Hamburg. Die Clubführung des HSV erwartet in Darmstadt einen Sieg. Der Trainer setzt auf Tempo und sein Sturmtalent

    Christian Titz hat einen Plan. Einen Masterplan sozusagen. Wie sich der Trainer des HSV an diesem Freitag bei Darmstadt 98 (18.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) aus der misslichen Lage befreien will? „Ziemlich einfach: Hinfahren, Spiel gewinnen und wieder nach Hause.“ Titz sitzt auf dem Podium des Medienraums im Volksparkstadion und lacht. Gute Miene zu einem schwierigen Spiel. Vielleicht das schwierigste Spiel in der noch kurzen Amtszeit des Hamburger Cheftrainers. Nach drei sieglosen Spielen in Folge ohne eigenes Tor erwarten die Clubbosse nicht weniger als einen Sieg von Titz und seinem Team.

    Im ausverkauften Merck-Stadion am Böllenfalltor braucht der HSV dafür vor allem wieder eines: Torchancen. „Wir müssen es schaffen, unsere PS wieder auf die Straße zu bekommen“, sagte Titz am Donnerstag vor der Abfahrt nach Darmstadt. Geht es danach, würde der HSV in einem Spiele-Quartett wohl gegen fast jede Mannschaft der Liga gewinnen. Das Problem: Die Gegner haben sich mittlerweile die passenden Karten zurechtgelegt, um dem HSV mit seinen Pferdestärken das Spiel zu vermiesen.

    „Titz’ System ist entschlüsselt“, meint Tobias Escher. Der Blogger und Buchautor, der für das Taktikportal Spielverlagerung.de, das Magazin „11 Freunde“ sowie den HSV-Blog „Rautenperle“ Spiele analysiert und zusammen mit Daniel Jovanov gerade das HSV-Buch „Der Abstieg“ veröffentlicht hat, beschäftigt sich auch mit den Hamburger Offensivproblemen. Oder besser gesagt: mit den Mitteln der Gegner, das HSV-Spiel auszuhebeln. „Aggressives, mannorientiertes Pressing im Mittelfeld. So nennt man den Anti-HSV-Plan im Taktik-Nerd-Jargon“, sagt Escher. Der HSV tue sich in der Zweiten Liga so schwer, weil „nahezu alle Gegner diesen Plan mal mehr, mal weniger konsequent durchziehen“.

    Christian Titz weiß um diese Pro­blematik. Schaffte es die Mannschaft nach seiner Amtsübernahme im März in den letzten acht Spielen der Bundesligasaison, mit dominantem Ballbesitzfußball und mutigen Passstafetten die Gegner zu bespielen, haben sich die technisch limitierteren Mannschaften in Liga zwei auf diese Idee eingestellt. Tief stehen, auf Fehler lauern, schnell umschalten. Der HSV dagegen tut sich extrem schwer, Lösungen zu finden. Das Spiel wirkt zäh und schwerfällig, die Leichtigkeit ist verloren gegangen. „Wir brauchen Geduld, bis die Lücke aufgeht. Das wissen wir. Das ist ein Gewöhnungsprozess. Der dauert eine gewisse Anzahl von Spielen“, sagt Titz.

    Acht Spiele dauert dieser Prozess mittlerweile an. Zu lange, meinen die Clubbosse. Noch nicht lange genug, meint Titz. „Wenn du so eine junge Mannschaft aufbaust, ist es eine völlige Normalität, dass sie erst einmal zusammenwachsen muss“, sagt der Trainer. Unterstützung bekommt er von Buchautor Escher. „In einer Hinsicht hat Titz recht: Sein HSV braucht Zeit.“

    Zeit und vor allem Geduld. Doch die ist im Vorstand nicht sonderlich groß ausgeprägt. „Fußball und Geduld sind zwei ganz schwierige Faktoren, weil man immer ein Stück vom Ergebnis abhängig ist“, sagt Titz und hätte damit nicht besser ausdrücken können, was man von ihm erwartet.

    Titz will in Darmstadt über die Flügel zum Erfolg

    Um wieder mehr Tiefe und Torgefahr in das Offensivspiel zu bekommen, setzt Titz in Darmstadt auf Tempo. Mit Hee-Chan Hwang und Tatsuya Ito vertraut der Trainer auf seine schnellen Flügelspieler. Dazu soll Fiete Arp, der neben Josha Vagnoman, Jonas David und Tobias Knost erneut für die U-19-Nationalauswahl berufen wurde, für die nötigen Tore sorgen. Nach seinem Startelfdebüt in der Liga gegen St. Pauli bekommt der 18-Jährige eine weitere Chance. „Fiete ist ein junger Spieler, der Zeit benötigt hat, um sich zu stabilisieren“, sagte Titz. „Er zeigt gute Trainingsleistungen und untermauert, dass er Qualität hat, die uns hilft.“

    Drei Tage hat der Coach im Training daran gearbeitet, nach der zurückgewonnenen Defensivstabilität nun wieder torgefährlicher zu werden. „Es ging darum, wie wir von hinten heraus das Spiel schneller aufbauen, wie wir uns auf die Außen freispielen. Wie wir unsere Spieler so positionieren, dass wir unsere schnellen Spieler in der Endzone einsetzen, um dann wiederum in die Eins-gegen-eins-Situationen zu kommen“, erklärt Titz.

    Dass dem HSV seine Stärke abgegangen ist, liegt laut Taktik-Experte Escher daran, dass die Gegner mit Linksverteidiger Douglas Santos einen Schlüsselspieler zudecken und sich die beiden Achter Aaron Hunt und Lewis Holtby in den falschen Räumen bewegen. „Der HSV ist damit seiner besten Option beraubt, das eigene Spiel in die gegnerische Hälfte zu tragen“, meint Escher. „Das Anti-HSV-System funktioniert auch deshalb so gut, weil der HSV derzeit keine Antwort parat hat.“

    Titz und seine Truppe, so viel ist klar, werden an diesem richtungsweisenden Tag Antworten finden müssen.

    Darmstadt: Heuer Fernandes – Sirigu,
    Franke, Sulu, Holland – Medojevic, Kempe – Heller, Wurtz, Jones – Dursun.HSV: Pollersbeck – Sakai, Bates, van
    Drongelen, Santos – Mangala – Hwang, Holtby, Hunt, Ito – Arp.