glücksgefühlen an.

    So erfreulich sein neues Leben als Nationalspieler für ihn ist, so unerfreulich ist es eigentlich für Löw. Denn dass er Uth nun nominiert hat, bedeutet auch, dass er 58-Jährige bei seiner langen Suche nach einem echten Stürmer, einer Nummer 9, nicht fündig geworden ist. Seit dem Rücktritt von Miroslav Klose 2014 hat Löw allerhand Personal ausprobiert. Mit dem Wildwuchs Thomas Müller, umgepflanzt in die zentrale Spitze, wurde er bei der EM 2016 nicht glücklich. Auch Mario Gomez konnte nicht höchsten Ansprüchen genügen. Dann kam der Leipziger Timo Werner, und alle Sorgen schienen verflogen. Doch bei der WM in Russland konnte auch der 22-Jährige an der schlechten Chancenverwertung nichts ändern. Dass Löws Elf durchschnittlich 30 Versuche für ein Tor benötigte, war einer der Hauptgründe für das Debakel.

    Löw, der lange davon ausgegangen war, dass der moderne Fußball keine klassischen Torjäger mehr braucht, hatte nun seine Meinung geändert und landete bei seiner erfolglosen Fahndung irgendwann sogar bei Sandro Wagner. Das zeigte, dass aus dem einstigen Stürmerland Deutschland eine Fußball-Nation geworden war, die aus Ermangelung an Topstürmern plötzlich arg improvisieren muss. Zuletzt war der Freiburger Nils Petersen Löws Wahl. Aber weil der nun verletzt fehlt und bei den vergangenen beiden Länderspielen gegen Frankreich (0:0), aber vor allem gegen Peru (2:1) im September erneut die vergebenen Torgelegenheiten schmerzten, darf sich jetzt Uth versuchen. „Mark hat vor allem eine Torjägerqualität: Er ist im Strafraum sehr gefährlich. Ich bin mir sicher, er wird das in dieser Woche zeigen“, sagte Löw. Uth steht exemplarisch für Löws Not, bei der Stürmersuche neue Wege gehen zu müssen. Denn auch seine Karriere war bisher eine mit Umwegen. Und Löw hat sie schon länger verfolgt.

    Das Scoutingteam der Nationalelf fand den gebürtigen Kölner bereits im Jahr nach der WM 2014, als dem Bundestrainer klar wurde, wie schwer Klose als Zentrumsstürmer zu ersetzen sein würde. Im „Team Köln“, einer Armada von Analysten, die beim DFB Spieler und Spiele sichten, wurde in der Saison 2014/15 jemand auf diesen wendigen deutschen Angreifer aufmerksam, der beim SC Heerenveen in der niederländischen Eredivisie auffällig viel traf. In 32 Liga-Einsätzen erzielte Uth damals 15 Tore und bereitete elf Treffer vor. Löw schickte seinen Chefsout Urs Siegen­thaler, und der war höchst angetan.

    Dass Uth nun, einige Jahre später, gegen die Niederlande am Sonnabend sein Debüt im Nationalteam geben könnte, ist zudem eine nette Pointe. Ins Nachbarland war er mit 21 Jahren ausgewichen, weil er sich beim 1. FC Köln nicht durchsetzen konnte. „Ich hatte nicht diesen Bilderbuchstart in meiner Karriere“, sagte Uth einmal. Bis 17 spielte er bei Viktoria Köln noch auf Ascheplätzen. „Für mein Ziel Bundesliga musste ich den Umweg über die Niederlande nehmen“, so Uth.