Buenos Aires. 4000 Athleten messen sich ab Sonntag bei den Sommerjugendspielen. Für Hamburg gehen vier Wassersportler ins Rennen.

Die Jugend der Welt ist schon von Weitem zu hören. Noch an der 500 Meter entfernten Bushaltestelle sind die Rhythmen aus dem olympischen Dorf zu vernehmen, Gesänge, Geklatsche, Gejohle, hier und dort ein spitzer Schrei. Dann wieder Beifall, Anfeuerungsrufe, Sprechchöre. Einen Tag vor Eröffnung der Olympischen Jugendspiele in Buenos Aires an diesem Sonnabend feiern die Sportler aus 161 Nationen ihr ganz privates Fest. An den Brüstungen der Balkone hängen Nationalfahnen, auf dem Gelände herrscht das übliche Sprachengewirr. Die Einlasskontrollen sind streng, Hunderte Polizisten sind in Bereitschaft, patrouillieren rund um die Uhr vor und hinter dem zwei Meter hohen Zaun.

„Feel the Future“, spüre die Zukunft, heißt das Motto der dritten Sommerjugendspiele, die nach Singapur 2010 und im chinesischen Nanjing (2014) zum ersten Mal im südamerikanischen Frühling ausgetragen werden. Strahlend blauer Himmel, angenehme Temperaturen um die 20 Grad Celsius lassen im Dorf unter den 15- bis 18-Jährigen Vorfreude auf die Eröffnungsfeier auf der Avenida 9 de Julio aufkommen.

Die Straße des 9. Juli im Herzen der Stadt erinnert an den Tag der Unabhängigkeit Argentiniens im Jahre 1816. Sie ist 140 Meter breit, eine der breitesten der Welt und eine der Hauptverkehrsadern in Buenos Aires. Seit sie vor drei Tagen gesperrt wurde, um Zuschauertribünen und Aktionsflächen aufzubauen, hat das tägliche Verkehrschaos noch mal zugenommen. Die Stadt steht aber erstaunlich gelassen im Stau, nur wenige hupen sich den Frust von der geplagten Autofahrerseele. Und die beliebten Motorräder und -roller finden ohnehin den Weg durch die nicht vorhandenen Lücken.

Auszeichnung „Global Active City“an Hamburg verliehen

Die Jugendspiele sind die Spielwiese der olympischen Bewegung und des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), das im Convention Center gerade unter Leitung seines Präsidenten Thomas Bach den zweitägigen Kongress „Olympism in Action“ abhält, dabei auch über Themen wie Doping, Korruption, Fair Play, Sportwetten und das Erbe olympischer Ausrichterstädte diskutiert. In diesem Rahmen wurde Hamburg am Freitagabend (Ortszeit) die Auszeichnung „Global Active City“ verliehen, die Innen- und Sportsenator Andy Grote entgegennahm.

Sportsenator Andy Grote (3. v. r.) nimmt die Auszeichnung
Sportsenator Andy Grote (3. v. r.) nimmt die Auszeichnung "Global Active City" für Hamburg von IOC-Präsident Thomas Bach (3. v. l.) entgegen © Rainer Grünberg

Dass erstmals eine olympische Eröffnungsfeier nicht in einem Stadion, sondern mitten in der Stadt ausgerichtet wird, ist eines der zahlreichen Experimente. Hamburg hatte bei seiner Bewerbung für die Sommerspiele 2024 und 2028 Ähnliches geplant. Die Athleten sollten mit Barkassen in die HafenCity oder zum Kleinen Grasbrook geschippert werden.

Aber nicht nur der Ort ist neu, auch das Eröffnungsprogramm. Es wird wesentlich gestrafft. Dauert es bei Olympischen Sommerspielen wegen des Einmarsches der Nationen bis zu vier Stunden, soll diesmal spätestens nach der Hälfte der Zeit alles vorbei sein. Das kommt vor allem jenen jungen Athleten entgegen, deren Wettkämpfe schon am Sonntag beginnen.

Olympia ist traditionell immer ein Stück Stadtentwicklung. In Buenos Aires wollen sie mit der Ausrichtung der Jugendspiele den Stadtteil Villa Soldati am südlichen Rand der Hauptstadt vitalisieren. Dort entstand das olympische Dorf, die Wettkampfstätten der Schwimmer, Leichtathleten, Hockeyspieler und mehrerer Hallensportarten. Hier im Verwaltungsbezirk C8 leben vornehmlich Ausländer mit ihren Familien und Randgruppen der argentinischen Gesellschaft, Arme und Alte. Das olympische Dorf soll das Viertel jetzt aufwerten, andere Schichten anlocken. Erster Erfolg: Die Wohnungen sind bereits vermietet oder verkauft. Mittelfristig soll der Stadtteil in einen Sportdis­trikt umgewandelt und Unternehmen dieser Branche angesiedelt werden.

Der Verfall des Peso brachte das Budget ins Wanken

Die Jugendspiele werden in Buenos Aires in vier Zentren ausgetragen, im Green Park, im Techno Park, im Urban Park am Rio de la Plata und eben in Villa Soldati. Nur dort gibt es die einst versprochenen kurzen Wege. Hier finden fußläufig gegenüber dem olympischen Dorf immerhin rund zwei Drittel der 185 Wettbewerbe in 28 Sportarten und 31 Disziplinen statt. Auch beim Budget konnten die Argentinier nicht alle Ankündigungen einhalten. Das liegt in erster Linie an der inflationären Entwicklung der Landeswährung Peso, die seit 2013 massiv an Wert verloren hat, fast 90 Prozent zum Euro und US-Dollar. Die Stimmung im Lande kippt bereits, der Glaube, die wirtschaftlichen Herausforderungen meistern zu können, sinkt. Die Jugendspiele sind dennoch willkommen. Argentinien ist sport-, vor allem fußballbegeistert.

Fußball wird in Buenos Aires bis zum 18. Oktober jedoch nicht bei Olympia gespielt, dafür die Hallenvariante Futsal. Auch Beachhandball, Kitesurfen, BMX-Freestyle stehen zum ersten Mal auf dem Programm, Klettern, Karate, Breakdance und Inline-Speedskating sind als neue Sportarten dabei. Ebenso werden zahlreiche Mixed- und nationenübergreifende Teamwettbewerbe ausgetragen, dazu wird an den Wettkampfstätten ein umfangreiches Bildungs- und Kulturprogramm „Learn and share“ angeboten.

Und erstmals starten bei einer IOC-Veranstaltung dieselbe Zahl an Männern und Frauen, in diesem Fall an Mädchen und Jungen. Die Mannschaftsgröße ist pro Nation auf 75 Einzelsportler begrenzt, das ist auch die Größe des deutschen Teams, mit einer zusätzlichen Mädchen- und Jungenmannschaft können es maximal 100 werden. Nicht mehr als 4000 Sportler und 900 Betreuer – in diesem Jahr sind 206 Länder vertreten) – sollen an den Jugendspielen teilnehmen, schreibt das IOC vor. Bei Olympischen Sommerspielen sind es derzeit rund 10.500 Aktive.

Die Sportler schlafen in Vier- und Achtbetten-Apartments

Sportsenator Andy Grote (M.) besucht die Hamburger Sportler: Silas Mühle (v.l.), Julia Mrozinski, Romy Mackenbrock und Rafael Miroslaw 
Sportsenator Andy Grote (M.) besucht die Hamburger Sportler: Silas Mühle (v.l.), Julia Mrozinski, Romy Mackenbrock und Rafael Miroslaw  © Sabine Krapf | Sabine Krapf

Hamburgs Sportsenator Andy Grote hat zwei Tage vor Beginn der Spiele die vier Hamburger Teilnehmer auf dem Marktplatz des Olympischen Dorfes besucht, die Schwimmer Julia Mrozinski (18) und Rafael Miroslaw (17) sowie das Segelteam (Nacra 15) des Norddeutschen Regatta Vereins mit Romy Mackenbrock (16) und Silas Mühle (15.). Die vier gelten als Medaillenkandidaten, die beiden Schwimmer in den Staffeln. „Alle sind schon sehr aufgeregt und können es gar nicht erwarten, dass es bald losgeht“, berichtete Grote nach dem einstündigen Treffen, bei dem er sich auch die Unterkunft angeschaut hat. Überrascht hat ihn die spartanische Unterbringung der Sportler in Vier- und Achtbetten-Apartments und die mangelnde finanzielle Unterstützung durch Vereine und Verbände. Die Eltern der beiden Segler bezahlten zum Beispiel für ihre Kinder die Reise ihres Trainers nach Buenos Aires. „Dafür muss es doch andere Lösungen geben“, meinte Grote. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg will er sich dieses Themas annehmen.