hamburg. Der FC St. Pauli bezwingt Sandhausen trotz langer Schwächephase mit 3:1. Joker Henk Veerman leitet den erfolgreichen Endspurt ein

    Der Satz des Tages kam von Markus Kauczinski. „Ich checke das bei uns noch nicht so ganz“, sagte der Trainer des FC St. Pauli nach dem 3:1 (1:0)-Sieg seines Teams gegen den SV Sandhausen. Tatsächlich hinterließ der Verlauf des Spiels nicht nur bei ihm, sondern noch mehr bei den eigenen Anhängern mehr Fragezeichen als Erkenntnisse. Was rein zahlenmäßig aussieht wie ein sicherer Sieg eines Teams aus dem oberen Tabellendrittel gegen einen Abstiegskandidaten, war in Wahrheit erneut ein höchst glücklicher, im Grunde sogar unverdienter Erfolg eines Teams, das fast 70 Minuten lang das Spiel nicht im Griff hatte. Das belegten auch die Statistiken. St. Pauli hatte lediglich 38 Prozent Ballbesitz und nicht einen einzigen Eckball in der Partie.

    Dabei war das Team vom Millertor weitaus besser in die Partie gekommen, als dies gegen einen bekanntermaßen kompakt stehenden Gegner zu erwarten war. Was allerdings nach dem zu diesem Zeitpunkt verdienten 1:0-Führungstreffer (17. Minute) geschah, war noch lange nach dem Spiel das am meisten diskutierte Thema. Trickreich hatte sich Außenverteidiger Jeremy Dudziak von rechts in den Strafraum durchgespielt und bediente mustergültig den frei stehenden Dimitrios Diamantakos, der gar nicht mehr anders konnte, als den Ball von seinem Knie ins Sandhäuser Tor prallen zu lassen.

    Doch fortan schienen die St. Paulianer davon völlig verwirrt zu sein, so ungewöhnlich früh einen Führungstreffer erzielt zu haben. Die zuvor gezeigten Kombinationen vorwiegend über den rechten Flügel, wo Ryo Miyaichi eine gute Rolle spielte, waren plötzlich nicht mehr zu sehen. Vielmehr breitete sich gegen einen limitierten Gegner eine unerklärliche Lethargie innerhalb des St.-Pauli-Teams aus. „Wir haben das Spiel nach dem 1:0 aus der Hand gegeben“, stellte St. Paulis Sportchef Uwe Stöver nach 45 Minuten treffend fest.

    Die Halbzeitpause schien die Gelegenheit zu bieten, das Team wieder aufzuwecken und zurück auf den richtigen Kurs zu bringen. Tatsächlich aber geschah genau das Gegenteil. „Wir haben 30 Minuten lang um den Ausgleich gebettelt, das Tor ist dann ja auch gefallen“, resümierte Trainer Kauczinski später. „Wir müssen uns den Vorwurf machen, dass wir nach dem 1:0 nicht weiterspielen, unser Spiel nicht durchziehen und Sandhausen ins Spiel zurückholen. Wir bekommen verdient den Ausgleich, haben dann Glück, dass wir nicht noch in Rückstand geraten“, sprach auch Innenverteidiger Philipp Ziereis offen die Problematik seines Teams an. Bei einem Freistoß von Felix Müller kam Kevin Behrens per Kopf noch leicht an den Ball und drückte ihm zum 1:1 (73.) über die Torlinie. Der Torschütze hätte zum Helden seines Teams werden können, wenn er nur eine Minute später seine nächste Kopfballchance zum zweiten Treffer genutzt hätte. „Dann wären wir wohl tot gewesen“, ahnte St. Paulis Torwart Robin Himmelmann. Es war die Szene, die auch zum internen Zoff zwischen Philipp Ziereis und Johannes Flum führte. (Siehe Text rechts unten.)

    Wieder einmal reichlich lange hatte Kauczinski gezögert, mit einem Spielerwechsel einen dringend benötigten Impuls von außen zu setzen. Womöglich fiel es ihm extrem schwer zu entscheiden, welchen der zahlreichen Kandidaten, die offenbar nicht mehr über die nötigen körperlichen und mentalen Kräfte verfügten, er als Erstes vom Feld nehmen sollte. Es spricht für den Cheftrainer, dass er wie schon bei den Siegen in Ingolstadt (1:0) und gegen Paderborn (2:1) letztlich eine richtige Entscheidung traf. Der für den Torschützen Diamantakos ins Spiel gekommene Niederländer Henk Veerman brachte nicht nur mit seiner Körpergröße (2,01 Meter), sondern noch mehr mit seiner erstaunlichen filigranen Ballbehandlung eine neue Qualität ins Spiel.

    „Das ist der Wahnsinn. Das macht uns zur Zeit aus. Die Spieler, die reinkommen, entscheiden die Spiele. Das zeigt, dass wir einen guten Kader haben“, sagte Ziereis. Veerman vergab zunächst eine eigene Torchance, ehe er per Hackentrick mit dem ebenfalls eingewechselten Stürmer Sami Allagui Doppelpass spielte, der damit frei vor Sandhausens Torwart Niklas Lomb auftauchte und den Ball zum 2:1 (90.) einschob. „Ich konnte den Ball nicht anders spielen als mit der Hacke“, sagte Veerman, der am Donnerstag Vater eines Sohnes geworden war.

    Der Niederländer leitete auch noch das 3:1 (90. +4) als Schlusspunkt ein. Der ebenfalls ins Spiel gekommene Richard Neudecker vergab seine Torchance, konnte aber noch Christopher Buchtmann bedienen, der die Partie letztlich entschied. „Damit war nicht unbedingt zu rechnen. Aber wenn man mit so einer Wucht von der Bank kommt, kann immer etwas passieren“, sagte Himmelmann.

    „Wenn man es positiv sieht, muss man sagen, dass wir früher solche Spiele verloren haben“, resümierte Ziereis angesichts von zehn Punkten aus den jüngsten vier Spielen, die einige vorhandene Baustellen im Spiel des FC St. Pauli kaschieren. „Ich will verstehen, warum wir super anfangen, ein gutes Spiel machen und es dann komplett aus der Hand geben. Das geht nicht“, ärgerte sich Kauczinski. Johannes Flum sagte dazu: „Fußball ist manchmal kurios. Das kann man nicht erklären.“ Damit allerdings dürften sich Kauczinski und Sportchef Stöver kaum zufriedengeben.