Suzuka. Auch in Suzuka gewann Mercedes souverän. Ferrari wurde nach erneutem Pilotenfehler sogar nur Fünfter. Die WM scheint entschieden

    Die Sonne über dem Fahrerlager der Formel 1 war nur noch ein roter Punkt, so wie in der Fahne Japans, als Sebastian Vettel noch einmal Auskunft geben sollte über jenes Rennen, das zumindest für diese Saison wohl seinen Traum vom ersten Weltmeistertitel mit Ferrari beendete. Gegenspieler Lewis Hamilton hatte mit 13 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Valtteri Bottas den vierten Sieg in Folge eingefahren, den neunten in diesem Jahr, seinen 50. Erfolg für das Mercedes-Werksteam. Vettels Hoffnungen sind, nachdem ein neuerliches Wochenende voller Fehler mit einem desillusionierenden sechsten Platz endete, nur noch ein rotes Pünktchen.

    Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene hatte ein schmales, sehr bitteres Lächeln auf den Lippen. Mattia Binotto, der Technikboss, stocherte lustlos in einem Teller Bohnen. Sie blieben hinter dem sicheren Glas des Pavillons im Fahrerlager, nachdem Arrivabenes erste Reaktion vor den Mikrofonen die war: „Wieso müsst ihr immer nach Fehlern fragen?“ Draußen stand nur ein Propagandist, der zumindest den italienischen Medien zu erklären versucht, dass die Hoffnung nie stirbt. Nicht die, dass es irgendwann doch wieder etwas wird mit einem fehlerfreien Auftritt, und auch nicht die, dass es bei nur noch vier ausstehenden Rennen doch noch möglich sei, die jetzt 67 Punkte Rückstand aufzuholen. Der Rest der Welt rechnete genau andersherum: Holt der Titelverteidiger in zwei Wochen in Austin mindestens acht Punkte mehr als Vettel, ist die WM gelaufen. Sollte Hamilton auch in Texas gewinnen, müsste der Deutsche mindestens Zweiter werden.

    Vettel war mehr Mimik als Aussage nach dem Desaster von Suzuka, er kratzte sich am Ohr, rückte am Mützenschirm, verschränkte die Arme vor der Brust, zuckte mit den Schultern, beugte sich mal nach vorne, mal nach hinten. Wie die Chancen stünden? Er antwortete ernsthaft, ohne Anflug von Zynismus: „Ich finde meine Hoffnung darin, dass in unserer Garage immer noch alle voll bei der Sache sind, der Mannschaftsgeist ist ungebrochen. Es wird schwierig von dort aus, wo wir gerade stehen – aber was haben wir noch zu verlieren? Wir hatten schon einen Haufen Sch…, ich denke nicht, dass der noch größer werden kann.“

    Ob er da wirklich so sicher sein kann? Das Ende aller rational begründbaren WM-Hoffnungen hatte mit einer falschen Reifenwahl in der Qualifikation ihren Anfang genommen: Ferrari fuhr am Sonnabend mit regentauglichen Reifen raus, als es trocken war – und mit Trocken-Pneus, als der Regen einsetzte. Startplatz acht mit mehr als einer halben Sekunde auf den Mercedes-Turbo, da konnte nur noch Renn-Glück helfen. Vettel war entsprechend motiviert, schnell Vierter, dann griff er in der achten Runde Max Verstappen an.

    Er hatte den nötigen Batterieüberschuss, sah die Lücke innen, aber der Niederländer machte sie zu. Die Kollision war unvermeidlich, der Ferrari knallte in die Seite des Red-Bull-Rennwagens, Vettel drehte sich raus, musste das Feld passieren lassen. Dabei wäre Verstappen wegen einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe wohl ohnehin beim Boxenstopp hinter den Ferrari gefallen. Wieder einmal zu schnell zu viel gewollt, wie in Baku oder Monza. In der gleichen Kurve hatte er schon in der Qualifikation einen Schnitzer gemacht. Vettel sprach lange über die Szene, über Verstappens Defizite, kam aber irgendwann auf den Punkt. „Wir haben heute keine Punkte gut gemacht. Wenn wir so weitermachen, fällt es den anderen in den Schoß.“ Soll heißen: Es ist entschieden.

    Schlimmer war allerdings der Abfall der Leistungskurve der Scuderia. Nach dem Sieg in Spa noch der Top-Favorit, wurde Mercedes danach schneller, konsequenter – und auch Hamilton steigerte sich. Wie 2017 auf der Asientournee häuften sich bei Ferrari und Vettel die Fehler. „Inakzeptabel“, sagte Arrivabene, sei die Leistung seiner Truppe im Qualifying gewesen. „Ich bin sehr wütend. Solche Fehler passieren uns nicht zum ersten Mal.“ Er schloss personelle Konsequenzen am Jahresende nicht aus: „Zuerst aber versuchen wir das Unmögliche möglich zu machen.“